Veröffentlicht: 13.11.2024
Hallo zusammen!
Ich bin immer noch in Rishikesh und das hat zwei Gründe. Zum einen gefällt es mir hier gut und zum anderen, ist mein Versuch von hier nach Amritsar mit dem Zug zu reisen gescheitert, dazu später mehr.
Seit einer Woche bin ich wieder in einer Yoga-Schule, die Schule wird von zwei Geschwistern geleitet und es ist sehr familiär. Die Familie kocht für uns Schüler mit und wir essen auch zusammen und lernen dadurch viel von der Kultur durch Beobachtung und interessiertes Fragen. Wir sind fünf Schüler mit Herkunft aus Spanien, England, Israel, Australien und Deutschland. Es ist eine lustige Truppe. Unser Tagesprogramm ist straff gebündelt, man ist ja schließlich hier, um etwas zu Lernen. Hier ein Auszug von meinen Tagen; 6:00 Uhr klingelt der Wecker, 6:45 Uhr sitzen wir schon auf unseren Matten und folgen dem Pranayama-Lehrer. 8:00 Uhr geht es direkt zum Hatha-Yoga, eine Stunde später folgt Kundalini-Yoga. Die erste Pause ist 10:30 Uhr, wo jeder von uns sich auf das Frühstück freut. Bei mir geht es 12:30 Uhr mit der Mantra-Lehre weiter, nicht so einfach, da die Mantras in Sanskrit gesungen werden, aber zwei habe ich schon ganz gut drauf. 13:30 Uhr gibt es Mittagessen. 15 Uhr habe ich eine Stunde Philosophie bei einem alten Herrn, der wie gemacht ist für diesen Unterricht. 17:45 Uhr folgt Ashtanga-Yoga, hier kommt man richtig ins Schwitzen, hat aber auch die Energie, um um 19 Uhr für eine Stunde in die Meditation zu gehen. 20 Uhr gibt es Abendessen und wir sitzen meist noch mit der Familie ein Weilchen zusammen, bevor jeder in sein Bett fällt. Seit gestern bekomme ich noch Anatomie-Unterricht im Tausch zur Mantralehre. Die ersten Tage waren anstrengend und der Muskelkater mein liebster Begleiter. Mittlerweile trägt es Früchte und ich fühle mich gut und richtig aufgeladen, was viel mit den Atemübungen zusammenhängt. Es ist spannend so intensiv mit seinem eigenen Körper zu arbeiten und zu sehen, welchen Einfluss unsere täglichen Gewohnheiten (Essen, Bewegung, Atmung, Gedanken) auf Körper und Geist haben.
Was mir sehr gefällt, ist, dass die Familie uns an ihrem Leben teilhaben lässt. Gestern sind wir in den Ashram gefahren, wo ein Teil der Familie aufgewachsen ist und immer noch lebt. Wir haben an der abendlichen Feuerzeremonie teilgenommen und sie mit Fragen gelöchert. Die Geschwister kommen aus einer Brahmanenfamilie und widmen ihr Leben dem spirituellen Weg mit der Yoga-Schule. Die Gliederung der Zeit, wie wir sie kennen - Arbeitsbeginn, Arbeitsende, Wochenende, Urlaub usw. - gibt es für sie nicht. Die Yoga-Lehre ist ihr Leben und diese praktizieren sie mit und ohne Schüler. Es ist faszinierend für mich in diesen Lebensweg reinschnuppern zu können.
Hier noch eine kleine Geschichte zum Thema Zugfahrten. Die angenehmste Art hier zu Reisen ist mit dem Zug. Es ist billig und in den höheren Klassen (es gibt 8 Zugklassen) komfortabel. Problem ist, die Züge sind meist für die nächsten 10 Tage ausgebucht. Das macht es für Rucksackreisende etwas schwieriger, weil man nicht so weit im Voraus plant. So ging es auch mir. Kein Ticket mehr erhältlich, aber, sagte man mir, es gibt noch einen anderen Weg, den indischen Weg. Du fährst zu einer Zugstation, kaufst ein ganz einfaches Ticket, steigst in den Zug und verhandelst mit dem Schaffner, dass er dir einen besseren Platz verschafft. Ich versuchte mein Glück, reiste abends 21 Uhr eine Stunde zu einer kleinen Bahnstation außerhalb von Rishikesh, kaufte das besagte Ticket und wartete auf den Zug. Als dieser kam, stieg ich in den ersten Waggon ein und direkt wieder aus, er war mit Menschen schon reich gefüllt und der Geruch atemberaubend. Dies bemerkte ein Zugbegleiter und fragte mich, ob er helfen könnte. Ich erklärte meine Situation und er meinte "Kein Problem, gegen etwas Bargeld bekomme ich einen guten Platz zum Schlafen". Also stieg ich wieder ein. Er lotste mich zu einem Ende des Waggons, öffnete eine große Schublade am Boden neben den Toiletten, holte diverse Sachen heraus und präsentierte mir meinen Schlafplatz. Ich könne mich dort reinlegen, so hätte ich meine Ruhe und einen angenehmen Schlaf. Im ersten Moment dachte ich, er macht nur einen Scherz, aber er meinte es, wie er es sagte. Ich bedankte mich höflich, schnappte mir meinen großen Rucksack und verließ den Zug bevor er abfuhr. Mittlerweile war es 23 Uhr und es brauchte noch eine Weile um nach Rishikesh zurückzukehren.
Jetzt habe ich Tickets im Voraus gebucht und werde in einer Woche über Delhi nach Amritsar fahren. Ich werde berichten.