Veröffentlicht: 14.01.2023
14. Januar 2023, Stolpe an der Oder – Nürnberg: Bevor ich ins Wohnmobil steige, liegt die schwerste Etappe dieser Reise schon hinter mir: Abschied nehmen. Icke – meine Ehefrau – kann nicht mitkommen. Da ist ihr Papa, den eine schwere Corona-Erkrankung fast das Leben gekostet hätte und den sie nicht alleine lassen will. Und da ist Berry, unser Dackel-Opa, der seit fast 14 Jahren bei uns ist und mit dem ich mir – mal mehr und mal weniger einhellig – das Herz unseres Frauchen teile. In dieser Woche ist ein neuer bösartiger und sehr aggressiver Tumor an seiner linken Vorderpfote entdeckt worden. An der ist er schon zweimal operiert worden, und die Frage ist: Was passiert jetzt? Icke leidet sehr darunter, und mir hat es das Herz gebrochen, sie jetzt alleine zu lassen. Heute morgen sind viele Tränen geflossen. Ich war drauf und dran, alles abzusagen. Aber das wollte Icke nicht. Ich schaffe das, hat sie gemeint und mich praktisch zur Tür hinaus geworfen.
Beim Frühstück gab es noch ein Telefonat mit Richard Ott, unserem Reiseleiter. Ich kenne ihn seit 35 Jahren. Er war damals beim Deutschen Eishockey-Bund angestellt und für die Ligen zuständig, die ich als Redakteur der Fachzeitung Eishockey NEWS betreuen durfte. Wenn es in all den Jahren beim einen Probleme gab, klingelte beim anderen das Telefon. So auch diesmal. Und wie damals fanden wir eine Lösung. Wenn die Sache bei mir zu Hause aus dem Ruder läuft, werde ich in Algeciras nicht mit auf die Fähre nach Tanger kommen. Ich werde umdrehen. In erster Linie nicht wegen Icke. Oder wegen Berry. Ich mache es wegen mir. Was können mir die schönsten Erlebnisse in Marokko geben, wenn ich mit meinen Gedanken und mit meinem Herzen in Stolpe bin? Wenn ich das Gefühl habe, zur richtigen Zeit am falschen Ort zu sein. Das will ich nicht. Das wäre auch nicht fair den anderen Reiseteilnehmern gegenüber.
Nach gut 500 Kilometern stehe ich jetzt am Samstagabend hier in einem kleinen Vorort von Nürnberg auf einem schönen Stellplatz. Ich sitze am Tisch, vom Himmel donnert Wasser aus Kübeln aufs Wohnmobil-Dach, während die Heizung neben mir sich mit einem tiefen Brummeln Gehör verschafft und eine kuschelige Wärme im Wohnmobil verteilt. Eine Fünf-Minuten-Terrine und ein Stück Kuchen von Bärbel, der besten Nachbarin aller Zeiten, haben schon für eine gewisse Bettschwere gesorgt. Ich gehe im Gedanken noch einmal die Sachen durch, die ich trotz meterlanger Liste wieder vergessen habe. Den Liegestuhl zum draußen sitzen, das Sieb für den Tee, die zweite Badehose – hoffentlich wird diese Liste nicht länger als die Packliste …