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Mit Schmetterlingen und Jasskarten in den Ferien

Veröffentlicht: 20.08.2020

Ich schreibe nicht, weil ich von anderen dazu aufgefordert werde - ausser von meiner Schwiegermutter natürlich - sondern weil ich mich selbst dazu auffordere. Ich schreibe nicht, um verstanden zu werden, sondern um zu verstehen - um mich im Chaos zurechtzufinden.

Mindestens einmal im Jahr versuchen wir vom alltäglichen Chaos zu entkommen und fahren wie fast jeder Füddlibürger in die Ferien. Leider begleitet uns die Anarchie, irgendwo versteckt im Koffer, und schlägt unverhofft auch in dieser Zeit des Müßigganges mit aller Härte zu. So wurden wir auch dieses Jahr nicht vom Wirrwarr des Lebens verschont und schon in den ersten 4 Stunden hatten wir unsere erste Verkehrsbusse, bei 34 Grad im Schatten ohne Klimaanlage, eingefangen. Schon ein kluger Kopf mit dem Namen Lorenz hat behauptet, dass ein Schmetterling, der in Shanghai mit seinen Flügeln wackelt, theoretisch einen chaotischen Wirbelsturm in New York auslösen könne. Nun bei uns war es kein Sommervogel, sondern ein französisches Eichhörnchen, das dafür gesorgt hat, dass alles eben doch ganz anders kam als geplant. Manchmal sind die Zusammenhänge eben so komplex oder eine winzig kleine Änderung des Schicksals kann dazu führen, dass Aussagen über die Zukunft unmöglich sind. Wir waren also irgendwo im nirgendwo auf einer Waldlichtung im Jura, wo sich Hase und Fuchs Gute Nacht sagen. An jenem verhängnisvollen Abend haben auch wir einander in unserem Zelt liegend Gute Nacht gewünscht, wobei unser Autoschlüssel schon auf unserem Campingtisch süss geschlafen hat. Am anderen Morgen war unser Fiat Panda zwar noch da, was ja bei diesem italienischen Stück Blech mit verrostetem Auspuff auch nicht verwunderlich ist, aber der Schlüssel war spurlos verschwunden. Nach stunden langem Suchen, wobei ich selbst unter Luigis Motorhaube nachgeschaut habe, sind wir zur Einsicht gelangt, dass irgendein Viech sich den Schlüssel geschnappt haben muss. 

Der Ersatzschlüssel war zuhause, wurde aber sofort per Express und Flugzeug nach Genève Aéroport gesendet. Der Kurier Pierre Chatalat, der damit betraut wurde, uns den Schlüssel von Genf nach La Dalue zu bringen, hat am Donnerstag, den 13. August um Punkt 14.35 Uhr die autostoppende Estelle Perrier am Strassenrand aufgepickt. Nicht nur das Wetter war zu dieser Zeit heiss, sondern auch das gierige Liebesspiel, welcher den Peugeot und sämtliche Eilsendungen im Laderaum zum Beben brachten. Die beiden wissen immer noch nicht, dass aus dieser schicksalsträchtigen Begegnung ein Kind hervorgehen wird, dass die Menschheit mit einer grandiosen Erfindung von den Folgen der Klimaerwärmung retten wird. Etwas verspätet und stark nach hemmungslosem Sex riechend, übergab Pierre Chatalat uns um Punkt 18.10 Uhr den Ersatzschlüssel und wir hatten keine Ausrede mehr, um am Montag nicht wieder zu Arbeit erscheinen zu müssen. Hätten wir unsere Autoschlüssel nicht draussen liegen gelassen oder wäre Pierre Chatalat schwul gewesen, würde die Menschheit in ein paar Jahrzehnten kläglich untergehen.

Zur Feier des Tages haben wir mit dem Bauern und Campingplatzbesitzer Bérnard ein Gläschen oder gar zwei herrlichen Schnaps de Gentiane getrunken, worauf er von seinem von Schmetterlingen geprägten Leben erzählt hat. Es bestand vor allem aus einer jäh beendeten Karriere als Skilangläufer in der französischen Nationalmannschaft, an der ein bissiger Hund schuld war und aus dem Verkauf seiner geliebten Kühe wegen seiner Kuhfellallergie. Doch Bernard hat sich nie von den flatternden Sommervögeln des Schicksals unterkriegen lassen und so ist er auch jetzt noch ein Mann voller Witz und Charme, der sein Leben in vollen Zügen genossen hat.

Akzeptieren wir doch endlich das Chaos als alltäglichen Begleiter und vergessen die störenden Spermaflecken auf dem Bettlacken. Wem die Schmetterlingstheorie als Beweis nicht reicht, dass wir unser Leben nicht kontrollieren können, soll jetzt ein Jasskartenset holen. Ordne die Jasskarten nicht nur nach den Farben Herz, Ecken, Kreuz und Schaufeln – die französischen Karten sind eine Homage an meine Schwiegermutter - , sondern auch der Reihe nach vom Ass bis zur Sechs. Gratuliere, du hast gerade Ordnung geschaffen! Gegenüber dieser Ordnung im Jasskartendeck gibt es durch das Mischen   8000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 Möglichkeiten Unordnung in die Karten zu bekommen. Das heisst rein statistisch, dass unser Leben meistens vom Chaos beherrscht wird oder anders gesagt man lebt nicht um eine aufgeräumte Wohnung zu hinterlassen. 

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