Veröffentlicht: 18.05.2023
Auf 2.500m springt tatsächlich nachts mal die Heizung an und am nächsten Morgen geht es dann weiter. Die Landschaft ist karg und der Wind eisig. Auf dem Weg sehen wir eine Hirtin, die abends schon an unserem Übernachtungsplatz vorbei kam.
Sie fragt bzw. signalisiert mit einer leeren Flasche, ob wir etwas Wasser und zu essen für sie haben und wir halten an. Ich krame Wasserflaschen und ein paar Bananen und Datteln aus dem Auto. Plötzlich stehen neben ihr 3 kleine Kinder mit löchrigen Klamotten.
Ich habe noch einige Winterklamotten und Schuhe von Mia im Auto und das Gefühl, dass sie hier perfekt aufgehoben sind. Zusätzlich noch ein Pulli von mir und ein paar Kuscheltiere und eine Puppe - alle strahlen, probieren direkt die Schuhe an und der dankbare Blick der Hirtin spricht Bände.
Wir fahren weiter und wie so oft fragt uns Mia dazu Löcher in den Bauch - sie freut sich besonders darüber, dass die Kinder sich so über ihre Puppe und die Kuscheltiere gefreut haben und nun ein anderes Kind ihre lange getragene und heiß geliebte Daunenjacke und ihre Herzchen-Bommelmütze nun in Marokko bleiben und dort sehr geschätzt werden 😍.
Wir fahren durch schöne Täler und kleine Dörfchen, vorbei an Bauern, die ihre Felder noch mit Maultieren bestellen und es wird einfach nicht langweilig, aus dem Fenster zu schauen. An einem Wochenmarkt halten wir und kaufen etwas Obst und bestaunen, was es dort alles - oft gebraucht- zu kaufen gibt.
Wir fahren irgendwann von der Teerstrasse auf unsere nächste Offroad-Piste ab (wobei wir bei der unberechenbaren Strassenqualität ehrlicherweise niemanden empfehlen würden, Marokko ohne einigermaßen geländetaugliches Fahrzeug zu bereisen)
Es geht durch Pinienwälder Richtung La Cathedrale des Roches, einem imposanten Felsendom und später kommen wir an einen schönen Fluss, in dessen Flussbett wir übernachten und nur das Rauschen vom Wasser hören.
Hier ist auch der Einstieg in Basti‘s absolute Wunschroute, vor der ich ein bisschen Bammel habe, weil die schmale Strecke (max. darf man hier 2,60m breit sein) parallel zu einem Fluss verläuft- an der einen Seite Fels, Felsvorsprünge und Engstellen mit max. Durchfahrtshöhe von 3,60 m (wir sind mit Dachboxen bei 3,40m😳) und auf der anderen Seite meterhoher Abgrund - und ich habe ja leider etwas Höhenangst 🙈.
Bei entgegenkommenden Verkehr bedeutet das unter Umständen hoch anspruchsvolles Rückwärtsfahren bis zu einer Ausweichstelle…und die sind rar gesät.
Wir montieren unsere mobile Rückfahrkamera oben an der Dachbox und können so zumindest auf dem Handy checken, ob die Höhe passt 🤪 und es geht los.
Die Strecke ist wirklich atemberaubend schön, das Wetter passt (morgen regnet es hier nämlich) und wir haben bis auf ein Motorrad keinen Gegenverkehr, was uns wirklich überrascht, da wir an unserem Stellplatz gestern durchaus einige Fahrzeuge in und aus der Piste haben kommen sehen.
Als wir am Fluss eine Pause machen, kommt eine Gruppe französischer Geländewagen an uns vorbei (die wir später nochmal sehen) - also perfektes Timing, um uns zu passieren.
An einer Stelle ist die Piste komplett weg gebrochen und es gibt eine sportliche Ausweichpiste durch das Flussbett- für zu große Fahrzeuge definitiv nicht machbar, aber wirklich erstaunlich, wie schnell diese Ausweichstellen überhaupt erstellt werden.
Die Route ist definitiv ein Highlight und mein Puls sinkt auch wieder auf Normalniveau, als wir wieder auf ‚normale Pisten‘ kommen.
Wir fahren durch einige Dörfer, die ein bisschen Endzeitstimmung ausstrahlen und werden hier viel von Kindern angebettelt, die sofort angerannt kommen, sobald wir uns nähern…
Wir wollen es heute noch zum Lac d‘Isli schaffen - einem von zwei Seen auf 2.400m, die sehr schön sein sollen.
Außerdem hatten wir kurz per WhatsApp Kontakt mit Christine und Martín, die seit Tagen und auch heute dort auch sein sollen und dann genau umgekehrt unsere letzten Routen fahren wollen.
Wie sich später herausstellt, hatten sie allerdings kein Netz und ihre Nachricht, dass sie noch am See sind, ging 12 Stunden zu spät raus, denn plötzlich kommen uns die beiden entgegen.
Wir freuen uns alle total, auch wenn wir uns nur kurz sehen. Die beiden hat nacheinander Corona erwischt und sie haben sich deshalb am See eingeigelt und da sie noch nicht wieder ganz fit sind, halten wir Abstand.
Da sie auch Ende Mai Marokko verlassen wollen, setzen wir wieder auf den Zufall, dass wir uns nochmal sehen.
