Veröffentlicht: 17.01.2023
17.01.23 Villars-les-Dombes – La Jonquera: Ihr werdet es mir nicht glauben, aber ich habe letzte Nacht wirklich von blauen Tankdeckeln geträumt. Immer wieder war dieses Bild vor mir: der blaue Tankdeckel in meiner Hand. Als dann um 8 Uhr der Wecker klingelte, war ich fast ein wenig froh. Morgentoilette, gleichzeitig Frühstück machen – so hätte ich meinen Fauxpas von gestern für ein paar Minuten fast vergessen können. Aber da klingelte das Handy. Markus, mein Schwager. Wir telefonieren nicht so oft miteinander und ich habe mich riesig gefreut, seine Stimme zu hören. Er lese fleißig meinen Blog, sagte er und mein Missgeschick von gestern – da war es wieder! – täte ihm furchtbar leid. Diesel sei eine Katastrophe. Den Geruch bringe man nie wieder raus. Den Tank austauschen, das wäre die einzige Lösung. Er hat das charmanter, rücksichtsvoller formuliert, aber die Wirkung war die gleiche.
Wie es das Schicksal so will, klopfte es da gerade an meiner Tür. Es war Ricci. „Wir fahren jetzt alle gemeinsam zum Tanken“, sagte er. „Für Dich zum Üben. Treffpunkt in fünf Minuten.“ Ich hatte noch nicht gefrühstückt und war erst halb angezogen. Ich verabschiedete mich von Markus und bedankte mich für seinen Anruf.
Die erste Tankstelle, die wir anfuhren, hatte keinen Diesel mehr. Bei der zweiten hatten wir mehr Glück. Ich versuchte, mir den schwarzen Tankdeckel in meiner Hand ganz genau einzuprägen – als nächtlichen Gegenspieler zum blauen – und atmete tief durch, nachdem alles glatt gegangen war. Wir fuhren danach zu Aldi zum Einkaufen, und da ergriff ich meine Chance und sprach Ricci an. „Du, mein Schwager meint, den Dieselgestank würden wir nie und nimmer aus dem Tank bringen.“ Ich konnte sehen, wie es in ihm zu arbeiten begann. Die Baguettes, Schoko-Croissants und Kornstangen zwischen den wir standen, waren plötzlich gar nicht mehr so interessant. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, presste er schließlich hervor und fuhr ohne auf eine Antwort zu warten fort: „Sag’ deinem Schwager einen schönen Gruß von mir, da wird er sich täuschen. Bei mir hat es wunderbar geklappt und das wird es bei dir auch. Lass das nur meine Sorge sein“, sagte er, drehte sich um und ging. Als ich kurze Zeit später auf dem Weg zur Kasse war, stand plötzlich Ricci vor mir und drückte mir wortlos einen Karton in die Hände. Ich schaute hinein und musste schmunzeln: Essig. Ich wusste, das will der gute Ricci nicht auf sich sitzen lassen …
Wir fuhren anschließend Richtung Lyon zu einer Versorgungsstation, an der wir unser Grau- und Schwarzwasser ablassen konnten und ich meinen Tank mit dem Pril-Wasser entleeren und dafür mit Essig-Wasser füllen konnte. Ricci selbst kontrollierte, ob die Mischung auch korrekt war. Dann ging es über Lyon auf die A7 und schnurstracks Richtung Süden. Wobei … Schnurstracks ist vielleicht nicht ganz korrekt. Ricci verpasste die Auffahrt zur Autobahn und führte uns – diesmal ist schnurstracks vielleicht eher angebracht – Mitten ins Industriegebiet von Lyon, vorbei an Container-Häfen, Lkw-Abstellplätzen und Schrotthalden. Erst eine dicke, kräftige Schranke in rot und weiß konnte ihn davon überzeugen, dass das der falsche Weg war. Wir mussten umdrehen. Über Funk hörten wir unseren Reiseführer fluchen: „Dieses verdammte Navi!“
Trotz dieser außergewöhnlichen Sightseeing-Tour schafften wir unser Etappenziel nach La Jonquera. Das waren insgesamt immerhin 550 Kilometer. Aber der wilde Ritt durch Regen, Wind und ein Meer an Lkws hatte sich gelohnt: Wir waren in Spanien! Hier wartete mit Ralph aus Essen schon ein weiterer Teilnehmer auf uns, den wir auf unserem Stellplatz begrüßen konnten. Wir beschlossen den Abend mit Tapas und Bier. Auf dem Nachhauseweg sprach Ricci nicht viel. „Wir müssen morgen wieder Pril reinmachen“, hörte ich ihn in seinen silbergrauen Schnauzbart murmeln …