Salam ya Amman
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Arbeit über Arbeit

Veröffentlicht: 21.12.2019

Dienstag – Freitag, 10. – 13. Dezember

In dieser Woche war wirklich Land unter mit Uni-Kram. Daher jetzt ein Kurzabriss der wichtigsten Ereignisse, bis Hanni kam:

Es ist kalt! Zumindest so kalt, dass es für mich mittlerweile normal ist, mit meiner dünnen Jacke aus dem Haus zu gehen, und ich eine Joggingpause einlege, bis ich mir wetterfeste Sportklamotten zugelegt habe. Aber dafür ist jetzt erst mal keine Zeit. Ich bin gefangen zwischen Uni-assignments, Praktikum & arabisch (was, abgesehen von dem Unterricht, wieder mal viel zu viel zu kurz kommt) und in der Zwischenzeit damit beschäftigt, meinen Kopf nicht zu verlieren. Das Manara ist mittlerweile schon zu einem vertrauten zweiten Heim geworden. So sehr, dass ich schon von Manara-Kellnern, die ich zufällig an anderen Orten in Amman treffe, mit „Oh, our customer!“ angesprochen werde.

Was es bei Tarabot Neues gibt: Sophia und ich beenden erfolgreich unseren Englisch-Kurs. Bis zum Schluss ist die Klasse eine Mischung aus aufmerksamen, motivierten Schüler*innen und unruhigen Störfrieden, aber das ist wohl das Schicksal aller Lehrkräfte. Wir schaffen jedoch den Stoff, den wir uns für die letzte Unterrichtseinheit vorgenommen haben, und teilen den Kindern am Ende ein Blatt aus, auf das sie in die Mitte ein Bild von sich kleben können, das wir davor gemacht haben, um in die Kästen darum positive Eigenschaften von sich aufzuschreiben. Wie bei allen Aufgaben klappt das bei einigen mehr und bei anderen weniger gut, aber wir hoffen, ihnen damit zumindest etwas auf ihren zukünftigen Weg mitzugeben. Yamamah und Amwaj, unsere beiden kleinen Kurs-Verehrerinnen, geben uns auch noch etwas mit auf den Weg: etwa ein Dutzend selbstgemalter Bilder. Wirklich süß.

Am gleichen Tag, an dem wir unseren Englischkurs mit Samer als Unterstützung beenden, eröffnet der uns, dass heute sein vorletzter Tag bei Tarabot sein wird: er hat am Tag davor einen Anruf von einer Firma bekommen, bei der er in der Woche davor zu einem Vorstellungsgespräch war. Am kommenden Sonntag kann er bei der neuen Firma anfangen. So schnell kann das hier in Jordanien also gehen. Sophia und ich sind wirklich traurig. Samer war unser liebster Kollege. Aber natürlich überwiegt die Freude darüber, dass er jetzt endlich einen Job im IT-Sektor gefunden hat. Immerhin ist das sein Studienhintergrund, im Gegensatz zu der Datenbankpflege bei Tarabot. „The people are good!“, sagt er uns in der Mittagspause bei Abu Wahid, „But the work not.” 

Und das können wir verstehen. Namen auf Teilnehmerlisten entziffern und im System erfassen ist nicht wirklich etwas, wofür man Informatik studiert haben muss. Samer erzählt uns außerdem, was er alles auf sich nehmen konnte, bis er sein Studium Anfang des Jahres schließlich erfolgreich abgeschlossen hat. Um seine krebskranke Mutter zu unterstützen, hat sein Vater vor Jahren alle Besitztümer verkauft, um ihre Behandlung bezahlen zu können. Während sie sich von der Krankheit wieder erholen konnte, waren die Strapazen für den Vater zu viel – er erlitt einen Herzstillstand. Samer und seine Brüder mussten daraufhin die Schule früher verlassen, um zu arbeiten. Erst drei Jahre später, und älter als alle anderen, konnte er dann seine Schule weiterführen und hat es mit viel Fleiß schließlich auch zum Ende seines Studiums geschafft. Dass er nun auch anwenden möchte, was er sich mühsam erarbeitet hat, ist wirklich mehr als nur nachvollziehbar. Sophia und ich hoffen beide, dass er in seinem neuen Job nun alles findet, was er sich erhofft.

… achja, fast vergessen: Abu Wahid hat Sophia eine Freundschaftsanfrage bei Facebook geschickt. Wie auch immer er sie da gefunden hat. Jetzt ist ihre Freundschaft auf jeden Fall offiziell!

Zum Visum: Nachdem ich am Tag zuvor angerufen habe (was ein mittelgroßer Aufwand war: ich habe 3 Personen hintereinander haargenau das gleiche erzählt), fahre ich am Donnerstag früh wieder mit Nandini zum Directorate of residence and borders. Dort, gleiches Spiel wie letztes Mal: die unfreundliche Beamtin mit Handyvideo im Frauen-Container am Eingang, danach in die große Halle, wo uns der gleiche Beamte wie in der vorherigen Woche zu Schalter 1 schickt, an dem die gleichen 3 Beamtinnen sitzen. Unsere Anträge werden aus einem alten Ordner hervorgekramt und weiterbearbeitet (alles in Papierform), danach geht es zu Schalter 2, an dem wir noch einen JD bezahlen müssen (für was auch immer), dann wieder zu Schalter 1. Und schließlich haben wir es: unser Visum, für die nächsten 3 Monate. Al Hamdulillah!

Und noch ein kleiner Schwenk aus der Poststelle: Am Freitagmorgen mache ich mich auf den Weg, ein paar Briefe zu verschicken. Und ja, ich hätte mir denken können, dass Freitag in Jordanien mal wieder kein guter Tag ist, um solche Dinge zu erledigen. Ich laufe an zahlreichen geschlossenen Post-Offices vorbei, bis ich schließlich ein einziges Büro in der Downtown finde, bei dem die Türen offenstehen. Ich laufe also hinein und stehe dann in einem leeren Raum. In einem deutschen Verwaltungsbüro stände jetzt eine kleine Halli-Galli-Klingel auf dem Tresen, aber hier muss meine Stimme ausreichen. 


Tut sie aber nicht. Ich setze mich also auf einen Sessel, der dort einladend an der Wand steht, und warte. Nach etwa 10 Minuten, als ich mir gerade darüber Gedanken mache, dass heute am Freitag den 13. vielleicht nicht gerade mein Glückstag ist, betritt ein Mann das Büro. Ganz gemächlich und mit einem Kaffeebecher in der Hand schlendert er hinein und begrüßt mich mit einem zurückhaltenden „Hello“. Ob er hier arbeite, will ich wissen, was er bejaht. Great. Ich gebe ihm also meine Briefe und lasse mich von ihm über das beste Preis-Leistungsverhältnis aufklären. Es stellt sich dann heraus, dass er deutsch spricht. Ziemlich gutes deutsch sogar, sodass er mir den Unterschied mitteilen kann, den er zwischen deutschen und arabischen Menschen wahrnimmt. „Wenn man deutsche Köpfe aufmacht, sieht man Zahlen. Wenn man arabische Köpfe aufmacht, sieht man Buchstaben.“ Vielleicht würde uns allen ein kleiner Austausch zwischen beiden ganz guttun.

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