Reisefischer Kanada
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#24 Freudation

Veröffentlicht: 21.01.2023

Grüß dich.

Am Samstag habe ich den Tag genutzt, um einen Türgriff „zu reparieren“. Es ist nur ein Stück Holz, in welches ich zwei Löcher gebohrt habe und nun ist es ein neuer „Griff“. Es ist so schlecht, dass ich dir kein Bild zeige – HA  😁 Jenny hat sich zwei Tage so darüber gefreut (verstehe es bis heute nicht, es ist nur ein Stück Holz mit zwei Schrauben 😁), da sie einfach keine Zeit hatte, um den Türgriff zu reparieren. Daran merkt man auch einfach, wie der Stress immer weiter ansteigt und immer mehr Aufgaben auf sie zukommen. Am Sonntag dachte ich mir dann, dass ich vielleicht zum Ende des Sees fahre, um dort etwas länger als 1 ½ h zu sitzen, um die Chance zu erhöhen, meine ersten Wölfe oder Luchse in freier Wildbahn zu sehen. Mit frischem Köder ausgestattet, bin ich also wieder mal über den See gebrettert, legte den neuen Köder aus und bin in mein Tarnzelt geschlüpft und dann hieß es warten. Das in der ersten Stunde nichts passieren wird, war mir klar, schließlich ist so ein Quad nicht gerade leise und daher vertreibe ich bestimmt erst einmal alle Tiere dort. So saß ich dort und blickte auf den Köder und dann plötzlich bewege sich ein Ast und es ist so krass, was das mit meinem Körper macht. Von 0 auf 100 in unter einer Sekunde gefühlt. Der ganze Körper spannt sich an, die Hände krallen sich in den Stuhl und dann ..... war es nur ein Vogel. Es war ein Gray Jack oder auch Whiskey Jack genannt. Es ist jetzt kein krass besonderer Vogel und er sitzt auch bei uns am Haus, sodass ich ihn auch von der Couch beobachten kann. Wenn man aber diese Vögel liebt, dann war das ein echt guter Tag, wenn man aber so wie ich auf andere Tiere gewartet hat, dann war es eher ein schlechter Tag, denn in der gesamten Zeit habe ich nur die Gray Jacks gesehen. Wobei auch drei Raben umherflogen und mir war nicht bewusst, wie laut Raben sein können, alter Schwede machen die einen Krach. Vor allem da diesmal wirklich nichts anderes zu hören war. Diese Gegend hier ist sehr beliebt bei Holzfällern beziehungsweise halt der Rodung im großen Stil und am Freitag, als ich dort das erste Mal saß, hat man die ganze Zeit nur die großen Maschinen gehört. Ist jetzt nicht die beste Situation, wenn die Kunden*innen Geld für wunderschöne Naturmomente bezahlen und man dann die ganze Zeit Maschinen hört. Ich empfehle übrigens dazu die Netflix Serie „Big Timber“ (gerade gestern zu Ende geguckt), dort kannst du dir angucken, wie solche Rodungen ablaufen. Ich weiß aber nicht, ob es diese Serie in Deutschland gibt, denn ja, jedes Land hat sein eigenes Netflix-Angebot. Ich kann hier zum Beispiel Serien gucken, die du in Deutschland nicht hast, dafür ist hier fast alles auf Englisch und Französisch -Yeah, liebe ich....nicht.

Aber wieder zurück zu den Raben. Diese sind ein gutes Zeichen, denn sie sind sozusagen die Boten für die Nachricht „Hier gibt es Futter.“ Und wo Raben sind, sind auch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bald größere Wildtiere. Diese habe ich leider jedoch nicht gesehen. Es gab dann noch eine Situation, in der ich sehr angespannt war und zwar ist hinter meinem Zelt wahrscheinlich ein größeres Tier lang gelaufen, da ich gehört habe, wie etwas durch den Schnee lief. Es ist echt krass, wie schnell der Körper in den „Oh Shit, gleich kommt hier ein Wolf lang“ Modus wechseln kann  😁 Nach fünf Stunden habe ich dann aber wieder den Rückweg angetreten, ohne einer Wildtiersichtung, dafür aber mit gefühlt erfrorenen Füßen 🥶 .... na ja, ich sag mal so „Gut Ding will Weile haben.“ Aber ich bin ehrlich, natürlich ist man nach fünf Stunden auch etwas frustriert, wenn man nur Gray Jacks und Raben gesehen hat.

