Reisefischer Kanada
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#12 Unter den Sternen

Veröffentlicht: 06.11.2022

Am Dienstag wurde ich in Crofton ausgesetzt und eigentlich wollte ich dort ein paar Stunden verbringen, bevor ich die Fähre nach Salt Spring Island genommen hätte, aber das war gefühlt ein Dorf mit einer Straße und so entschloss ich mich die nächste Fähre zu nehmen. Innerhalb von 20 Minuten wurde die Insel dann erreicht und nun hieß es warten. Warum auch immer das Busunternehmen die Abfahrtzeiten so schlecht angepasst haben, aber der Bus fährt immer genau 5 Minuten vor der Ankunft der Fähre am Hafen los. Und so musste ich erst mal warten, konnte aber das WLAN nutzen und die Sonne genießen. Auf der Fahrt nach Ganges fragte mich der Busfahrer dann ob ich neu sei und dies war offensichtlich, denn ich habe den Namen so dermaßen falsch ausgesprochen - wie ich jetzt weiß - dass es klar war, dass ich nicht von hier komme. Er gab mir dann auf dem Weg zur Endhaltestelle eine kleine Stadtrundfahrt - so süß. So ein kleiner Opa, der einen dann so alles erklärt. In Ganges wiederum hieß es dann wieder warten, warten und nochmals warten. Der Farmer konnte mich erst abends aufsammeln und sobald die Sonne weg war, wurde es verdammt schnell verdammt kalt. Als ich dann aufgesammelt wurde, sind wir zur Farm gefahren und ich hätte den Weg niemals gefunden. Die Farm liegt halt wirklich mitten im Wald. Das Grundstück ist mit 32 Hektar (Galileo würde jetzt sagen, dass es 45 Fußballfeldern entspricht) doch recht groß. Vor zwei Wochen habe ich ein Bild hier hochgeladen, wo man die geplante Abholzung der Wälder sehen konnte. Bei diesem Gelände handelt es sich genau um solch eine Fläche, wodurch man sehr gut anhand der Größe der Bäume erkennen kann, wo Bäume abgeholzt wurden. Sonst ist dieses Gelände sehr energiearm. Strom und Wasser sind absolute Mangelprodukte und müssen sehr sorgfältig genutzt werden. Dazu aber wann anders. Ein Rohstoff, der hier aber bestimmt für die nächsten Jahrzehnte ausreichen wird, ist Holz. Hier wird alles mit Holz geheizt.

Meine erste Nacht habe ich im Tally geschlafen, da es zu dunkel war, um mich zu meinem Schlafplatz zu bringen. Das Tally ist ein kleines Tiny House, welches als Wohn- und Esszimmer sowie als Küche genutzt wird. Am nächsten Tag zog ich dann in mein eigenes Yurt. Dies ist ein sehr großes Zelt, welches im Sommer bestimmt der Hammer ist. In meiner ersten Nacht war es der Horror. Ich habe das Feuer zu erst nicht anbekommen und als es dann an war, habe ich noch einen Film geguckt und während des gesamten Films konnte ich meinen eigenen Atem sehen. Es war so eine kalte Nacht, da frage ich mich echt, wie Menschen das ohne eigenen Wohnsitz überleben, wenn sie nicht einmal einen Kamin oder so haben. Ich habe die Nacht aber überlebt und am Mittwoch war dann mein erster Arbeitstag. Dabei wurde zu Beginn ein Untersteller für den Kompost und Hühnern gebaut, bevor es zu den Würmern ging. Ja! Zu den Würmern. Ich habe immer gedacht, ich verstehe das englische Wort falsch, aber die haben wirklich hier einen ganzen Anhänger voller Regenwürmer, die ihnen ihren Kompost produzieren. In dem Anhänger befinden sich 200 Pfund (ca. 91 kg) Regenwürmer, die zwischen den verschiedenen Schichten leben und sich fortpflanzen. Das ist so verrückt. :D Die heizen sogar extra den Raum, damit die Regenwürmer die perfekte Temperatur zum Leben und „arbeiten“ haben. Gestern musste ich sie dann auch noch gießen. Es ist so komisch, das habe ich noch nie erlebt :D Ab und an wird die untere Schicht abgezogen und dann mussten wir dort die Regenwürmer heraussammeln und wieder zurücktun und den Kompost aufsammeln. Nachdem wir noch kurz im Gewächshaus (zu den Kosten wann anders) gearbeitet haben, wurde der erste Tag mit Knoblauch schälen abgerundet. Ich dachte echt, das wäre eine entspannte Arbeit, aber als sich das erste Stück harter Schale mir unter den Fingernagel in meine Haut gerammt hatte, wusste ich, dass es schmerzhaft werden könnte. Glücklicherweise habe ich dann schon frühzeitig meinen Kamin angemacht, sodass es nach dem Abendessen in ein warmes Yurt gehen konnte. Das Problem ist nur, dass mein Schlafplatz über 10 Minuten entfernt ist! Im Dunkeln manchmal echt beängstigend, aber das ist der erste Ort, wo es keine Bären gibt, da es erstens eine Insel und zweitens Winterzeit und somit Schlafenszeit (für die Bären) ist. Am Freitag hieß es dann weiter Knoblauch schälen. Laut der Mutter des Farmers wird dies gemacht, damit nicht Gefahr von Schimmelpollen besteht, die die Zehe beschädigt und somit nicht ideal austreiben lässt. Am Ende haben wir fast 700 Knoblauchzehen geschält. Diese wurden dann auch noch direkt eingepflanzt. Der Freitagabend wurde dann noch mit einem Saunagang abgeschlossen.

Als ich dann anschließend in mein Yurt gegangen bin, schien der Mond direkt durch mein Fenster und es sah so schön aus. Aber dann bin ich rausgegangen. Der Wahnsinn! Es sah soooo genial aus. Der absolut helle Mond, die Tannenbäume und dazwischen die Wolken. Der absolute Höhepunkt aber waren die Sterne. Mittlerweile weiß wohl jede Person hier anhand der vielen Sternenbilder, dass ich die Sterne absolut liebe :D Da ich hier mitten im Wald bin, habe ich an diesem Ort das erste Mal eine wirklich absolute lichtfreie Region. Die Sterne sind der  Wahnsinn. Mein Bett steht genau unter dem Fenster und auch dieser Ausblick! Ich habe mich sofort verliebt. Gerade zu das Mondlicht in meinem Yurt, rechts das brassende Kaminfeuer und über mir einfach ein geniales Sternenbild. Ein Träumchen!

Heute ist Samstag und somit frei. Ich konnte also endlich mal mein Yurt aufräumen und für Feuerholz sorgen. Ich verbrauche so unglaublich viel, dass ist echt der Krass. Allerdings ist das ein echtes Workout und muss mehrere Male in der Woche gemacht werden. Immer positiv denken: Jeder Schlag aufs Holz ist ein Schlag für die Oberarme :D

Sonst arbeite ich hier die meiste Zeit mit einem Pärchen, welches auch hier aktuell woofft. Sie sind wirklich herzensgute Menschen. Gerade der junge Mann ist unglaublich sympathisch und nett. Er hat auch so viel Interesse an Deutschland (Deutsche Schimpfwörter zum Beispiel :D), sodass es eigentlich auch immer zu einem Gespräch kommt. Ich denke, dadurch werde ich jetzt dann durch mehr und mehr Englisch lernen.

Aber jetzt gehe ich erst einmal noch eine Runde. Es scheint die Sonne. Absolut selten hier :D 

Also Leute, geht auch raus und genießt die Sonne.

Bis dahin.

Samuel

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