Reisefischer Kanada
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#26 Der (eigene) Druck steigt

Veröffentlicht: 04.02.2023

Grüß dich,

ja, keine Sorge, der Blogbeitrag ist kürzer als der Letzte.

Am Wochenende waren David und ich noch einmal bei einem Spot, um einen neuen Köder auszulegen und das ist Davids Lieblingsspot und das verstehe ich vollkommen. Er ist wirklich sehr abgelegen (man fährt ca. 10 Minuten mit den Truck in das Gelände rein), weiterhin ist der Wald rechts und links sehr nah, sodass die Tiere immer einen schnellen Rückzugsort haben und sich sicher fühlen und dennoch ist der Spot sehr offen, da sich der Köder auf dem See befindet und somit auch ein freier Hintergrund ist und der Fokus nur auf dem Wildtier liegt. Ich bin gespannt, wie die Bilder der Fotografen*innen aussehen werden. Sonst kam am Sonntag der angekündigte Wetterumschwung und als ich früh am Morgen aus meinem Häuschen kam, hatte ich direkt eine schmerzende Lunge, sodass ich wusste, dass es echt kalt ist. - 30 °C zeigte dann das Thermometer an, wobei es sich dann tagsüber auf - 12 °C „aufwärmte“. Kochendes Wasser gefriert bei diesen Temperaturen auch direkt, ist aber nicht so beeindruckend wie bei – 45°C 😁

In der Nacht von Sonntag auf Montag war ein wolkenfreier Himmel und so habe ich versucht, den Kometen C/E3 zu sichten, der sich aktuell in der Nähe des Nordpolarsterns aufhielt und Ende Januar am besten zu sehen sein sollte. Allerdings war der Mond so hell, dass man nur sehr wenig Sterne und schon gar nicht den Kometen sehen konnte. Ich habe dann aber trotzdem Fotos gemacht und ich bin mir nicht 100% sicher, aber ich denke, man kann auf den Bildern ganz ganz schwach Polarlichter sehen. Hier in meiner Gegend kann man sehr selten die Polarlichter mit bloßen Auge sehen, allerdings können diese mithilfe einer Kamera und einer sehr langen Belichtungszeit sichtbar gemacht werden, auch wenn wir sie mit dem bloßen Auge nicht sehen können. Das war eventuell der Fall, aber ich warte natürlich immer noch auf meine erste Polarlicht-Sichtung mit bloßen Augen. Vielleicht der Moment, der mich hier zum ersten Mal zum Weinen bringt, da Polarlichter (wahrscheinlich) einfach wunderschön sind und dazu noch die Sterne. ❤️

Der Montagmorgen begann wie ein richtiger Montagmorgen. Während ich gerade meinen Kaffee trank, kam plötzlich Jenny rein und schrie: "Samuel, ich brauche deine Hilfe, die Pferde sind ausgerissen!“ In diesem Moment guckte ich nach oben und sehe King und Ginger vor dem Fenster lang laufen und ich dachte mir nur so: FUCK 😂 Ich mag keine Pferde. Zwar komme ich mit Kingsley und Ginger gut klar, aber zwischen uns steht ja normalerweise auch immer ein Zaun. Zuerst hat Jenny sie zum Heu gelockt, welches auch durch einen separaten Zaun abgegrenzt ist, sodass sie dort erst mal sicher bleiben konnten, während ich versucht habe, so schnell wie möglich das Tor aufzubekommen – nur blöd, wenn es durch eine zentimeterdicke Schneeschicht blockiert wird. Am Ende konnten King und Ginger aber wieder sicher von David und Jenny zurückgeführt werden. Ich hatte lediglich die Aufgabe, den Truck wegzufahren, der sicherheitshalber zusätzlich vor dem „Eingang“ des anderen Zaunes stand, und einfach dort stehen zu bleiben – Ein Glück! 😅

Jenny möchte nach den Workshops am liebsten mit David in den Urlaub fahren, sodass ich hier auf alles und jeden aufpassen muss, sie weiß aber genauso gut wie ich, dass, wenn die Pferde in der Zeit ausreißen, ich sie definitiv nicht zurück bringen kann.