Wir fahren weiter zum See und wie angekündigt wird das Wetter kühler. Das Tiefdruckgebiet, dass gerade Italien und andere Regionen übel erwischt, wirkt sich auch auf uns die nächsten Tage aus.
Auf dem Weg zum See nehmen wir ein kurzes Stück einen älteren Marokkaner mit, der sich zahnlos und strahlend hinten neben Mia quetscht.
Am See treffen wir auf die Gruppe Franzosen, die uns vorher am Fluss überholt haben und die sich nur mit Geländewagen und Dachzelten ein Biwak ‚bauen‘ - es soll hier heute Nacht regnen und 4 Grad kalt werden…
Wir ziehen warme Klamotten an, wandern noch ein bisschen um den See und sind anschließend bei leckeren Nudeln in der warmen Kabine mal wieder sehr dankbar, dieses feste Dach über dem Kopf zu haben 🤩.
Nachts fängt es an zu regnen, unsere Heizung springt an und am nächsten Morgen hören wir in einer kurzen Regenpause die Franzosen sehr früh abfahren.
Beim Blick aus dem Fenster sehen wir Schnee auf den umliegenden Bergen…das war sicher ne verdammt ungemütliche Nacht im Dachzelt 🥶.
Es sind 4 Grad und es ist wirklich verrückt, dass hier vorgestern noch über 20 Grad waren.
Bei kaltem Regen machen wir uns auf den Weg Richtung Süden, um wieder ins Warme zu kommen und außerdem wollen wir die Todhraschlucht noch sehen, eine enge und hohe Schlucht.
Auf dem Weg dorthin ist gut sichtbar, wie schnell sich etwas Regen hier direkt auswirkt - auf den Straßen sind riesige Pfützen und in den Dörfern wird es extrem schlammig, weil das Wasser nicht abfließt.
Während wir in unserem funktionellen Membran-Klamotten im warmen Auto sitzen, haben die Menschen hier meist nur einige weitere Lagen aus Baumwolle und Wolle übereinander an …echt absurd.
Wir überqueren einen Pass und sehen wieder blauen Himmel, das Thermometer wird zumindest zweistellig - unser Plan, dem schlechten Wetter zu entfliehen, ist also aufgegangen.
Wir haben im Reiseführer gelesen, dass in diesem Tal und auch parallel in der Dadesschlucht immer mal von Steine werfenden Kindern berichtet wird und in einem Dorf sehen tatsächlich einen kleinen Jungen, der einen Stein aufnimmt und einen anderen, der uns sehr aggressiv den Mittelfinger zeigt.
Basti tritt heftig auf die Bremse und der Junge rennt gefühlt um sein Leben. Ich habe versucht, herauszufinden, was es damit auf sich hat und wie die Erwachsenen dazu stehen, aber es ist nicht so einfach, da verlässliche und seriöse Infos zu finden und mein Französisch reicht leider nicht für ein Gespräch zu diesem brisanten Thema…
Das Betteln - und auch Steine werfen - werden vom König hier stark verurteilt, aber einige Kinder werden wohl auch dazu von Erwachsenen animiert bzw. genutzt.
Wir haben auch schon erlebt, wie gut gekleidete Jungs mit neuen Fußball-Trikots, die mit Mountainbike unterwegs waren, uns massiv um Geld angebettelt haben und eine - echt schlechte - Show abgezogen haben, als würden sie Weinen müssen.
Aber wenn seit Jahren Womos durch das Land fahren, die Stifte, Süßigkeiten oder schlimmstenfalls auch Geld verteilen (und ein Kind an einem Tag dann mehr Geld nach Hause bringt als der Wochenlohn des eigenen Vaters), dann sind wir gleichzeitig auch Ursache des Problems - und da wir ja auch schon Spenden verteilt haben, will ich uns da gar nicht rausnehmen. Echt ein schwieriges Thema, dass uns nicht loslässt und permanent begleitet.
Wir kommen ohne weitere ‚Zwischenfälle‘ zur beeindruckenden Todhraschlucht und uns begegnen kaum Fahrzeuge und Menschen - bis zur engsten Stelle, da wird es kurios touristisch, weil hier Busladungen von Touris einmal schnell durchlaufen- vorbei an Souvenir-Ständen, die viel made in China anbieten 🤪.
Wir fahren zu einem schönen Campingplatz in einem kleinen Dorf, direkt am Palmenhain und genießen die angenehmen Temperaturen an die 20 Grad.
Auch hier ist es deutlich kühler als in den letzten Tagen, aber die Sonne lässt sich nochmal blicken und wir machen eine kleine ‚Wanderung‘ durch den Palmenhain zu alten Dorfruinen, die hier zunehmend verfallen.
Da die Pflege und Instandhaltung der Lehmbauten so aufwendig ist, kommt es immer wieder vor, dass nach Zerstörung durch Unwetter das ‚neue Dorf‘ in unmittelbarer Nähe in moderner Bauweise wieder aufgebaut wird, während das alte Dorf verlassen wird und verfällt.
Am Platz zurück essen wir draußen und verbringen dann - bis auf die Muezin-Rufe um 05:00 🤪 eine ruhige Nacht.
Am nächsten Morgen soll es regnen, doch noch sitzen wir bei Sonne draußen und fahren die ‚Stein-Strategie‘: wenn gerade alles gut ist und dir nichts Besseres einfällt, …nicht bewegen 🤣!