Veröffentlicht: 23.01.2023
23.01.2023 Asilah - Meknes: Unsere Route führte uns heute ausschließlich über gut ausgebaute Landstraßen. Natürlich kamen wir auf unserer 200-Kilometer-Etappe auch durch einige größere Städte, aber der Verkehr hielt sich diesmal in Grenzen. Wir zogen gemütlich mit 70, 80 Sachen unsere Bahn und hatten so die Möglichkeit, viele Eindrücke von diesem Marokko in uns aufzunehmen.
Ja, wie war mein erster Eindruck von diesem Land – mal abgesehen von den unschönen Szenen beim Grenzübergang? Sehr unterschiedlich. Viele Extreme. Arm und reich, neu und alt, wunderschön und abstossend. Und alles ganz dicht beisammen. Da brausen drei junge Kerle auf ihren hochgerüsteten Quads an einer Gruppe junger Männer vorbei, die im Müll am Straßenrand nach verwertbaren Resten suchen. Supermoderne Villen protzen neben verfallenen Hütten, die nur noch von ein paar Brettern zusammengehalten werden. Oder der Müll am Straßenrand bis weit in die angrenzenden Felder hinein, der wie ein Schandfleck das Bild dieses imposanten Landstrichs in seinem herrlichen satten Grün überschattet.
Der Plastikmüll hat auch Brigitte und Berndt überrascht. „Es war schon mal sauberer“, sagt Brigitte und verdreht die Augen. Im Sommer vor vier Jahren hatte Marokkos König Mohammed VI. erlassen, dass in seinem Land keine Plastiktüten mehr verwendet werden dürfen. „Ein paar Monate später, war der ganze Müll verschwunden“, ergänzt Berndt.
Es gibt nicht mehr viel, was die beiden Hallenser in diesem Land verwundern könnte. Das ist ihre achte Wohnmobil-Tour durch das Westliche Königreich, wie die Einheimischen ihr Land nennen. Die Betriebswirtin und der Diplom-Ingenieur hatten sich 1999 ein Wohnmobil zugelegt, waren 2000 in Rente gegangen und hatten sich ein Jahr später zu einer sechswöchigen, geführten Tour angemeldet. „Damals hatten viele Dörfer noch keinen Strom und es gab keine Wasserleitung“, erinnert sich Brigitte an die Bilder der jungen Männer mit ihren Eseln, die mit 20 bunten Wasserkanistern beladen waren. Und die meisten Straßen waren nur geschottert. Heute gibt es in den Städten sogar vierspurige Autobahnen, und das ganze Land durchziehen Asphaltstraßen, die besser sind als viele Landstraßen in Deutschland.
„Es ist überall schön, nur anders“, sagt Berndt, der mit seiner Ehefrau von Anfang an den Wunsch geteilt hat, die Welt zu sehen. Zu DDR-Zeiten bereisten sie Polen, Ungarn, Rumänien oder Rußland, ab und an mit dem Flugzeug, aber wenn es irgendwie ging mit dem Wohnwagen, in den auch ihre drei Kinder eingepackt wurden. Wen wundert’s: Die Drei sind heute auch begeisterte Camper.
Dass Brigitte und Berndt die Tour begleiten, ist Richard zu verdanken, der die beiden langjährigen Mitglieder der Reisemobil-Freunde Europa überredet hat, gerade wegen ihrer großen Marokko-Erfahrung. Große Mühe musste er sich dabei wohl nicht geben … „Uns zieht es schon in dieses Land“, sagt Brigitte. „Der Sommer, die Sonne, die Wärme.“ Und natürlich auch die Menschen mit ihrer offenen, freundlichen Natürlichkeit. Dieses Mal soll es aber endgültig das letzte Mal sein, meint sie und schaut zu ihrem Mann hinüber, der den Kopf einzieht. „Naja“, sagt Brigitte, „nächstes Jahr geht unser Tochter Kerstin in Rente und die war noch nie hier …“