Mit Geschichte(n) um die Welt
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Von Fokus, Willen und Durchhalten. Oder: Was (meine) Arbeit (vielleicht) mit Wellenreiten zu tun hat

Veröffentlicht: 19.01.2024

Ich konnte mich schon oft in Regionen aufhalten, die fürs Surfen bekannt sind. Weder in Neuseeland, noch in den USA, bei meinem ersten Australien-Aufenthalt vor fünf Jahren oder an der portugiesischen Westküste fühlte ich mich dazu ermutigt, selbst surfen lernen zu wollen. Auch die Münchener Eisbachwelle konnte das nicht ändern.

Ich schaue und schaute ab und an mal Leuten beim Surfen zu, nach einer Weile ist es aber uninteressant. Ich gehe auch gern ins Wasser, schwimmen, mit den Wellen spielen. Aber selbst surfen?

„Das macht man halt so, wenn man an solchen Orten ist”, hörte ich öfter.

„Zu touristisch. So`n Hype eben. … reizt mich nicht”,

dachte ich.

Nun lebe ich aber vom Wasser umgeben. Bondi Beach ist keine halbe Stunde zu Fuß entfernt, einmal die Straße runter. Bei irgendeinem Spaziergang in den letzten Monaten dachte ich, dass es lustig und ja, symbolisch wäre, eine Surfstunde am 31.12 zu nehmen. Aus dem alten ins neue Jahr surfen, perfekte Welle und so. Ich musste beim ersten Gedanken schmunzeln. Das wäre irgendwie schon cool, zumindest eine schöne Anekdote.

Mh.

Mega.

Auflachen.

Das mach’ ich!

31.12.2023,

6.30 Uhr, morgens.

Es ist windig, bedeckt.

Umziehen und in den Wetsuit quetschen, gehört eben dazu; - meine Güte! - Schon bevor ich drin bin, frage ich mich, ob ich da je wieder rauskomme; habe den Gedanken, dass es manchmal mit Jobs, mit dem Arbeitsleben so ist oder sein kann: schwer reinzukommen, passt dann schon, irgendwie - und man ist froh, wenn man letztendlich drin ist, aber allein das war schon eine ziemlich harte Arbeit.

Und fragt sich zeitgleich, wie man da je wieder rauskommen soll

- oder will, denn wenn man erst drin ist, ist es schön warm und gemütlich, will man nun wirklich die Arbeit wieder auf sich nehmen, sich da wieder herauszupellen, herauszuschälen - auch wenn es manchmal zwickt und eben doch ein bisschen zu eng ist, irgendwie?

“Ok, das ist heute rough, rauh, aber wird schon!”, lacht Marie aus Barcelona. Sie ist die Surflehrerin, klein, keine 160, braungebrannt, ausgebleichte Haare, offensichtlich positiv gestimmt und hat ihren Arbeitsort vor ein paar Monaten nach Australien verlegt.

So groß erscheinen mir die Wellen heute nicht, ok halt und nehme Maries Kommentar zwar zur Kenntnis und denke „Mh, das ist doch recht, sagen wir flach”. Ganz allgemein finde ich Wellen beeindruckend. Ich kann lang am offenen Meer sitzen und einfach nur gucken, Wellen beobachten eben. Sie sind so kraftvoll, gerade am Ozean. Gischt, Wind, lautes Wellenrauschen. Das was ich da am 31.12 am Bondi sehe, ist in meiner Wahrnehmung eher ruhig, gerade im Vergleich zu vielen anderen Tagen an denen ich schon hier war.

Ein bisschen später im Wasser mit Surfboard erscheint mir das dann doch recht anders. Die Wellen sind "auf einmal" sehr groß, die Strömung ist stark und schon allein zu der Stelle zu kommen, wo wir mit dem Surfen beginnen, bis zur Hüfte im Wasser, ist anstrengend und erfordert viel Kraft.

Nach ein paar Trockenübungen kennen wir die Abfolge - theoretisch, nun also im Wasser. Die Welle packt das Board, packt mich und in nur in einem Bruchteil der Sekunde, der Versuch auf dem Brett zum Stehen zu kommen - eine Art Yoga-Abfolge: kleine Kobra, große Kobra, herabschauender Hund, in den Stand springen, in den Knien bleiben, Arme hoch; Balance halten; nach vorn Schauen nicht vergessen; Atmen.

Theoretisch vielleicht klar(er),

praktisch eher nicht.

Kurz vor Surfstunde Nr. 4, Bondi Beach, 7 Uhr.

„Immer nach vorn gucken, nie nach unten!”, „Fokussiert euch!” - Marie ist eine gute Lehrerin, motiviert, korrigiert, fordert. Ich weiß nicht, wie viel Wasser ich getrunken habe, Salzwasser in der Nase, in den Augen, in den Ohren hatte, wie oft ich vom Board gefallen bin, mal Arme zuerst, dann Füße, mal auf den Hintern.

Zum Stehen kam ich die ersten Male (natürlich) nicht; trotzdem springe ich jedes Mal aus dem Wasser, schwimme zurück, ein großes Lächeln. Das ist schon megacool.

