Veröffentlicht: 22.04.2024
Mein Bankkonto, ich erinnere mich lebhaft, war und wurde immer leerer; da ich reisen, viel erleben wollte und zugleich auf gar keinen Fall meine Eltern nach Geld fragen wollte, war ich zeitweise ultra gestresst.
Ich hatte ein Zimmer in einem wunderschönen Haus, dort wollte ich bleiben. Ich verstand mich gut mit der jungen Familie bei der ich wohnte, war froh, nicht mehr im Mehrbettzimmer in Hostels zu sein. Den atemberaubenden Meerblick von fast allen Zimmern wollte ich nicht aufgeben. Doch es hatte eben auch seinen Preis. Arbeit hatte ich nur ab und an. Dazu setzten mich Nachfragen, was ich denn nun nach Neuseeland genau machen wollte, unter Druck. Und ich mich auch selbst. Manchmal hatte ich so neben Geldsorgen vielleicht auch etwas von Zukunftsangst. So sehe ich das heute.
Klar war mir jedoch damals und ich war wild entschlossen: die Zeit in Neuseeland sollte meins sein, nicht finanziert von irgendwem, nicht geschenkt von Eltern und Co.
Ich erinnere mich, dass ich einige Zeit extreme Rückenschmerzen hatte und nicht nur im Café und abends und am Wochenende in einem Restaurant gearbeitet habe und dann wieder tagelang keine Schichten in Aussicht, sondern dazu auch ein paar Mal pro Woche eine Art selbstorganisiertes Praktikum bei den Greens, der Grünen-Parlamentsfraktion in Wellington, absolvierte [Im Hinterkopf war: man muss ja an die Zukunft denken, der Lebenslauf,...]
In meiner Erinnerung blieb Titahi Bay trotzdem oder wegen all dem in sehr guter Erinnerung. Intensiv ist auch hier das Wort, das am besten passt.
Über 15 Jahre ist es her, dass ich zuletzt hier war. Als ich eben von Wellington nach Titahi Bay fuhr, konnte ich nicht beschreiben, wie ich mich fühle.Aufgeregt?
In freudiger Erwartung?
Melancholisch?
Seltsam?
Eigentlich eher sehr ruhig.
Ich fühlte eigentlich nicht so viel, außer dass ich versuchte mich zu erinnern.
Mh, das Shopping Center, ja, das große Shopping Center in der nächstgelegenen größeren Stadt. Sieht aus wie damals.
War das nicht der Ort, wo ich meine Brille kaputt gemacht habe?
Und war da nicht ein Pizzaladen?
Wo war das Fitnessstudio?
Die Sonne strahlt, blauer Himmel, blaues Meer. So habe ich Titahi Bay in Erinnerung. Schön, gemütlich, einladend, zum Verweilen.Da! Die Feuerwache. Ich freue mich, muss lachen und spreche zu mir selbst. Ich erinnere mich noch gut an meine Besuche dort. Lese später in meinem damaligen Blog "KiwisfürAnfänger". https://kiwisfueranfaenger.wordpress.com/2009/01/28/mein-neuseeland/Dann runter an den Strand. Ich bin, wie soll ich sagen, etwas enttäuscht, vielleicht.
Die Sonne strahlt, es ist warm, ich trinke einen Flat White. Gleich nebenan hat vor zwei, drei Jahren, wie der Besitzer mir erzählt, ein kleines neues Café aufgemacht. “Oh, das mit dem Abendessen am Wochenende sollte ich zurückbringen", sagt der Mann an der Kaffeemaschine. Ich meine zu hören, dass sein Aussprache kein Kiwi-Akzenzt ist. Sein Café heißt Aloha Friday. US-Amerikaner, Kanadier? Ich weiß nicht und mache mich auf den Weg zu einer kleinen Wanderung. Ich meine, dass ich dies vor 15 Jahren, als ich hier lebte, nicht gemacht habe. Warum eigentlich nicht? Ich weiß es nicht oder nicht mehr.Was wohl die Leute machen, die ich damals hier traf?
Was wohl die vielen Backpacker machen, die ich auf all den Reisen begegnet bin?
Dann springen meine Gedanken und Erinnerungen, hin und her. Verschiedene Anekdoten der letzten 15 Jahren. Wie cool, dass ich nun wieder hier bin. Und meine Erinnerung bringt mich wieder zurück zu einer Person, einer Begegnung, eine Reise, eine Anekdote. Auffrischen der Erinnerung, tatsächlich.
Und dann ein neuer Gedanke, an dem ich für den Moment kleben bleibe: Ich bin stolz auf mich. So richtig, richtig stolz und ohne Wenn und Aber. Damit habe ich bei meinem heutigen Besuch nicht gerechnet. Da stehe ich in der Sonne, Blick aufs Meer. Ich hab das einfach mal damals mit 19 gemacht. "Abgefahren", schießt es mir durch den Kopf. "Mit 19, richtig krass." Ich musste beim Nachdenken auflachen - und nun auch beim Schreiben. Wenn ich meinem Selbst von damals begegnen könnte, würde ich meinem Gegenüber auf die Schultern klopfen. Ich glaube, so richtig habe ich das erst heute verstanden. Richtig gut gemacht, wie du das alles gemeistert hast. Mit 19. Hut ab. Ich muss schmunzeln, bin total glücklich.
Und dann setzte ich mich ins Auto und fahre weiter. Ich hab ein Lächeln auf den Lippen, höre Musik von damals, fahre zum neuseeländischen Kleinpolen, einem ehemaligen DP-Camp. Arbeit und Reisen im absoluten Sinne, damals gelernt, wie es geht und gehen kann und dann nie wieder damit aufgehört. Richtig gut! Ein so toller Tag. Ein so verrückter Tag. Ein so intensiver Tag. Ich war lange nicht so zufrieden!