Veröffentlicht: 28.01.2023
Naaa, ausgeschlafen? Dann kann es ja jetzt mit meinem längsten Blogbeitrag losgehen. Am Wochenende hatte ich frei und so habe ich die Zeit für ein neues Projekt genutzt. Ich habe in unserem Gemeinschaftsraum gesehen, dass die Tischbeine des einen Tisches nicht mehr so gut aussahen und eines wirklich hart gebrochen war. Da unsere Kundschaft ebenfalls in diesen Raum sitzen wird und ich mir dachte, dass es keinen so guten Eindruck macht, wenn dort ein schiefer Tisch mit gebrochenen Beinen steht, wollte ich ein neues Tischbein machen. So suchte ich ein altes Stück Holz und habe mich an dem Tischbein versucht. Da ich den gleichen Tisch in meinem Häuschen habe, konnte ich es überprüfen und es hätte wirklich funktioniert. Jenny hat mir dann aber gesagt, dass es nicht professionell genug aussieht und sie es daher nicht nutzen möchte. Im Endeffekt war ich darüber, dass sie es nicht nutzen möchte, nur ganz kurz niedergeschlagen, da ich sie ja auch gar nicht diesbezüglich gefragt habe und so bestand immer eine 50/50 Chance. Aber dieser „Nicht professionell genug – Aspekt“ war echt superwitzig (daher auch nur kurz niedergeschlagen), denn jetzt muss ich dir doch den Türgriff (der ca. 20 Minuten gedauert hat) zeigen. Dieser ist gut genug, um genutzt zu werden, das Tischbein aber nicht. Fand ich schon amüsant. Mein Vater war damals Tischler und hat mit mir ab und an mal auch was gebaut (z.B. ein Holzschwert, welches immer noch zu Hause für eventuelle Geschwisterkämpfe griffbereit liegt! 😈), dadurch habe ich wahrscheinlich die Liebe zum Holz entwickelt. Ich liebe diesen Rohstoff einfach. Das Aussehen, dieser Geruch und er ist nachhaltig und daher hat mir die Arbeit daran so viel Spaß gemacht, dass es mir egal ist, was mit dem Tischbein passiert – Ich hatte mein eigenes Projekt, es hat Spaß gemacht und keiner hat mir gesagt, was ich zu tun habe 😅 und der Spaß Effekt ist für mich viel wichtiger, denn so saß ich nicht einfach nur auf der Couch und habe Netflix geguckt und nichts gemacht.
Am Sonntag habe ich angefangen, Davids Ratgeber zur Fotografie zu lesen. Dieses 85 Seiten langes Dokument (natürlich Englisch 😩), welches glücklicherweise auch ein paar Bilder beinhaltet, muss ich noch vor dem Beginn der Workshops studieren. Ziemlich ermüdend und doch irgendwie interessant, da ich mich in der Sparte der Fotografie null auskenne. Ich hoffe, ich schaffe es rechtzeitig alle Inhalte zu verinnerlichen und vor allem so zu verstehen, dass ich es den Kunden*innen erklären kann. Am Abend haben wir noch Peter zum Abendbrot eingeladen (okay, ich war der Grund, weshalb er eingeladen wurde. Er ist so einsam und das tut mir immer leid). Ich habe dort aber auch gemerkt, dass ich in einer sehr gesprächsbereiten Gruppe sehr sehr schnell untergehe. Zu Beginn sage ich nichts, da ich immer noch sehr lange überlege, ob die Frage oder der Satz jetzt sprachlich und grammatikalisch richtig ist und in der Zeit sind die Gespräche schon längst weitergeführt worden und am Ende habe ich nichts mehr gesagt, da mein Gehirn auf Durchzug stand. Das war der Wahnsinn, wenn man nach einer sehr langen Zeit wieder über drei Stunden kontinuierlich schnelles Englisch hört, das ist verdammt ermüdend und dann wird man zu einem Pinguin aus dem Film Madagaskar – stur lächeln und winken. Ich war nach diesem Abendessen richtig platt.