Sonst waren die ersten Tage der neuen Woche geprägt von Holz sägen, Holz sägen und Holz sägen. Feuerholz ist immer die Aufgabe, wenn Jenny nicht da ist. Sie war nämlich in Vancouver, um David abzuholen, der jetzt endlich nach fast drei Wochen am Mittwoch wieder zurückgekommen ist. Der Mittwoch hat sich übrigens wie Weihnachten 2.0 angefühlt. Denn es war das erste Mal seit Heiligabend, dass es geschneit hat und das Weihnachtspaket meiner Eltern endlich angekommen ist und noch etwas anderes ist angekommen - „Meine“ Dartscheibe. Jenny hat mir wirklich eine Dartscheibe gekauft, da ich den Sport so mag. Ich finde das so witzig, aber auch so supernett von ihr. Sie möchte halt wirklich, dass es einen hier gut geht. Ich habe mich echt über all diese Sachen gefreut: neuer Schnee, Weihnachtsgeschenk und eine Dartscheibe. Am Mittwoch mussten Fatih und ich auch noch so eine Art Garage beziehungsweise ein riesiges Zelt aufbauen, damit dort unsere Quads geparkt werden können. Eine Scheiße war das. Ohne Mist, man macht dieses riesen Paket auf und das erste, was man sieht, ist ein Zettel, auf dem steht, dass das Produkt von einer Retour ausgeschlossen ist und dann ist die Qualität einfach Bullshit. Boah, habe ich mich während der ganzen Zeit aufgeregt. Ohne Mist, wenn man schon Produkte von einer Retour ausschließt, dann sollte man wenigstens auch eine gute Qualitätsprüfung durchführen, damit die zu verwendeten Rohre auch wirklich rund sind und nicht erst durch uns mit viel „Zärtlichkeit und Liebe“ *hust hust* zurechtgebogen werden müssen. Ein weiterer Punkt war, wenn man eine Mutter fallen gelassen hat, dann war die weg. Man hat sie im Schnee einfach nicht wiedergefunden. Ich war so frustriert nach dieser Kacke, also wirklich.... Heute (Freitag) musste ich noch einen letzten Schritt dort beenden....Ich sag mal so: Ich habe dann sehr beruhigende Musik gehört, damit ich etwas runterkomme, da man mich sehr laut fluchen gehört hat. Diese „Garage“ war sehr anstrengend und frustrierend für meine Nerven 😁

Am Donnerstag sind David, Fatih und ich dann die verschiedenen Spots für die Fotografen abgewandert, um zu gucken, ob wir neue Spuren entdecken und es ist so witzig: Eine Person hier guckt wirklich auf zu David und David könnte alles verlangen und diese Person würde es ohne zu zögern machen. Noch dazu erzählt diese Person auch immer Sachen, bei denen ich mir denke „Interessant, zu Jenny hast du gefühlt genau das Gegenteil gesagt.“ 🤥 Es ist mittlerweile eine echte Unterhaltungsshow für mich. Er versucht auch wirklich immer in der Nähe von David zu sein. Dementsprechend kannst du dir ja vorstellen, wie glücklich er war, dass er bei der Fahrt hinten sitzen musste, da ich ja gefahren bin. Kurzer Sprung in der Zeitlinie: Heute (Freitag) sollte ich eigentlich mit David zu einem Spot fahren, um dort ein Tarnzelt aufzubauen und dann hat Fatih versucht, mit irgendwelchen daher gezogenen Argumenten zu versuchen, dass er und nicht ich mit David fahren kann. Herrlich. Aber jetzt wieder zurück zum Donnerstag.

Ein Spot ist ca. 15 Minuten von einer Müllhalde entfernt, wo man ab und zu auch Adler sehen kann. Als ich auf die Müllhalde fuhr und die ganzen Raben wegflogen, flog auch auf einmal ein riesen Adler vor meiner Motorhaube entlang. So ein schöner Vogel. Es war leider kein Weißkopfseeadler (mein Lieblingstier), aber immerhin ein Adler und dass die Menschen wirklich alles in dieses Loch werfen, hat man dort auch wiedergesehen, denn jetzt liegt dort neben der ganzen anderen Scheiße (wobei ist nicht alles scheiße, ich habe dort eine neue Sonnbrille gefunden :D) auch einfach ein Schweinekopf und Schweinehaut. Also wirklich, ich finde diese Müllplätze wirklich abartig. Wir haben leider keine Wölfe, Kojoten oder Luchse gesehen, dafür aber jede Menge neuer Spuren und bei dem einen Spot sah es aus, als ob dort ein Rudel wilder Tiere eine Party veranstaltet haben. Es war alles, wirklich alles (sogar die Knochen) weggefressen und so viele Tierspuren, man konnte nicht sagen, was dort für Tiere unterwegs waren. Es war allerdings durch den Schneefall generell schwierig zu sagen, ob es Wolfs-, Kojoten- oder Fuchsspuren waren, da der neue Schnee die Spuren etwas abgedeckt hatte und sie daher nicht eindeutig zu erkennen waren. Auf dem Weg zurück, muss ich ehrlich sagen, habe ich ziemlich oft „Fuck, sieht das schön aus.“ gesagt. Die Berge, ich sag’s dir....boah sahen die gestern schön aus. In Kombination mit den Wolken und der Sonne, die die Bergspitzen durch den Schnee so zum Glitzern gebracht haben - Atemberauben! Und dann fahren wir um eine Kurve und schwups, sitzt dort einfach ein Weißkopfseeadler im Baum. So ein schönes Tier, also wirklich. Gestern war ein echt richtig schöner Tag für mich. Entspannte Wanderungen, atemberaubende Berge und dann gleich zwei Adler an einem Tag. Ich war richtig Happy nach dem Tag.

