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#131 Fazit Albanien

Veröffentlicht: 30.05.2022

21. Mai 2022: Morina 


Bevor wir mal wieder eine Landesgrenze überqueren, wollen wir hier jede/r ein Fazit über Albanien schreiben. Wir haben es unabhängig voneinander geschrieben, ohne den Inhalt des anderen zu wissen. Hier also unsere Fazits zu Albanien:

F. Albanien oder auch Shqipërisë wie es in der Landessprache heißt, ist ein Paradies zum Freistehen mit dem Camper. Es gibt kein offizielles Campingverbot und so kann man sich überall hinstellen, sofern es sich nicht um ein Privatgrundstück oder einen öffentlichen Platz handelt. Bei den Privatgrundstücken ist das meistens aber auch kein Problem, sofern man vorher den Besitzer des Grunds um Erlaubnis gefragt hat. So konnten wir an den wunderschönsten Orten übernachten. Besonders gefallen hat mir das Valbonatal (#129), und die beiden Strände bei Bunecit (#121) und Shëngjin (#128).

Wunderschöner Stellplatz im ausgetrockneten Flussbett

Bevor man in ein fremdes Land fährt, hat man mal mehr, mal weniger viele Dinge über dieses Land gehört. Über Albanien hört man so einige Gerüchte und Geschichten. Nach drei Wochen Reisen in Albanien kann ich sagen, dass einiges absolut wahr ist und einiges absoluter Unsinn. Der Verkehr ist zwar chaotisch, aber nicht viel mehr als in Griechenland. Die Geschwindigkeitsbegrenzungen sind teilweise ein wenig anstrengend, da im Kreuzungsbereich auf Landstraßen gerne auf 40km/h runtergebremst wird – auch wenn vorher 80km/h erlaubt war. Die meisten Hauptstraßen sind in einem absolut super Zustand. In 90% der Fälle lässt sich sagen, wenn es eine Asphaltdecke auf der Straße gibt, sind keine Straßenschäden vorhanden. Nur vor den betonierten Bodenwellen, die man auch aus vielen anderen Ländern kennt und zur Geschwindigkeitsreduzierung dienen, muss man sich sehr in Acht nehmen. Denn meistens haben sie kein Schild und keine farbliche Markierung, durch das sie angekündigt werden.

Der Anteil an Autos der Marke Mercedes ist schon erstaunlich hoch in Albanien. Es gibt mehrere Geschichten dazu, aber die plausibelste war für mich, dass vor 20 Jahren die Straßen in Albanien sehr schlecht waren und dass damals angenommen wurde, dass die Autos von Mercedes das beste Fahrwerk haben. Heute ist ein Auto in Albanien auch ein großes Statussymbol und so sieht man auch viele weitere – besonders deutsche – Luxusmarken. Dieses Statussymbol will natürlich auch gepflegt werden und so gibt es an fast jeder Ecke eine Waschanlage, in der man sein Auto von Hand waschen lassen kann.

Na, wie viele Mercedese kannst du finden? Ich habe mindestens 5 gezählt.

Manchmal kam es mir so vor, dass es mehr Waschanlagen als öffentliche Mülleimer gibt, aber das ist sicherlich eine fehlerhafte Wahrnehmung von mir. Mülltonnen gibt es mittlerweile reichlich in Albanien, auch wenn ich nie gesehen habe, wie sie geleert werden. Das Müllproblem des Landes aus der vergangenen Zeit ist zwar noch an vielen Stellen zu sehen, aber ich hatte es mir deutlich schlimmer vorgestellt. Früher wurde der Müll hier an einem inoffiziellen Platz im Dorf gesammelt und dann von Zeit zu Zeit angezündet. Diese Praxis habe ich auf unserer Reise nur einmal gesehen.

Schöner Strand mit Pferdeherde - nur der Müll stört ein wenig.

Das Tanken ist hier in Albanien ähnlich entspannt wie in Griechenland. Ein Austeigen aus dem Fahrzeug ist nicht notwendig. Die Windschutzscheibe wird allerdings nicht geputzt – die Vorrichtung dafür ist auch nicht vorhanden. Der Preis ist erstaunlicher Weise sehr hoch im Vergleich zu Albaniens Nachbarländern. Wir haben für 2€/L getankt, was mit Abstand der höchste Preis auf unserer bisherigen Reise war.

Der Kommunismus hat tiefe Spuren in diesem Land hinterlassen. So gilt bis heute die Familie als höchstes Gut und als eine der wenigen Institutionen, auf die man sich verlassen kann. Ich kann wenig über die aktuellen Machtstrukturen in so einer albanischen Großfamilie sagen, aber früher war dies sehr strikt geregelt. Der älteste Mann in der Großfamilie hatte nahezu eine 100%tige Vormundschaft über den Rest seiner Familie, inklusive den Familien seiner jüngeren Brüder. Auch der Grundbesitz ist nach dem Ende des Kommunismus nicht klar geregelt worden. So galt hier häufig, wer zuerst Besitzanspruch auf ein Landstück stellt, der ist auch rechtmäßiger Besitzer. Bis heute können einige Grundstücke nicht komplett lückenlos auf rechtmäßige Besitzer zurückgeführt werden. Jeder baute früher da, wo Platz war und wo kein anderer schneller gebaut hatte. Das ist besonders in den Strandregionen ein großes Problem, da hier besonders viele Hotels gebaut worden sind.