Am Montag bin ich dann das erste Mal, seit dem ich hier bin, mit David in die Stadt gefahren. Jenny hat mir immer gesagt, dass ich diese Strecke lieben werde und ich sag mal so: Sie ist wirklich sehr schön an manchen Stellen, was mir Jenny aber nicht gesagt hat, dass man auch manchmal kilometerweit die Straße entlang fährt und man nichts sieht, außer tote Bäume. 2017 gab es einen Waldbrand und der muss riesig gewesen sein, also wirklich riesig. Einmal sind wir 15 Minuten gefahren und sowohl links als auch rechts war kilometerweit nichts außer tote Bäume, das sah so verdammt traurig aus. Auf dem einem Foto kann man die Ausmaße des Waldbrandes nur erahnen, die Fläche war wirklich gigantisch. Allerdings hat Jenny mir auch gesagt, dass sich die Natur langsam erholt und im Sommer soll diese Gegend echt schön aussehen, da nun die ersten Gräser, Blumen und Sträucher wieder wachsen. Was ich auch auf dieser Fahrt das erste Mal erlebt habe, war so eine Art „Mikroklimazone“. Etwa eine halbe Stunde von uns entfernt gibt es eine Region, die circa 15 – 20 Kilometer lang ist. In dieser Region (warum auch immer) ist es deutlich kälter. So was habe ich noch nie gesehen. Wir sind bei -4°C losgefahren und in dieser Region waren es dann plötzlich -14°C, bevor es danach wieder wärmer wurde. David kennt dieses Phänomen, weiß aber auch nicht wie das zustande kommt. Vielleicht durch den See und spezielle Winde der Berge?! Keine Ahnung, aber sehr interessant. Aber warum war ich eigentlich in der Stadt?
Ich habe meinen deutschen Führerschein in einen kanadischen umgetauscht. Bedeutet das etwa, dass ich für immer hierbleibe? Wer weiß – muhaha 😈, aber der eigentliche Grund ist einerseits das kanadische Gesetz, welches in B.C. vorschreibt, dass wenn man über 90 Tage einen festen Wohnsitz hat, man den Führerschein umtauschen muss und wenn ich mir hier irgendwann eventuell ein Auto kaufen sollte, dann brauche ich auch eine Autoversicherung. Lege ich bei der Versicherung nur meinen internationalen Führerschein vor, so kann die Versicherung bis zu 50% mehr kosten und das Geld spare ich mir dann natürlich lieber. Der Umtausch hat relativ problemlos geklappt. Da ich bereits seit über fünf Jahren meinen deutschen Führerschein habe, musste ich keine Prüfung ablegen, sondern lediglich einen Sehtest absolvieren und am Ende fünf Fragen beantworten, die ich dank der netten jungen Frau und ihrer heimlichen Unterstützung dann auch alle richtig hatte – Freundlichkeit zahlt sich eben manchmal aus. Hier sind übrigens die Fragen, bei denen es keine Antwortmöglichkeiten gab, man musste sie einfach frei richtig beantworten.
das liegt nun in der Hand der Leute in Williams Lake.
Am Dienstag ist dann eigentlich nichts Spannendes passiert. Es stand halt wieder Baustelle an und somit innerliches Kopfschütteln über einige Entscheidungen, die Jenny getroffen hat.
