Veröffentlicht: 24.01.2023
24.01.23 Meknes: Sich etwas aus den Fingern saugen zu müssen, ist für jeden Schreiberling eine Qual. Doch das glatte Gegenteil ist kaum leichter: Der Tag in Meknes bot ein Feuerwerk an farbenprächtigen Bildern, Gerüchen, Eindrücken und Emotionen, die in meinem Kopf noch immer Achterbahn fahren.
Wir haben uns um 10.30 Uhr mit dem Bus – dazu später mehr – aufgemacht nach Meknes, eine 750.000-Einwohner-Metropole, die zu den vier Königsstädten von Marokko zählt. Irmi, Brigitte und Ricci haben schnell einen Reiseführer für uns gefunden, der mit einem Mischmasch aus Deutsch, Englisch und Französisch recht gute Dienste leistete. Er zeigte uns einige Sehenswürdigkeiten und führte uns anschließend in die Souks, den täglichen Markt von Meknes. Was war das für ein Trubel! Menschen über Menschen, fliegende Händler, die Popcorn, Süßigkeiten oder Zigaretten feil boten, zwischen Menschen auf dem Boden, die um ein paar Münzen flehten, Imbissbuden, die den Geruch von altem Fett verströmten, Händler mit lebendem Federvieh, das auf Wunsch auch gleich geschlachtet wurde, daneben Metzger, die zwischen Rinderfüßen und Kalbsmägen frisches Fleisch durch die Faschiermaschine laufen ließen. Und mittendrin, Gaukler mit kleinen Affen auf dem Arm oder alte Männer, um deren Hals sich Klapperschlangen wanden und die sich für ein Foto anboten. Wahnsinn! Ich war fasziniert, abgeschreckt, verwundert, elektrisiert – und alles gleichzeitig.
Das Mittagessen versprach ein wenig Erholung. Unser Guide führte uns in ein kleines Lokal, das so klein war, dass wir alle draußen Platz nehmen mussten. Er verbürgte sich für die Reinheit der Speisen und forderte uns auf, mit ihm auf dem Souk Frischfleisch zu kaufen, das dann in der Gaststätte für uns zubereitet würde. Irmi und ich begleiteten ihn, und bei einem Metzger um die Ecke kaufen wir eineinhalb Kilo Rindfleisch. Das wurde vor unseren Augen durchgedreht und mit allerhand Gewürzen vermischt. Danach brachten wir das Fleisch zu unserem Gastgeber. Keine halbe Stunde später servierte man uns ein Fladenbrot mit kleinen Würstchen, die aus dem Fleisch gedreht worden waren. Es schmeckte phantastisch! Jeder von uns musste samt Getränk keine 3 Euro bezahlen.
Wir drehten danach noch eine Runde auf dem Souk und gingen anschließend zur Bushaltestelle, wo wir auf die Linie 15 warteten. Die kam dann recht schnell. Der Bus mit seinen 50 Sitzplätzen war schon so gut gefüllt, so dass wir alle keinen Sitzplatz mehr fanden. Wir standen also, zuerst recht bequem, aber jedesmal, wenn der Bus anhielt, stiegen neue Passagiere hinzu und wir mussten zusammenrücken. Nach etwa 15 Minuten war ich mit dem Rücken an die Tür gepresst, die bei jedem Halt auf- und zuging. Ich musste ausweichen, doch wohin? Zu meinen Füßen saß eine alte Frau, neben mir stand ein Mann, der zwei Säcke Schafwolle dabei hatte und in Begleitung einer Frau war, die einen großen Rollwagen mitgebracht hatte. Die stand vor mir. Ich hatte keine Chance. Ich hatte die Hoffnung, dass es auf unserem Weg nicht allzu viele Haltestellen geben würde, aber ich hatte die Rechnung ohne die Flexibilität der Marokkaner gemacht: Der Bus hielt, wenn einer der Passagiere von innen an die Fensterscheibe trommelte, oder draußen jemand an der Straße winkte. Anfangs dachte ich noch, die würden uns winken und winkte zurück. Irgendwann bemerkte ich das Lachen des Mannes mit der Schafwolle, wenn ich wieder winkte. Er gab mir mit Händen und Füßen zu verstehen, dass das nur die Aufforderung an den Busfahrer war stehen zu bleiben. Ich solle mich doch ruhig verhalten. Ich ließ das Winken bleiben …
Beim abschließenden Briefing des heutigen Tages teilte uns Ricci mit, dass wir die für morgen geplante Station in Azrou, eine alte Berberstadt, auslassen würden, weil sie auf einer Höhe von 1.250 Meter liegt. Es ist in diesen Tagen ungewöhnlich kalt in Marokko, und wir wollen nicht riskieren, dass wir mit unseren Gasheizungen Probleme bekommen. Wir fahren gleich weiter nach Midelt, das am Fuße des 3.750 Meter hohen Jbel Ayachi liegt. Als waschechter Oberbayer kann der gute Ricci halt nicht schnell genug in die Berge kommen …