Veröffentlicht: 14.08.2020
Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch, Celina kann das nur bestätigen. Der Härtetest war dann natürlich, mehr als 2 Wochen in einem Motelzimmer zu sitzen, ohne zu wissen, wann denn das Warten ein Ende hat. 12 Tage liefen unsere Tage immer gleich ab. Obwohl wir alle in einem Raum festsaßen, verbrachten wir sie recht unterschiedlich: Flori- wie auch sonst- mit Youtube, Celina wurde paranoid und checkte jede halbe Stunde die Seite der Botschaft und kennt inzwischen jeden Artikel, der je über die Rückholaktion veröffentlicht wurde; und ich las mir regelmäßig die Streitereien und Fakenews von anderen Gestrandeten auf Facebook durch und schrieb dieses Reisetagebuch zu Ende.
Es kam uns total unwirklich vor, als nach 4 Tagen in der Ausgangssperre und 6 Tagen im Motel, der erste Rückholflug von Auckland aus startete. Langsam wurden wir zuversichtlich, dass wir bald nach Hause kommen würden, und die Rückholaktion kam uns nicht mehr ganz so weit entfernt vor, wie noch vor ein paar Tagen. Schließlich war sie nun zu unserer einzigen Chance geworden. Tatsächlich wurde nun auch klar, dass ganze 12000!! Deutsche in Neuseeland festsaßen, wovon gefühlte 100 mit uns gemeinsam im Motel saßen. Am selben Tag kam aber auch die Ernüchterung, denn die neuseeländische Premierministerin, (dessen Gesicht wir wahrscheinlich nie wieder vergessen werden), setzte der Rückholaktion ein Ende, da so die Regeln der Ausgangssperre verletzt wurden. Es sollte erst weitergehen, wenn es eine Lösung dafür geben würde, wie die Deutschen von ihrem Aufenthaltsort zu den Flughäfen gelangen sollten, nun wo auch keine Inlandsflüge mehr stattfanden.
Darauf folgten sechs angespannte Tage, in denen sich nichts an unserer Lage veränderte. Diese Unzufriedenheit war vor allem bei Facebook spürbar, denn plötzlich gab es nur noch ungeduldige Fragen, Vermutungen und Spekulationen, fragwürdige News und mit jedem Post brach in den Kommentaren eine Reihe von Streitereien aus.
Anfangs hatten wir uns noch gefreut, in der Nähe des großen Stadtparks untergebracht zu sein, aber nach einer Woche jeden Tag eine Runde in diesem überfüllten Park umherlaufen, hatten wir die Nase auch davon voll. Zu dritt konnten wir ja nicht spazieren gehen, deshalb gingen Celina und ich ab da nur noch jeden Tag eine Anstandsrunde durch die geisterhaft leeren Straßen Christchurchs. Wenn uns dann doch Mal jemand entgegenkam, wechselten die sogleich die Straßenseite, und das war dann auch nicht so ein tolles Gefühl. Alle paar Tage ging Flori in der Rezeption verlängern und einer von uns das Nötigste einkaufen, da wir ja nie wussten, wie lange wir noch bleiben würden. Die anderen Motelbewohner saßen Tag für Tag vor ihren Zimmern und langweilten sich sichtlich.
Am 2. April gab es dann endlich seriöse Neuigkeiten: Am nächsten Tag würde die Rückholaktion wieder starten, zunächst nur von Auckland, ab dem 6. dann auch von Christchurch. Zwar hatte sich in all der Zeit wirklich nichts getan, schließlich wurde nur beschlossen, dass man sich jetzt nur mit gültigem Flugticket in die Nähe des Flughafens begeben durfte, trotzdem waren wir einfach nur froh. Die nächsten Tage verfolgten wir alles von anderen Gestrandeten auf Facebook, die endlich nach Hause durften, und lasen von Horrorerlebnissen, von wegen Emails würden manchmal im Spamordner landen, nachts ausgestellt werden, und man müsse schnell antworten, oder einer hätte ein Ticket bekommen, aber seine Frau nicht. Dementsprechend gut schliefen wir dann auch. Wir hatten ständig Angst, die erlösende Email zu verpassen, checkten regelmäßig unser Postfach und sahen alle paar Stunden aufs Handy, wenn wir kurz Mal wach wurden.
Nach zwei Wochen war unsere Schmerzgrenze echt erreicht. Am Morgen des 12. Tages bekam ich eine wirre Nachricht von einer unseriösen Emailadresse, die mich darüber benachrichtigte, für uns wäre schon irgendetwas von der Rückholaktion geplant. Nachmittags bekam Celina dann endlich die beste Email überhaupt: Air New Zealand schickte uns allen drei Flugtickets zu, und das gleich für den nächsten Tag. Damit hatten wir endlich Mal Glück und bekamen gleich das zweite Flugzeug aus Christchurch. Wir waren wirklich überglücklich!