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Also vielleicht hast genau DU Bock für ca. zwei Wochen hier in Kanada auf Pferde aufzupassen.

Was wird verlangt?

  • Verlässlichkeit
  • Pünktlichkeit
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  • tägliches Füttern der Pferde, Reinigung des Stalls und gelegentliches Training
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  • zwei Pferde + zwei Hunde
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Mittwoch bin ich wieder mit David rausgefahren, um neue Köder auszulegen. Auf dieser Fahrt habe ich ihn dann auch gefragt, was denn so die meisten Fragen sein könnten, da mir immer noch niemand etwas Praktisches gezeigt hat. Er hat mir dann halt gesagt, dass die meisten Fotografen*innen nicht oft genug ihr Histogramm (weiß ich natürlich mittlerweile was das ist 💁🏼‍♂️😅) überprüfen und daher die Fotos nicht „perfekt“ sind, ABER er hat mir auch gesagt, dass die Fotografen*innen alle auf einem sehr guten Niveau sind, sodass ich ihnen nichts erklären muss. Das hat mir ziemlichen Druck genommen. Jenny hat immer so Storys erzählt, was alles so passiert ist und was für Fragen kommen können und wie ich mich dann verhalten soll und ja, ich lese fast jeden Abend den Ratgeber von David weiter, aber das heißt noch lange nicht, dass ich Leuten, die bereits auf einem sehr hohen Niveau sind, irgendetwas lehren könnte.😅 David sagte dann auch, dass selbst er nach all den Jahren immer noch etwas Neues lernt und es nicht möglich ist, so schnell etwas zu verstehen und lehren zu können. Das war wie gesagt sehr erleichtern, denn stell dir mal vor, ich sitze mit Olaf im Tarnzelt und er fragt mich verschiedene Fragen und ich sage: „Tut mir leid, dass weiß ich leider nicht.“, dass würde ja kein gutes Licht auf das Geschäft von David und Jenny werfen, aber zum Glück werden mir dann anscheinend doch nicht so viele Fragen gestellt. Auf dem Rückweg haben wir doch tatsächlich schon meinen Führerschein abgeholt, ging deutlich schneller als die angekündigten 60 Tage. 

Donnerstag habe ich Jenny dann aber trotzdem mal gebeten, mit mir über die Workshops zu reden, denn ich mache mir glaube selber ziemlich viel Druck. Jenny und David sind äußerlich so entspannt und gelassen und Jenny sagte mir, dass wir voll im Zeitplan sind. Ich denke mir seit drei Tagen ungefähr:

  • wir saßen bis jetzt noch nicht einen Tag komplett draußen
  • wir haben keine Ahnung, ob die Tiere wirklich tagsüber oder nur nachts kommen
  • wir haben keine Wildtierkameras aufgestellt und seit drei Wochen war keiner am Ende des Sees
  • wir ....

Diese Fragen rauben mir sogar meinen heiligen Schlaf 😅 Deshalb musste ich gestern einfach mit Jenny darüber reden. Das Gespräch hat mich jetzt ein wenig beruhig, aber trotzdem fühle ich mich nicht gut genug auf den ersten Workshop vorbereitet. Irgendwie verstehe ich zum Beispiel nicht, dass wir immer noch die meiste Zeit am Haus weiterbauen und dann möchte Jenny eigentlich den hinteren Bereich des Hauses „reinigen“, damit alle eine freie Sicht haben und jetzt hat sie erst einmal neues Holz bestellt, was jetzt wieder dort lagert. Ich dachte, dass die Vorbereitungen ehrlich gesagt anders ablaufen. Eine Sache, die mich ebenso innerlich wahnsinnig macht, ist die Fahrt. Ich muss die Fotografen*innen zu ihren Spots fahren und der eine liegt 45 Minuten entfernt, dass wiederum bedeutet, dass ich diejenige Person dann täglich 1 ½ h unterhalten muss. Meine sozialen Kontakte kennen ja glaube alle eine meiner schlimmsten Eigenschaft und zwar, dass ich ohne Punkt und Komma reden kann (wie man evtl. auch an den langen Blogbeiträgen merkt 😁), aber ich muss ja mit denen auf ENGLISCH reden. Alter Schwede, das wird ein Spaß. 😭