Der Mittwoch ist der Namensgeber dieses Blogbeitrages...uiuiui. Aber erst mal noch eine andere süße Story: Da wir während der Workshops gegen sechs Uhr aufstehen müssen, habe ich beschlossen, immer früher aufzustehen, damit es zum ersten Workshop kein so großer Unterschied ist. Da ich dadurch jetzt natürlich frühs noch mehr Zeit habe und ich ungern so früh ins Haupthaus gehen möchte, gehe ich immer einer Runde über den See spazieren. Wenn mich David dabei sieht, lässt er die Hunde raus und dann kommen die immer zu mir gesprintet und wir laufen gemeinsam eine Runde. Am Mittwoch komme ich aus meiner Kabine und dann haben Daisy und Trooper einfach schon vor meiner Kabine auf mich gewartet, das war so süß. Nach der Gassirunde habe ich dann gefrühstückt und wir näherten uns der 9 Uhr Grenze, die den Arbeitsbeginn darstellt. Seit einigen Wochen kam Fatih manchmal sogar schon halb neun, um zu frühstücken. An diesem Tag kam er aber irgendwie nicht und ich dachte mir schon so, dass das eventuell kein gutes Ende nehmen wird, da er jetzt wirklich seine finale Chance hat. Er kam dann aber fünf nach neun und da dachte ich mir, dass Jenny deswegen jetzt kein großes Fass aufmachen wird. Jenny hatte dann im Büro was zu erledigen und hat Fatih und mir gesagt, was wir tun sollen. Fatih hat natürlich gesagt, dass das alles kein Problem ist und legte los. Er nahm das erste Maß, schnappte sich ein Holzbrett und ging direkt zur Säge. Ich dachte mir in den Moment, dass ich eigentlich derjenige bin, der die Stücke sägt und ich wusste, dass Jenny das auch möchte. Fatih ist nicht so gut im genauen arbeiten und das ist ja überhaupt nicht schlimm. Jeder Mensch hat unterschiedliche Stärken, eine Person kann besser kochen, die andere besser Konflikte lösen, die andere besser schwere Sachen heben etc. und ich bin hier halt sehr gut im sehr genauen arbeiten. Fatih schnitt also das Brett und wollte es dann anbringen und BÄM Ich sag es dir, das Stück war gefühlt zehn Zentimeter zu kurz. Ich dachte mir nur so „WOW“, habe aber nichts gesagt und habe ihn machen lassen. Da Fatih mich ungern nach Hilfe fragt, bin ich reingegangen, um mir einen Tee zu machen und in dem Moment kam Jenny und fragte, wie es so läuft. Ich sagte ihr gut, aber dass ich jetzt verstehe, weshalb ich das Holz schneiden soll. Jenny realisierte dann, dass nicht ich, sondern Fatih an der Säge arbeitet. Daraufhin ist sie rausgegangen und sagte Fatih, dass ich sägen soll und alter Schwede, seine Reaktion war so aggressiv, dass ich direkt in die Küche zurückgegangen bin, damit ich bloß nicht involviert werde, aber er war so angepisst. Dann hat Jenny das Brett gesehen, welches Fatih und ich bereits angebracht hatten und es war falsch geschnitten, also mussten wir es wieder herunterholen. Fatih war allerdings so angepisst, dass er einfach hoch auf die Leiter gestiegen ist, ohne darauf zu warten, dass ich auf meine Leiter steigen konnte, um das Holz zu halten und schraubte die Schrauben heraus und BUM, natürlich konnten meine zwei Schrauben das Brett nicht halten, es brach heraus und fiel auf dem Boden. Fatih war wirklich so aggressiv, dass er dann auch gesagt hat, dass er jetzt Feuerholz macht und wir hier alleine weiterarbeiten können. Jenny hat dann noch versucht, ihn zurückzuholen, aber er ist einfach gegangen. Als David dann von der Gassirunde zurückkam, hat Jenny ihn gefragt, ob er mit Fatih reden könne und joar, was soll ich dir sagen, David hat kurzen Prozess gemacht und Fatih gefeuert. Ich möchte nicht ins Detail gehen, aber ich sage mal so: Ich hoffe, dass ich niemals von David gefeuert werde, das ist nämlich eine sehr laute und eher unschöne Art.
Fatih ist dann erst mal verschwunden und kam bis zum Abend nicht mehr zurück, wobei er am Abend auch direkt in seine Kabine gegangen ist.
Ich sag es dir, das war ein Tag und ich habe mich etwas schlecht gefühlt, aber nicht, weil ich Jenny gesagt habe, dass ich es nun verstehe, weshalb ich sägen soll, sondern weil ich einen richtig schönen Tag hatte. Ich hatte frühs zwei Hunde, die vor meiner Tür auf mich gewartet haben, ich habe hart und viel gearbeitet, abends wurde extra mexikanisch für mich gekocht mit einem sehr sehr leckeren Rotwein (keine Ahnung, wie der hieß) und dann hat mir Jennys Mutter auch noch ein Taschenmesser und Socken für die Workshops geschenkt – So Süß!