Heute (wie bereits erwähnt) sollte ich eigentlich mit David zu dem einen Spot fahren, um dort ein Tarnzelt aufzubauen, allerdings war er dann zu müde und so habe ich beim Hausbau mitgeholfen. Ich sage mir mittlerweile immer, dass es nicht mein Haus ist und ich nicht darin wohnen muss. Es ist einfach grauenhaft, wie krumm und schief alles ist, oder wie das Holz gelagert wird. 🥴 Hätte ich das Holz diese Woche nicht abgedeckt, wäre es jetzt noch mehr mit Schnee bedeckt. Das Problem daran ist, dass sich dann irgendwann eine mehrere millimeterdicke Eisschicht bildet. Das ist einerseits für mich gefährlich, denn das Holz kann dann sehr leicht verrutschen, wenn ich es säge (gab schon genug Situationen, wo ich bis zehn gezählt habe, um alle meine Finger zu überprüfen) andererseits wundert sich Jenny dann manchmal auch, warum der Boden zum Beispiel nicht flach ist oder das Brett nicht passt. Vielleicht weil alles voller Eis ist?! Oder sie lagert das Holz mehrere Wochen auf der Erde, ohne Bretter dazwischen und joar, dann friert halt alles daran fest. Ich könnte hier noch mehr Beispiele nennen.... aber andere Sache: Wir haben neue Stützpfeiler angebracht und dann wollte Jenny so eine Art Hilfsbrett anbringen. Fatih und ich standen somit auf der Leiter und während er seine Schrauben reingeschraubt hat, musste ich halt das Brett halten (es ist jetzt nicht sonderlich schwer) und dann sagte Jenny doch tatsächlich: Beeil dich Fatih. Samuel kann das Brett nicht mehr halten. Und ich war so verdattert, dass ich sie erst mal fragen musste, ob sie gerade wirklich behauptet hat, dass ich das Brett nicht mehr halten kann? Solche Aussagen, muss ich ganz ehrlich sein, hasse ich. Denn, und hier kommen wir zu einem Phänomen, welches ich bereits seit meiner Kindheit kenne, wenn man als (junger) Mann gefühlt keine 1,80 m groß ist, dann denken sehr viele Mitmenschen gefühlt auch, dass man keine Kraft hat. Das ist echt beeindrucken. Ich frage mich immer, woher diese Denkweise kommt? Sie hat das übrigens auch nicht nur einmal gesagt heute. Dann wollte ich meine Seite festschrauben und dann wollte sie mir doch tatsächlich erklären, wie ich eine Schraube in das Holz reinschraube. Ich war kurz davor, ihr zu sagen, dass das nicht meine erste Schraube in meinem Leben ist und wenn ich mir ihre Schrauben angucke, dass sie vielleicht lernen sollte, wie man eine Schraube gerade und gut reinschraubt, dann habe ich mich aber auch im letzten Moment erinnert, dass es meine Chefin ist. 😁 Aber sie hat heute echt ein paar dumme Sätze abgegeben und dann hört sie mir auch einfach nicht zu. Den Weg, den sie heute gewählt hat, damit wir die Stützpfeiler befestigen, war so umständlich und er ist auch einfach viel anfälliger für Fehler. Aber ich versuche wirklich nur noch sehr selten ihr zu erklären, wie es besser gehen könnte, denn man redet da halt echt immer mit einer Wand und dann sage ich mir auch wieder: Es ist nicht mein Haus und ich muss nicht darin leben.

Daher starte ich etwas frustriert in das Wochenende, aber im Großen und Ganzen gab es ja auch genug Momente der Freude in dieser Woche (Freude + Frustration = Freudation, falls du es noch nicht 100% verstanden hast, weshalb der Titel diesmal so komisch ist). Zum Beispiel gab es heute auch zum Abendbrot Davids Pizza und die ist einfach wirklich super lecker....aber ich weiß auch, wer nachher im Bett einen Film guckt und etwas Kinderschokolade isst, um wieder besser gelaunt zu werden 😁

Und damit Tschüss und bis nächste Woche

Samuel ✌🏽

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