HEUTE – ganze 5 (!) Tage vor dem ersten Workshop, saß ich das erste Mal den ganzen Tag in meinem Tarnzelt, dabei handelte es sich um Davids Lieblingsspot, welchen ich zu Beginn erwähnt habe. Eigentlich sollte David den Tag in einem anderen Zelt verbringen, aber er ist dann doch bei mir geblieben. Es ist echt witzig, da man sich dann wirklich „verabschiedet“, bevor man in sein Zelt geht, da man dann weiß, dass man zwar nun nebeneinander sitzt, aber man trotzdem kein Wort sagt. David sagte dann auch, dass, wenn er mich schnarchen hört, er mich wecken wird. So saß ich also nun da, eingewickelt in meinem Schlafsack und blickte starr nach vorne. Nach einer Stunde wollte ich dann mein Handy rausholen und ein wenig meine Fotos sortieren und plötzlich hörte ich Davids Kamera und ich dachte mir, okay irgendwas muss hier gerade sein und dann kam dort ein Fischermarder zu unserem Köder. Das war ziemlich cool, da man sie nur sehr selten zu Gesicht bekommt - für David war es erst das zweite Mal in seinem Leben. Ich konnte mich dann auch mit „meiner“ Kamera ausprobieren und mein erstes Foto war einfach nur weiß 😂 Ich lese ja aktuell immer noch Davids Ratgeber und letztens habe ich über Belichtung und so etwas gelesen und an der Kamera das halt versucht und dann habe ich vergessen, die Einstellungen wieder zu ändern, aber so ist das nun mal. Die Bilder sind natürlich alle jetzt nicht gut, da es heute nur ums probieren ging, aber ich teile trotzdem ein paar mit euch 😅 Es ist faszinierend, wie scharf auch so die Augen werden können. Auf der anderen Seite des Sees war eine Gruppe Raben, die ohne Fernglas nur als schwarze Punkte wahrgenommen werden konnten und dann dachte ich mir aber auch so: Warte, der eine Punkt bewegt sich nicht so wie die anderen und mithilfe des Fernglases habe ich dann einen Fischotter (später zwei) gesehen und gerade als ich die Kamera nutzen wollte, hörte ich doch tatsächlich Schnarch Geräusche von nebenan, da ist David einfach selbst für ca. 15 Minuten in ein kleinen Nickerchen verfallen. Sonst saß auch noch ein Weißkopfseeadler entspannte auf der anderen Seite des Sees, aber das war es dann leider auch schon und so sind wir nach sieben Stunden wieder zurück gefahren. Diesmal bin ich gefahren, um ein Gefühl für den Truck im Schnee zubekommen und dann BÄM läuft mir da mein erster Elch vor das Fahrzeug und ich konnte ihn nicht fotografieren, aber ich war so glücklich. Endlich mein erster Elch und David sagte mir, dass das ein kleines Männchen war, aber der Elch war einfach da schon so groß. Wie groß sind dann erst ausgewachsene Elche? Sagenhaft!!!! Also wirklich, ich war so überwältigt!

Und mit dieser freudigen Sichtung endet nun dieser Beitrag. Nächste Woche werde ich dann schon über den ersten Workshop berichtet, wenn ich es überhaupt schaffe, weiterhin diesen Zyklus beizubehalten. Wundere dich also nicht, wenn der nächste Beitrag vlt. nicht nächsten Samstag (deutscher Zeit) online kommt, denn ich werde ab nächsten Mittwoch ziemlich viel zu tun haben. Ich bin gespannt, wie ich mit diesen Druck umgehen werde und wie die Zeit wird. Ich hoffe, ich finde bis dahin einen Weg, meinen inneren Druck abzubauen.

Bis dahin

Samuel


P.S. Allen Schülern*innen und Lehrkräfte angenehme Winterferien! :)

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