Reisefischer Kanada
Reisefischer Kanada
vakantio.de/mein-jahr-in-kanada

#32 Frühlingsanfang

Veröffentlicht: 19.03.2023

Grüß dich,

am Sonntag habe ich meinen freien Tag genutzt, um mit David an unserem Hotspot zu sitzen, um weiterhin auf Wildtiere zu hoffen. Leider hatten wir nichts außer die Nutcracker (Tannenhäher) und da ich an diesem Tag sehr müde war, ist es tatsächlich das erste Mal passiert ... ich bin in meinem Zelt eingeschlafen 😅 David sagte mir, dass er mich schnarchen gehört hat, aber zur Verteidigung: David ist auch einmal eingeschlafen 😁

Nach stundenlangen starren dachte ich mir dann: Okay, mach einfach ein paar Fotos von den Nutcrackern, ist ja am Ende eine gute Übung und so fotografierte ich dann. Circa eine halbe Stunde später hörte ich dann Davids Kamera und ich dachte mir nur so: Scheiße, er sieht etwas auf der rechten Seite und ich sehe es nicht, da er bestimmt nicht die Vögel fotografiert. Witzigerweise dachte David bei meinen Kamerageräuschen genau das Gleiche, dass ich etwas auf der linken Seite habe und er es in seinem Zelt nicht sieht. Am Ende hat David aber ebenfalls auch nur die Vögel fotografiert, um wenigstens etwas zu machen. So fuhren wir ohne besondere Tiersichtung zurück.

Am Montag ging es dann wieder ganz normal mit der Baustelle weiter. Wir kommen schon recht gut voran und Jenny beendet sogar gerade das Dach. Also nicht das offene Dach, das wird vielleicht in der kommenden Woche endlich zugemacht, aber sie verlegt nun die finalen Metallplatten, sodass endlich kein Schnee oder Regen mehr von ganz oben einmal durch das ganze Holz nach unten tropfen kann.

Dienstag musste David nach Williams Lake zum Arzt fahren und dann schrieb er Jenny so, dass er zwei tote Rehe am Straßenrand gesehen hat und auf dem einem Reh saß einfach ein Puma und hat das Reh gegessen. David hat einfach einen Puma gesehen! Wahnsinn. Mittwoch sollte ich den Truck nach Williams Lake in die Werkstatt bringen und natürlich habe ich auch gehofft, den Puma zu sehen. Da der einzige freie Termin frühs um neun Uhr war, musste ich also kurz nach sechs Uhr dann hier auch losfahren. Das erste Mal komplett alleine und mit ein wenig Neuschnee. Glücklicherweise ist mir kein Wildtier nah genug vor den Truck gelaufen, aber ich habe einen Hasen, eine Kojote und mehrere Steinadler gesehen, jedoch kein Puma. In der Stadt dann angekommen, gab ich also den Truck ab und musste mich dann erst mal zwei Stunden selbst beschäftigen. Nur lebt diese Stadt vom Logging, also von der Holzindustrie. Somit ist die Stadt jetzt nicht besonders krass und bietet nicht so viel, aber ich habe die zwei Stunden herumgekriegt und als ich den Truck dann abgeholt, mich reingesetzt und ihn gestartet habe, dachte ich, dass ich im falschen Truck sitze. Er war so unfassbar leise. Wahnsinn, wusste gar nicht, dass das die normale „Lautstärke“ ist. Ein Teil am Auspuff war kaputt, weshalb der Truck solch unfassbaren Lärm gemacht hat. Leider wurde das Elektroproblem nicht gelöst, sodass mir immer noch die ganze Zeit angezeigt wird, dass mein Tank alle ist, etwas nervig, aber weiß ja mittlerweile, dass ich mein Ziel mit vollem Tank hundertpro erreichen werde. Anschließend ging es einkaufen und da wir hier ja dezent abseits von jeglicher Zivilisation leben, kauft Jenny immer etwas größer ein. Als der Mann dann mit dem Einkaufswagen kam, indem sich nur Toilettenpapier befand, dachte ich mir so, dass das ja eine sehr bescheidene Bestellung von Jenny war....und dann habe ich die 20 Kisten im Hintergrund gesehen und das war noch eine sehr kleine Bestellung. Aber das Beladen dauert natürlich dann auch etwas.