Am Donnerstag hieß es für mich weiter am Haus weiterbauen, während Fatih seine Kabine aufgeräumt und seine Sachen gepackt hat und dann hatte er noch ein Gespräch mit Jenny.
Hier eine (rhetorische) Quizfrage: Wer oder was ist daran Schuld, dass Fatih gefeuert wurde?
Sonst war der Donnerstag vom Wetter her richtig eklig. Es war so warm, dass es bereits frühs bei meinem Spaziergang genieselt hat und alles getaut ist. Dann hat es überall heruntergetropft und alles floss in meine Ärmel oder tropfte mir in den Nacken. Richtig ekelhaft. Sogar der See fängt vereinzelt langsam an zu tauen. Diese Temperaturunterschiede hier sind dieses Jahr so unnormal. Donnerstag waren es bis zu +8°C und Samstag sollen es dann wieder -23°C werden und dann wieder +6 °C. Absolut nicht normal. Abends hat es sogar geregnet. Ich habe mich so gewundert, was das für Geräusche sind, bis ich realisiert habe, dass das der Regen auf meinem Dach ist.
Am Freitag haben Jenny und ich dann vormittags weiter am Haus gebaut und am Nachmittag bin ich mit David zu einem Spot gefahren, um Köder auszulegen und ein Tarnzelt aufzustellen. Dieser Weg bis zum Spot war so unfassbar anstrengend, da durch die warmen Temperaturen die oberste Schicht auftaut und dann wieder gefriert und sich dadurch eine circa zwei Zentimeter dicke Eisschicht auf dem Schnee bilden und mit jedem Schritt durchbrichst du diese Schicht und sackst dann noch bis zum Knie in den Schnee und musst zusätzlich noch etwa 20 Kilogramm Fleisch hinter dir herziehen. Es war super super anstrengend. Wir haben jedoch Luchsspuren gefunden und Spuren, die abnormal groß waren. David vermutet, dass es eventuell ein Bär sein könnte, der aufgrund der warmen Temperaturen der letzten Tage denkt, dass der Winter vorbei ist. Er hat mir dann auch eine Faustregel erklärt und zwar nimmt man die beiden äußerten Krallen, die man bei der Spur entdeckt und wenn der Abstand z.B. 5 Inches ( 12,7 cm) groß ist, dann wiegt der Bär ungefähr 500 Pfund (ca. 230 kg)....die Tatze war etwa 7 Inches groß, was dann ca. 320 kg entsprechen würde. Nachdem wir Jenny davon erzählt haben, vermutet sie, dass es ein Puma hätte sein können. Macht die Sache jetzt nicht besser, auch wenn eine Pumasichtung bestimmt megageil ist, da es super unwahrscheinlich ist, einen Puma in der freien Wildbahn zu sehen. Allerdings hatten David und ich nichts mit, was wir zur „Abwehr“ hätten nutzen können (also Bärenspray oder eine Art Tröte), wir hatten nur leckeres Fleisch bei uns. Von daher ganz gut, dass wir weder einen Bären noch einem Puma begegnet sind. 😅
Und damit endet nun dieser superduper lange Beitrag. Wenn du bis hierhin gelesen hast – Respekt. Ich wünsche dir dann noch ein schönes Wochenende und vielleicht bis zum nächsten Mal.
Hau rein.
Samuel
P.S. Damit der Blogbeitrag richtig lang wird, hier ein kleiner Nachtrag. Habe im letzten Blogbeitrag vergessen zu erwähnen, dass der Kevin, um den es in der Netflix Serie „Big Timber“ geht, bereits hier Kunde war – oh ja 😎
Ach und hier die Antworten der Fragen:
1) Was muss man machen, wenn man einen Schulbus sieht, der seine Warnblinkanlage eingeschalten und das Stoppschild ausgeklappt hat?
2) Was muss man machen, wenn man ein grünes leuchtendes Licht sieht?
3) Wie groß muss der Abstand zu einem Fahrradfahrer sein?
4) Was muss ich machen, wenn ein Auto am Straßenrand mit Warnblinklicht steht?
5) Darf ich mein Handy während der Fahrt nutzen?