Reisefischer Kanada
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#13 Katzenwäsche und Zwiebellook

Veröffentlicht: 12.11.2022

Egal wem ich von meinem Vorhaben mit Kanada erzählt habe - waren es meine Schüler*innen, mein Freundeskreis oder meine Familie – irgendwann wurde immer gesagt, dass ich in Kanada bestimmt irgendwo im Wald, alleine in einer Hütte, im Karohemd mein Holz hacke und kaum Zivilisation vorhanden ist .... und was soll ich sagen?! Hallo! Hier bin ich.

Ich hätte nicht erwartet, dass ich wirklich solch ein energiearmes Farmleben im Winter erleben kann. Es ist wirklich verrückt, mit wie wenig Energie die Familie hier auskommt.

Wasser

Wasser wird hier in riesigen Wassertanks gekauft. Einer umfasst 11.000 Liter und kostest 2.000 Kanadische Dollar. Für die Hauptversorgung hat der Farmer neun Stück in der Nähe der Nutzfläche. Die Kosten sind natürlich enorm. Allein in diesem Sommer mussten die Tanks sechsmal ausgewechselt werden, da der Sommer so trocken war. Das Wasser sparen dann natürlich extrem wichtig ist, ist verständlich. Aus dem Wasserhahn kommt nur ein sehr dünner Wasserstrahl raus, sodass man manchmal echt lange warten muss, bis die Teekanne voll ist.

Nächster Absatz behandelt den Gang zur Toilette, wer es nicht lesen möchte, kann es überspringen :D

Bei den Toiletten verhält es sich so: Für das kleine Bedürfnis kann man hier einfach im freien überall seine Blase entleeren. Der Farmer meint, dass es gut für den Boden ist und es spart halt Wasser. Sollte man ein etwas größeres Bedürfnis haben, so sind hier auf dem Gelände mehrere ..... Plumpsklos verteilt. Diese besitzen keine Toilettenspülung, sondern es wird Holzspäne verwendet. Wenn du jetzt denkst, dass es unglaublich riechen muss. Nein, das Prinzip wird hier in Kanada sogar überwiegend angewendet, sogar ohne Holzspäne. Also das ist nicht so wie in Deutschland, dass man auf öffentlichen Parkplätzen ein Toilettenhäuschen hat. Also man hat schon ein Häuschen, aber halt mit einem Plumpsklo. Von daher war es für mich jetzt kein großer Schock. Aber ich sag mal so....mittlerweile ist es ja nicht mehr so warm und da friert man dann doch schnell.

Der absolute Horror für mich ist die Dusche. Auf einem der Bilder ist sie zu sehen. Man kann hier zwar mithilfe von Propan das Wasser erwärmen (keine 30 Grad.... eher vlt. 15 Grad), allerdings ändert das nichts an der Tatsache, dass man nur mit Flip Flops bekleidet in der völligen Kälte steht. Daher habe ich jetzt in meinem Yurt ein Wasserkanister und mithilfe meiner Teekanne kann ich das Wasser erwärmen und so halt mit einer ganz klassischen Katzenwäsche trotzdem meinen Körper reinigen und muss dabei nicht der Kälte ausgesetzt sein. Also ich gehe hier auch schon duschen, aber halt nicht täglich. In Deutschland verbraucht ein durchschnittlicher Duschkopf 12 - 15 Liter pro Minute. Willst du also deine Wasserkosten senken, kannst du ja auch einfach mal die Katzenwäsche anwenden und mal auf ein oder zwei Duschen verzichten. Ich selbst habe es mal vor einigen Monaten für ein paar Wochen ausprobiert. 

Strom

Die elektrische Energie wird hier mithilfe zweier Solarpanelen „gewonnen“. Eigentlich reichen sie auch aus, aber wenn 5 cm Schnee draufliegen oder es mehrere Tage bewölkt ist, dann fällt auch mal der Strom aus. Für diesen Fall haben wir zusätzlich noch einen Generator, der mithilfe von Benzin läuft. Spätestens wenn wir an bewölkten Tagen plötzlich kein Licht mehr haben, wissen wir, dass das Benzin alle ist.

Und apropos Schnee. Wie die meisten schon mitbekommen haben, hat es hier das erste Mal geschneit. Es war so witzig, ich habe viele Nachrichten erhalten mit „Oh, so viel Schnee.“ „Krass, das ist ja eine Menge“.... und um ehrlich zu sein, ist das ja noch gar nichts für Kanada. Ich will gar nicht wissen, wie es in den nördlicheren Regionen aussieht. Auf meiner ersten Farm sind es z.B. auch schon -13 Grad gewesen. Diese Temperaturen werden hier auf Salt Spring nur sehr selten erreicht (letztem Winter einmal). Also dahingehend kann ich mich auch glücklich schätzen, dass es hier nicht ganz so kalt ist, aber auch dass es geschneit hat, ist eine Seltenheit. Meistens regnet es hier in den Wintermonaten, da wir aber hier auf dem Berg der Insel sind (höchster Punk nur 30 - 40 Min. zu Fuß entfernt - Fotos folgen wann anders), hatten wir das Glück, den ganzen Schnee abzubekommen. Die Stadt unten am Meer war fast schneefrei als wir letztens dort waren. Es ist hier auf dem Berg auch immer fünf Grad kälter als in der Stadt.