Dann ging es wieder zurück und man ist die meiste Zeit alleine auf dem Highway unterwegs. Auf dem Rückweg hatte ich ein (!) Auto auf meiner Fahrbahn 😅 Und während ich also diese Straße entlangfuhr, ist mir wieder eine Sache bewusst geworden. Ich bin gerade in Kanada. Manchmal vergesse ich das wirklich und dann muss ich mir das wieder bewusst sagen, wie absurd das für mich immer noch klingt. Ich weiß, ich schreibe das oft, dass ich mir das sagen muss, aber es stimmt irgendwie. Ich musste mir wieder selbst auf die Schulter klopfen und meinem alten Ich danken, dass er diesen Schritt gewagt hat. Ich bin so unfassbar dankbar, dass ich diese Natur hier erleben und genießen darf. Ich musste dann auch an meine Schüler*innen und generell an die jüngere Generation denken. Also nicht, dass ich die älteren (was immer „alt“ für dich bedeutet) jetzt ausschließen möchte. Ich dachte daran, euch zu ermutigen, auch solch eine Reise anzutreten, wenn ihr die Mittel dazu habt. Die Welt steht uns offen und wir können fast überall hinreisen und dort (einmalige) Abenteuer erleben. Man erlebt so unglaublich viel!

Ich bin einfach manchmal so unfassbar stolz auf mich und unendlich dankbar, dass ich diese Chance besitze, dieses Abenteuer zu erleben. ❤️

Und jetzt genug mit dem Eigenlob hier :D

Anders als in Deutschland hatten wir hier in B.C. unsere Zeitverschiebung schon bereits letztes Wochenende. Zeitverschiebung hier in Kanada ist auch ganz verrückt, hatte das ja bei der letzten Zeitverschiebung schon geschrieben, dass bestimmte Bereiche (auch in B.C.) keine Zeitverschiebung haben. Das ist der Wahnsinn, wie lange es jetzt abends noch hell ist. So kann ich nach der Arbeit noch auf meiner Couch sitzen und einfach die Sonne genießen. Letzte Woche habe ich Bilder von dem Rotflügelstärling hochgeladen, der hier als Frühlingsbote gezählt wird und ich dachte mir nur so: Okay, das ist nur ein Vogel, der Frühling wird also gaaaaanz langsam kommen. Was soll ich sagen, mittlerweile haben wir über 20 von diesen Vögeln hier. Das nun jetzt sehr starke Vogelgezwitscher und die vermehrten Sonnenstunden rufen in mir so wirklich das Gefühl hervor, dass der Frühling kommt. Also wir starten hier trotzdem mit -10 °C bis – 20 °C in den Tag, erreichen dann aber auch fast täglich zweistellige Plusgrade. Das kann ich dir sagen, das ändert auch meine Arbeitseinstellung. Ich bin so ein richtiger Wettermensch und mit diesen ganzen Sonnenstunden, das Gezwitscher der Vögel und diesen Duft komme ich viel besser mit den 98349239 Aufträgen von Jenny klar 😅 Wahnsinn, wie das Wetter immer wieder die Stimmung beeinträchtigen kann. Allerdings ist das ein sehr sehr früher Frühlingsanfang. Normalerweise beginnt der Frühling hier erst im April und manchmal sogar erst im Mai. Jenny und David haben nach dem milden Winter und den frühen Frühlingsanfang jetzt natürlich extreme Sorge vor den Sommer, der dann höchstwahrscheinlich extrem heiß und trocken und somit extrem anfällig für Waldbrände sein könnte. Auf dem Rückweg von Williams Lake habe ich auch einen kurzen Stopp für menschliche Bedürfnisse gemacht und da konnte ich wieder die Fläche sehen, die bei dem verheerenden Waldbrand 2017 zerstört wurde. Soweit das Auge reicht, sieht man nur tote Bäume. Echt erschütternd.

Ein guter Punkt, an den jetzt wärmer werden Temperaturen ist das Verbot der Logging Trucks. Das sind die Trucks, die diese riesigen Baumstämme transportieren. Da wir hier in einer sehr guten Logging Gegend leben, haben wir von Montag bis Freitag jeden Tag diese Trucks. Manchmal hatte ich frühs über zehn von denen auf dem Highway. Das Problem ist, dass sie den ganzen Schnee aufwühlen und man nichts, also wirklich nichts sieht. Einmal habe ich sogar die Ausfahrt zu einem Spot verpasst, einfach weil ich nichts erkennen konnte. Und obwohl der Highway jetzt so gut wie schneefrei ist, bleibt immer noch ein anderes Problem: Die ständige Angst, dass ein Baumstamm herunterfällt 😅 Und ja, das passiert, denn ich habe schon ein paar Baumstämme am Straßenrand gesehen. Daher habe ich immer etwas Schiss, wenn ein Truck auf der Gegenfahrbahn an mir vorbei fährt oder ich hinter einen fahren muss. Dann versuche ich so schnell wie möglich diesen zu überholen, aber am Mittwoch auf dem Weg nach Williams Lake wollte das der eine Truckfahrer gefühlt nicht. In Kanada darf man maximal 100 km/h auf dem Highway fahren.....ich musste diesen Truck mit 140 km/h überholen – Upsi 😁

So aber warum sind diese jetzt eigentlich verboten? Durch den auftauenden Schnee und den daher gehenden Wassermengen sind die Highways und der darunterliegende Boden nicht mehr fest genug, sodass Unfälle und Straßenbeschädigungen aufgrund der schweren Masse sehr wahrscheinlich sind. Daher ist es nun verboten, dass diese Trucks auf dem Highway fahren dürfen. Was somit auch nicht mehr fahren darf, sind die Trucks, die unsere Holzlieferungen bringen, somit kam am Mittwoch unsere letzte große Holzlieferung für eine längere Zeit! Yeah!