„If you're loving it today, you'll always come back!” - „Wenn du es heute liebst, kommst du immer wieder zurück!”, sagt Marie bei Surfstunde Nr. 1 mit rauen Bedingungen am Bondi Beach, 31.12.2023.

Wir sind zu viert, zwei Mädels hatten zwar Spaß, gehen aber nach der Hälfte der Stunde aus dem Wasser. Sie sind k.o., wollen eine Pause. Ich auch, absolut, sportlich bin ich derzeit sicher nicht auf meinem besten Level; schwimme aber zurück. Das ist schon ein geiles Gefühl. Diese Wellen!

Wie die Strömung einen voranbringt, die Wellen am, ja viel eher und mehr im Körper zu spüren sind, Salzwasser in den Augen und noch viel mehr in der Nase, im Mund, so dass es im Rachen kratzt. Fallen, das nicht weh tut, durch große Wellen durchtauchen, von Wellen überrascht werden, das Board ist weg, man spürt es aber noch am Fuß, das Brett ist gut mit dem eigenen Körper verbunden, Große Welle, es ist laut, Wasser in den Ohren, gegen die Strömung ankämpfen. Luft holen und lachen. „You’re infected!” – „Du bist infiziert”, absolut, Marie hat recht.

Hier bekommt das Wort Couchsurfen eine weitere Bedeutung! Gesehen beim Küstenspaziergang bei Bronte Beach, südlich von Bondi, nördlich von Maroubra.

Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so ein Workout hatte, einige Male schaffe ich kaum mehr, mich auf das Brett hochzudrücken, an Armmuskulatur mangelte es mir irgendwie schon immer und noch Tage später merke ich, dass mein Körper mich daran erinnert, dass ich sehr unbekannte Bewegungen gemacht habe.

Und trotzdem oder gerade deswegen: das war cool! Ich liebe die Wellen von der Küste aus zu beobachten, wie sie kommen, wie sie brechen, wie die Gischt dahinter laut-leise davonfliegt, oft so glamourös, irgendwie. Im Wasser ist glamourös nicht der richtige Ausdruck. Kraftvoll, stark, oft mächtig, sind die treffenderen Beschreibungen.

Marie weist uns weiter ein, ein paar größere Wellen abwarten, dann wieder kleinere, aufs Board springen, Füße ausrichten, kurz warten, quasi die Yoga-Abfolge, nach oben, nach vorn schauen, nie auf die Füße, die Knie nicht aufs Board, springen; und wenn man Glück hat, steht man.

Wieder zurück.

Und wiederholen.

Wellen lesen lernen, Strömung verstehen – oder zumindest verstehen wollen, dann kommt die Welle, kleine, große Kobra, herabschauender Hund, aufs Board springen, herunterfallen, Wasser schlucken. 

So cool!

Augustin aus Argentinien - Surflehrer der Stunde Nr. 4: „It’s all about commitment! You can do it! Tell it yourself, believe it - yourself!” – „Es geht um Entschlossenheit! Du kannst es schaffen! Sag’ es dir selbst, glaub’ es selbst!"

Surfstunde Nr. 3 war frustrierend, die Bedingungen am anderen Strand in Maroubra waren etwas rauer. Dazu kam das eigene Paddeln, kein großes Festhalten mehr; mehr Welle selbst abpassen. Ich fühlte mich oft lost (verloren), entweder zu spät oder zu früh oder ich konnte mich nicht einmal auf dem Brett halten. Puh!

Maroubra, einer meiner Lieblingsstrände! Südlich von Bondi Beach.

Surfstunde 4: Augustin ermutigt uns gleich zu Beginn, dass heute sehr gute Bedingungen seien. Die Wellen sehen für mich gleich aus. Was sehen die Surfer und Surferinnen, was ich nicht erkenne?

„Das wird richtig gut!”, betont Augustin mehrfach. Ich glaube es ihm einfach. Es ist 7 Uhr morgens, die Sonne scheint. Es ist wirklich ein toller Morgen, kaum Wolken, Sonne, 24 Grad, leichter Wind. Augustin ist voller Energie und findet seinen Job offensichtlich richtig gut - das steckt an. Das Wasser, die Wellen und das Surfen, die Sonne, das scheint zu entspannen und Menschen gut zu tun. Nasse Haare, nasser Hut und ein breites Lächeln. Augustin predigt fast schon auf eine aber gleichzeitig sehr entspannte Art und Weise: Surfen sei vor allem eine Sache im Kopf. „Immer nach vorn schauen. Deine Füße, dein Kopf wissen, was zu tun ist.” Ich bin mir zwar nicht so sicher, aber wenn er das sagt! Das Fallen macht Spaß, das Aufstehen noch mehr und mit der Zeit gelingt auch (noch) mehr.

Wieder zurück, dahin, wo die guten Wellen sind, nicht gegen den Strom schwimmen, sondern Wellen lesen lernen und die Kraft der Strömung nutzen, um dahin zu kommen, wo ich mit dem Board hinmöchte.

„Jump on.” - Spring auf!

Welle kommt - Paddeln!

„Let’s go!” - Auf gehts!”

Viel zu lernen, außerhalb der Komfortzone – und gleichzeitig oder gerade deswegen: richtig gut!

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