Und auch wenn es noch nicht soo kalt ist, ist es für mich manchmal trotzdem zu kalt :D Gerade die Nächte sind nicht meine Lieblingszeit. Es ist Wahnsinn wie schnell Holz verbrennen kann und so muss ich mehrere Male in der Nacht aufstehen bzw. mich etwas weit Strecken (habe mein Bett direkt neben den Kamin gestellt, damit ich nicht aufstehen muss), um Holz nachzulegen. Das Paar (welches hier auch woofft) erzählte mir, dass sie überhaupt nicht frieren. Tja was soll ich sagen: Erstens sind sie zu zweit und zweitens haben sie einfach mal sieben (!!!) Decken - da würde ich auch nicht mehr frieren. Ich habe aktuell drei und ab morgen vier. Dabei handelt es sich dann um drei Wolldecken und eine Hauptdecke. Wobei die Vorstellung mit vier richtigen Decken auch nicht schlecht klingt. Auch tagsüber laufe ich wie eine Zwiebel herum. Wie einige Menschen ja immer sagen: Es gibt kein falsches Wetter, nur falsche Kleidung – und ja, mir ist beim Arbeiten auch nicht sooft kalt. Mit einer Unterhose, einer langen Unterhose, einer Sporthose, einer Jogginghose und ggf. einer Regenhose sowie ein Shirt, ein Pulli, eine Weste, meiner Hauptjacke und ggf. einer Regenjacke, friere ich tatsächlich sehr selten. Zwiebellook einfach perfektioniert Leute! Wenn ich dann im richtigen Winter ankomme, trage ich wahrscheinlich zehn Schichten. 

Und es ist krass, wie warm ein Gewächshaus im Winter werden kann (wenn die Sonne mal scheint), dann arbeitet man da mit Shirt und am liebsten in kurzer Hose, es ist echt warm da drinnen und so können dort auch noch verschiedene Gemüsearten wachsen. Heute haben wir zum Beispiel die letzten Gurken geerntet (Stückpreis: 5 Dollar übrigens). Dabei hüpfen einem ab und an kleine süße Frosche über den Weg.

Was steht noch so an? Spätestens alle zwei Tage muss ich Holz hacken gehen. Aber ich mache das echt gerne von daher ist es eigentlich kein Problem, es sei denn ...

In den nächsten Zeilen wird über ein Mord aus einem Podcast berichtet. Einfach die nächsten fünf Zeilen überspringen, wenn du es nicht lesen möchtest.

... man hört beim Holz hacken ein True Crime Podcast, bei dem gerade erzählt wird, wie das Opfer aus kurzer Distanz von hinten zweimal in den Kopf geschossen wird und dann PENG! wird auf einmal wirklich geschossen. Junge Junge, das war ein sehr unpassender Moment für den Schuss. Denn es ist völlig normal, dass man in Kanada Schüsse (von Jägern) hört - hier mehrere Male am Tag. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Rehpopulation hier auf der Insel sehr hoch ist, da es  keine fleischfressende Großwildtiere gibt und somit sehr viele von den Rehen geschossen werden können - oder der Nachbar schießt einfach genau so schlecht wie ich und muss daher immer wieder nachladen.

Weiterhin ist Mittwoch immer "Wurm-Tag". Dazu wird der Kompost abgetragen und die Würmer herausgesammelt, um sie wieder zurück in den Anhänger zulegen. Nicht die sauberste Arbeit, aber die Zeit vergeht dabei sehr schnell und da der Farmer für die Würmer einen echt großen Kamin hat (ich glaube, das ist der größte hier auf der Farm), ist es dort auch nicht sonderlich kalt. Wobei hier einem auch schon 10 Grad warm vorkommen und man seine Jacke ausziehen muss. Wie gesagt: Zwiebellook. 

Da der Farmer vom Schnee überrascht wurde, hieß es dann auch die Rohre draußen winterfest zu machen. Dazu wurde ein tiefer Graben gebuddelt. Dort wurde dann gehäckseltes Holz, dann die Rohre, dann wieder gehäckseltes Holz, dann eine Schicht Erde und zu guter Letzt wieder gehäckseltes Holz geschichtet. Durch diese Schichten und dem Prozess der Zersetzung des Holzes und der dabei entstandenen Wärme, werden die Rohre (hoffentlich) frostfrei gehalten. Allerdings war es zu spät für die Wasserleitung zum Tilly. Sodass wir in der Küche und Gemeinschaftsraum einfach zwei Tage kein Wasser hatten, bis es draußen wieder wärmer wurde und die Leitung aufgetaut ist. Wie gesagt: Abenteuer pur hier!

So und da jetzt bald wieder die nächste Sauna ansteht, sage ich tschüss und bis bald.

Samuel

P.S. WLAN zu schlecht und die Sauna ruft, daher wird der Beitrag erst Samstag hochgeladen.

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