Veröffentlicht: 16.10.2020
Wir haben schon einiges über Istanbul gehört, so auch Warnungen bezüglich des wilden Verkehrs. Darum fahren wir extra früh los und hoffen, dass wir am kleinen Grenzübergang bei Malko Tarnowo schneller in die Türkei kommen, als an der Autobahn. Doch auch hier stehen wir eine Weile zwischen Stacheldrahtzäunen, Mauern und Gräben an denen schwer bewaffneten Grenzsoldaten patroullieren. Die europäische Außengrenze ist natürlich auch in einsamen Landstrichen wie diesem schwerst gesichert. Unser mit Tetris-Professionalität gepacktes Gepäck müssen wir ausräumen, damit es durchleuchtet und wieder eingeräumt werden kann. All dies kostet mehr Zeit als geplant und wir erreichen die ersten Hochhäuser Istanbuls erst am späten Nachmittag. Es wird dunkel, beginnt zu regnen und wir haben gleich am ersten Abend die wohl intensivste Erfahrung des Verkehrs dieser Stadt: Zwei Stunden quälen wir uns zwischen drängelnden Luxus-Karren und hupenden LKWs mit wilden Überholmanövern über die Stadtautobahnen und die verwirrenden Gassen durch den Rush-Hour-Stau. Schließlich schaffen wir es aber doch unfallfrei (Halleluja!) zu unserem Ziel.
Da die Kinder bei der Unterkunftssuche mit entscheiden durften, landen wir nicht wie empfohlen in Kadiköy, sondern in einem "Lüxüs-Hotel" in Beyoglu mit Blick auf den Galata-Turm und das Goldene Horn. Dies ist der perfekte Ausgangpunkt für unsere Stadterkundungen: Über das Goldene Horn fahren wir nach Sultanahmet, besichtigen dort die Blaue Moschee (die leider gerade renoviert wird und wir nur in Ausschnitten die fantastischen Ornamente sehen können) und schlendern durch den Park des Topkapi-Palastes.
Natürlich besuchen wir auch die Hagia Sofia, die nun leider seit Juli kein Museum mehr ist, sondern nach einer Entscheidung Erdogangs wieder als Moschee genutzt wird. Fast tausend Jahre lang war sie Krönungskirche der byzantinischen Kaiser, bis sie nach der Eroberung 1453 zur Hauptmoschee der Osmanen wurde. Die Wandgemälde und Zeugnisse der christlichen Geschichte wurden damals mit Putz verdeckt, der erst 1934 auf Anregung Atatürks entfernt und die Hagia Sofia Museum wurde. Heute stehen wieder Baugerüste vor den Wänden, Holzvertäfelungen verdecken die Gemälde und auch wenn dieser Ort immer noch beeindruckend schön ist, bleibt ein bitterer Beigeschmack.
Doch es gibt viele Gelegenheiten diesen in unzählichen netten Cafés mit einem Glas türkischen Tee wegzuspülen und so lassen wir uns weiter durch diese vibrierende Stadt treiben: Fahren mit der Fähre über den Bosporus nach Kadiköy auf die asiatische Seite, schlendern durch die Gassen, in denen in jeder unterschiedliche Läden je eines Gewerbes zu finden sind: Die Lampengasse führt in die Handwerkergasse, parallel verläut die Schuhgasse, woanders gibt es frischen Fisch, Obst- und Gemüse, Gewürze: Ein ganzes Feuerwerk von Eindrücken.
Verständlicherweise sind die Kinder von tagelangen Stadtbummeln weniger begeistert als wir, doch das Lüxüshotel zahlt sich aus: Während wir am Nachmittag im Hamam und der Sauna zur Ruhe kommen, toben sie sich im Fitnessstudio und Pool aus und fallen danach in ihren Bademänteln (weiß!kuschelig!) glücklich auf die Couch und sind mehr als einverstanden, wenn wir sie mit ein paar Filmen im Hotel lassen, um zu zweit loszuziehen: So können auch wir viel entspannter noch eine Ausstellung anschauen, ein bißchen intensiver durch kleine Läden bummeln und leckere Mezze essen.
Die Abreise naht viel zu schnell und wir beschließen auch hier etwas länger zu bleiben, weil es immer noch mehr zu entdecken gibt. Doch auch in einer knappen Woche können wir nur erste Eindrücke gewinnen, aber diese sind so intensiv, dass wir noch lange davon zehren werden und hoffentlich ein zweites Mal wiederkommen werden.
Auf unserer nächsten Station werden wir das alles in Ruhe sacken lassen: Wir haben entschieden, noch ein paar Tage dem Sommer im Süden hinterherzureisen und so geht es nun um die Mittagszeit bei Sonnenschein viel entspannter über die Bosporusbrücke vorbei an diversen Hochhäusern in Richtung Ägäis.