Riesige Baustelle südlich vom Llogara-Pass.
Hotels so weit das Auge reicht.

Ansonsten sind die meisten Albaner super freundlich und absolut glücklich über uns Touristen. Das einzige Hindernis ist bisher noch die Sprache, da nur wenig Englisch gesprochen wird und die albanische Sprache sehr schwer zu lernen und zu verstehen ist. Meistens kommt man mit Deutsch oder Italienisch weiter als mit Englisch. Albanien ist in einem sehr schnellen Wandlungsprozess vom völlig verarmten ehemaligen kommunistischen Staat hin zu einem EU-Mitglied. Urlauber, die vor zwei/drei Jahren hier waren, werden das Land sicherlich nicht wiedererkennen. Wahrscheinlich würde das mir in zwei/drei Jahren auch passieren. Ich bin gespannt, wie lange das Freistehen in Albanien noch so einfach möglich ist und ob Albanien in ein paar Jahren das neue Kroatien wird.

Baustelle, Strand - einigen scheint kein Platz zum Campen unmöglich zu sein.


J. Albanien ist ein sehr beeindruckendes und spannendes Land.

Es ist anders als alle anderen, europäischen Länder, in denen wir bisher waren und es ist ein Erlebnis hier zu reisen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

Über Albanien hatten wir auf unserer Reise schon super viel gehört. Viele andere Reisende haben uns von der Schönheit Albaniens und der Freundlichkeit der Albaner vorgeschwärmt und nicht wenige haben es sogar für ihr Lieblingsland Europas erklärt.

Tatsächlich ist Albaniens Landschaft sehr facettenreich und wunderschön. Mich hat so vieles beeindruckt: die hohen, einsamen Berge im Süden, die sich z.T. bis an die Küste erstrecken, die weißen Steinstrände mit türkisem Wasser, die Ebenen mit sanften Hügeln im Zentrum des Landes, die unendlich langen Sandstrände im Norden, die unglaublich blauen Quellen und die vielen Stauseen im Land und last but not least die hohen, schneebedeckten Berge im Nordosten, die nicht ohne Grund albanische Alpen genannt werden. Die drei Wochen, die wir in Albanien verbracht haben, waren vollgepackt mit wunderschöner Natur.

Von Albanien hatten wir im Vorfeld allerdings auch gehört, dass es unglaublich arm sei, bzw. dass die Schere zwischen arm und reich erschreckend weit offenstehe und es nur superarme oder superreiche gebe und man mehrere Tage bis Wochen für den Kulturschock einplanen soll. Das kann ich so nicht bestätigen.

Eselkarren sind natürlich auch im Straßenverkehr zu finden.
Wir haben zwar schon gelegentlich Eselkarren auf den Straßen gesehen, die von Mercedessen überholt wurden, bitter arm scheint in diesem Land allerdings keiner zu sein. Zum Teil hat mich hier einiges an Südostasien erinnert, ohne konkret sagen zu können was. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir schon in Südostasien waren und dass wir erwartet hatten, dass hier viele sehr arm sein werden, dass uns Albanien nicht so arm vorkam, wie anderen. Es gibt hier zwar Müllsammler, aber nicht mehr als in Deutschland. Dafür gibt es hier fast keine Obdachlosen und auch kaum Bettler, denn in Albanien ist die höchste und wichtigste Institution, auf die man sich schon immer verlassen konnte, die Familie. Wenn mein Cousin arbeitslos wird, bin ich verpflichtet ihn bei mir aufzunehmen. Wenn jemand Geld braucht, wird erst das Geld in der Großfamilie zusammengekratzt, bevor ein Kredit beantragt wird. Dieser große familiäre Zusammenhalt ist vermutlich der Ursprung der berühmten albanischen Clans in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Gefährlich ist es hier in Albanien allerdings überhaupt nicht. Die Menschen waren freundlich und hilfsbereit und wir haben uns kein einziges Mal unsicher gefühlt. Nicht mal in der Hauptstadt hatten wir Angst, dass unser Auto aufgebrochen wird (in anderen Ländern war das anders) und wir haben sogar mehrmals sorgenlos unser Auto nicht abgeschlossen, als wir schwimmen waren. Beeindruckend fand ich auch die Religionsoffenheit, die hier im Land herrscht. Obwohl 60% Muslime und 20% Christen sind, gibt es keine Gewalt oder Verachtung, sondern die größte Toleranz zwischen den Religionen, sodass sogar Papst Franziskus Albanien für seine erste Auslandsreise wählte, um der Welt diese Religionstoleranz zu zeigen (#129).