Am nächsten Morgen verließen wir unser Motelzimmer ein wenig zu früh. Ein Backpacker aus dem Nebenzimmer hatte sich eine halbe Stunde vor uns auf den Weg gemacht, und wir fühlten uns schrecklicherweise wie Promis, als wir die Tür hinter uns schlossen und mit unserem Gepäck zur Rezeption gingen. Eine Gruppe Rentner am anderen Ende der Motelanlage stellte alle Gespräche ein, grüßte und winkte uns zum Abschied, die deutsche Rezeptionistin beglückwünschte uns auf dem Weg, und beim Auschecken wurden wir von anderen Deutschen vorgelassen. Als der chinesische Taxifahrer unser Gepäck einlud, blieb einem älteren deutschen Pärchen der Mund offenstehen, und sie fragten uns aus. Dann verabschiedeten sie uns freundlich mit traurigen Blicken und gingen weiter. Es war furchtbar. Wir stellten uns immer wieder vor, wie schrecklich neidisch wir gewesen wären, hätten wir nach so langem Warten andere dabei beobachten müssen, wie sie endlich nach Hause durften.
Am Flughafen war alles total gut organisiert. Wir mussten mehrere Schritte durchlaufen, einen ziemlich lachsen Gesundheitscheck machen, vor dem wir uns am meisten gefürchtet hatten, und bekamen sogar kostenlose Snacks und Getränke, weil natürlich keine Geschäfte geöffnet hatten. Gefühlt hatte Deutschland den ganzen Flughafen gemietet, und es kam uns immer noch merkwürdig vor, ausschließlich mit Deutschen nach Hause zu fliegen, obwohl wir doch so weit entfernt waren.
Nach 2 weiteren Stunden des Wartens ging dann das geordnete Boarding los.
Ich hasse fliegen. Wenn esnicht der einzige Weg wäre, um zu interessanten Orten zu reisen, würde ichwahrscheinlich nie in ein Flugzeug steigen. Immer wenn ich mich während desFluges daran erinnere, dass sich unter mir statt Straßen oder Gleisen rein garnichts außer Luft befindet, würde ich am liebsten sofort wieder aussteigen, wasin dem Fall wohl eher keine gute Idee wäre. Außerdem saß ich vor Neuseelandnoch nie länger als 3 Stunden in einem Flugzeug. Ein absoluter Härtetest also,gleich Mal ans andere Ende der Welt zu fliegen. Celina hingegen liebt dasFliegen, und Flori nimmt's eben so wie es kommt. Doch selbst für Flugprofis wieCelina war der Rückholflug von Christchurch nach Frankfurt eine große Nummer:Einmal um die halbe Welt, 24 Stunden in der Luft und 27 Stunden am Stück imFlugzeug. Und dann erst die Flugstrecke! Ich würde schon gerne irgendwann Malnach Hawaii, aber das würde mich ganz schön Überwindung kosten. Schließlichliegt die Insel irgendwo im Nirgendwo mitten im Pazifik. Genau so geht es mirmit Island. Uuuuunbedingt will ich mir mal Island ansehen, aber schlimmer alsüber Land zu fliegen, kann eigentlich nur ein stundenlanger Flug über nichtsals Meer sein. Umso seltsamer war es, mit der Flugkarte auf unserenBildschirmen nachvollziehen zu können, gerade über Tonga, Fidschi und dieanderen Miniinseln zu fliegen, auf denen immer noch ein paar Touristenfestsaßen, die definitiv das schlimmste Los gezogen hatten. Weiter ging es überHawaii, und die erste „Nacht“ stundenlang einfach nur über Wasser, bis wir nach13 Stunden endlich Vancouver erreichten. Dort wurde allerdings nur die Crewgewechselt, durchgeputzt und getankt. Wir durften während der 2 Stunden wederaussteigen, noch aufstehen. Nach diesem kurzen Stopp ging es über den Norden Kanadas,Grönland, Island und die Nordsee weiter nach Frankfurt. Wir hatten leiderkeinen Fensterplatz, trotzdem konnten wir zwei Mal einen wunderschönenSonnenaufgang sehen, und über dem Norden Kanadas einen Blick auf eine einzigeweiße Schneefläche unter unswerfen, die aussah wie ich mir dieArktis vorstelle.
Die letzten zwei Stundenvor der Landung zählten Celina und ich beinahe die Minuten runter, bis wirendlich deutschen Boden unter den Füßen hatten. Wir können es nicht anderssagen, es gibt sicher angenehmeres als über einen Tag mit sehr wenigBewegungsfreiheit in einem voll besetzten Flugzeug zu sitzen. Trotzdem kam unsdie ganze Aktion wie ein Wunder vor.
-> es folgen unsere Fazits