Freitag bin ich dann auch mal wieder nach langer Zeit an meiner Belastungsgrenze gekommen. Nachdem ich in „meinem“ Werkstattraum den finalen Boden verlegt habe und Jenny sich wieder über die akkurat in Reih und Glied geschraubten Schrauben gefreut hat, sollte ich im vorderen Bereich Schneeschippen, damit dort ein anderes Projekt (Ja, wie viel denn noch?!) beendet werden kann. Als ich am Donnerstag vor meiner Kabine stand und zu der Fläche geguckt habe, dachte ich mir so....okay, das dauert vielleicht eine Stunde. Was ich jedoch von meiner Kabine aus nicht gesehen habe, war, dass der Schnee an einigen Stellen fast 70 cm hoch war und es auch kein richtiger Schnee war, sondern eher Schnee (20%), Schnee-Eis-Gemisch (60%) und Eis (20%) und das war so ermüdend und schmerzhaft, denn wenn ich mit der Schippe volle Kanne in den Schnee schaufeln wollte und dann gegen Eis geschlagen habe ....uiuiui, das tat schon gut im Ellenbogen und der Schulter weh. Übrigens habe ich etwas länger als meine gedachte Stunde gebraucht....ich habe fünf oder so gebraucht und dann auch aufgehört, da ich einfach nicht mehr konnte und das Eis auf dem Holz mir meinen letzten Nerv geraubt hat 😁 Daher kommt der Beitrag auch heute, da ich gestern zu fertig war.

Heute habe ich meinen freien Tag wieder genutzt, um das erste Mal auf dem Vogelplateau zu sitzen und weiter an meinen Fotofähigkeiten zu arbeiten. Mittlerweile hat mich die Fotografie (leider) fest im Griff 😅 Man geht mit ganz anderen Augen durch die Natur, da ich jetzt jedes Mal denke.....Ui, dass ist aber ein schönes Motiv und boah, wenn ich den Vogel im Flug mit geöffneten Flügeln fotografieren würde, würde das bestimmt auch gut aussehen“ 😅 Allerdings habe ich bei meinem ersten Versuch vergeblich gewartet und bin dann doch wieder zu meiner Kabine gegangen, wo ich wenigstens die kleinen Vögel fotografieren konnte. Mein Ziel war jedoch, den Rotflügelstärling im Flug zu erwischen, da ich seine Flügel so schön finde. Nach Ewigkeiten kam er dann endlich und durch einfaches Glück habe ich doch ein recht gutes Foto hinbekommen. Am Abend habe ich mich noch ein Mal auf das Plateau gesetzt, wo ich noch einen Specht beobachten konnte. Es war so unfassbar warm heute, dass ich dann auch mit T-Shirt draußen sitzen konnte. 

Weiterhin habe ich heute das erste Mal hier gekocht. Ich dachte mir, dass das auch mal an der Zeit war und heute bei dem Versuch still die Vögel zu beobachten, hörte ich im Hintergrund Jenny vom Dach schreiben: „Fucking Bitch!“ und da war mir klar, dass sie keinen guten Tag hatte 😁 Daher war es für sie und David mal ganz nett, bekocht zu werden. Wie war das Essen? Da zitiere ich gerne David: Fuck Mann, ich würde gerne den ganzen Topf leer essen! War also ganz gut 😁 Allerdings konnten wir das Essen nicht ganz genießen, da die Hunde heute sehr lange weg waren und dann sind sie glücklicherweise nach dem Abendessen und über zehn Stunden wieder zurückgekommen. Ich war dann noch einmal im Haupthaus, um nach den Hunden zu sehen und als ich gerade Trooper gekrault habe, guckte ich an seinem Körper herunter und sehe einen scheiß Kaktus in seinem Arsch stecken 😂 Wir wissen nicht, wo sie waren, aber diese Pflanze wächst hier nicht in der Nähe und es liegt eigentlich auch noch viel Schnee. Mithilfe von Erdnussbutter konnte Trooper beruhigt werden, sodass Jenny die weiteren Kakteen am Popo und am Fuß entfernen konnte. Er hatte auf jeden Fall nicht so einen schönen Tag wie ich.

Damit verabschiede ich mich.

Dir einen schönen Sonntag.

Frühlingshafte Grüße

Samuel

Antworten

Kanada
Reiseberichte Kanada