Aber noch mal zurück zu den Mercedessen: Wir haben in Albanien unglaublich viele gesehen, gefühlt war jedes zweite Auto, das uns entgegenkam ein Mercedes. Sogar Busse, Transporter und LKWs sind fast alle von Mercedes, aber besonders häufig haben wir die C-Klasse gesehen; aus allen Jahrgängen. Aber auch andere Deutsche Automarken (VW, Audi, Opel,…) haben wir häufig auf den Straßen gesehen. Auffällig ist wie uralt, aber sehr gut gepflegt viele Autos hier sind. Ich habe einige Einheimische nach dem Grund für die Mercedesliebe der Albaner gefragt. Die Antwort: Wir haben schlechte Straßen, also brauchen wir gute Autos. Mercedes galt anscheinend lange als das Auto mit der besten Federung. Das Auto ist allerdings auch ein Statussymbol.

das typisch albanische Straßenbild

Zu den schlechten Straßen in Albanien hatten wir im Vorfeld auch viel gehört, aber auch hier muss ich sagen: Das gehört der Vergangenheit an. Ich hatte erwartet, dass wir direkt hinter der Grenze auf eine Schlaglochpiste treffen und so durchs ganze Land ruckeln werden. Wir sind allerdings nur auf vereinzelte super schlechte Straßen gestoßen (#119‚ #130), fast alle Straßen sind neu und sehr gut. Auch einige Autobahnen gibt es schon im Land und es wird kräftig an neuen Straßen und Autobahnen gebaut. Trotzdem kommt man in Albanien auf keine hohe Durchschnittsgeschwindigkeit, aber das liegt weniger an den Straßen und mehr an den Bergen. Außerdem muss man neben langsamen Eselkarren und Kutschen immer mit Ziegen-, Schaf- oder Pferdeherden auf der Straße rechnen. Auch Kühe laufen auf der Straße, allerdings nicht in Herden. Es werden ein bis vier Kühe von einem Hirten betreut, die Ziegen- und Schafherden haben auch meist einen Schäfer (oder Zieger?) dabei, nur die Pferdeherden laufen zwar mit Glocke um den Hals, aber unbetreut durch die Gegend.

Mit Kühen, Schafen, Ziegen und Hunden ist auf der Straße immer zu rechnenen.
Schafherde inklusive Schäferin queren die Straße im Dorf.

Ein interessanter Aspekt war auch, dass man fast überall nur bar mit der albanischen Währung Lek bezahlen kann. An Tankstellen und in Supermärkten gibt es zwar gelegentlich Kartenlesegeräte, die funktionieren aber nicht immer. (Tipp: Um günstig an Bargeld zu kommen, sollte man die Credins Bank nutzen, das ist die einzige die keine Gebühr von bis zu 8 Euro pro Abhebung erhebt.)

Außerdem fand ich es sehr interessant überall im Land auf kleine Bunker zu treffen. Insgesamt stehen noch 160.000 Bunker im Land, denn der kommunistische Führer Albaniens, Hoxha, war davon ausgegangen, dass Albanien irgendwann von der ganzen Welt angegriffen wird; selbst gegen einen Atomkrieg waren sie angeblich vorbereitet.

Einer der größeren Bunker mitten in der Stadt.
Einer von den abertausenden kleinen Bunkern

Der große Unterschied Albaniens zu den anderen Ländern, in denen wir bisher waren, liegt vermutlich hauptsächlich an der Geschichte. Auf dieser Reise haben wir noch nirgends anders so viel aktuelle, bewegende Geschichte erlebt wie hier. Bis 1991 war Albanien völlig abgeschottet und entwickelt sich seitdem rasant. Ich bin mir sicher, dass Reisende, die vor 5 Jahren hier waren, nicht viel wiedererkennen und auch wir würden in 5 Jahren vermutlich unglaublich viel Neues entdecken.

Auf dieser Reise durch Albanien waren meine Lieblingsorte die atemberaubenden Berge im Nord-Osten bei Koman und Valbona (#130), die wunderschöne Küste zwischen Himare und dem Llogara Pass (#123) und die pulsierende und lebendige Hauptstadt Tirana (#127). Natürlich haben wir aber nicht „alles“ in Albanien gesehen, einige touristische Orte haben wir ausgelassen, da sie für uns in einer sehr langen Sackgasse lagen, da es danach keine oder nur eine sehr schlechte Straße gab (Teth, Osum Canyon), von anderen hatten wir zu spät gehört (Ohrid See und einige untouristischere Seen und Canyons). Ich bin gespannt, wie sich Albanien in den nächsten Jahren entwickeln wird und welche Orte als nächstes touristisch erschlossen werden. Albanien wird sicher immer wieder eine Reise wert sein, der wunderschönen Landschaft, der freundlichen Menschen und des leckeren Essens wegen.

Wir waren natürlich nicht die einzigen Camper in Albanien.

Falls du nach Albanien oder in eins der anderen Länder reisen möchtest, in denen wir schon waren, und noch Fragen hast oder Tipps brauchst, melde dich gerne bei uns. 😊


Tag 218 – Gesamttour 16.252 km


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