Reisefischer Kanada
Reisefischer Kanada
vakantio.de/mein-jahr-in-kanada

#14 Dankbarkeit

Veröffentlicht: 19.11.2022

Ach Leute, ich habe was erlebt, dass erlebt man kein zweites Mal (in meinem Fall irgendwie schon). Am Samstag waren wir in der Stadt, um verschiedene Sachen für das Abendbrot (Hotdogs am Feuer) zu kaufen. Nachdem wir wieder auf der Farm angekommen sind, wurde gesagt, dass wir uns in einer Stunde am Feuer treffen. Ich bin also zu meinem Yurt, um mein Feuer zu starten und nach einer halben Stunde vernahm ich plötzlich Wolfsgeheule von Menschen. Ich dachte mir nur so, dass ich jetzt keine Lust auf „hyperenergiegeladene“ Personen habe, sondern meinen Samstag einfach am Feuer entspannt verbringen möchte. Ich bin dann auf jeden Fall Richtung Feuer gegangen und das war riesig und als ich zu der Gruppe gestoßen bin und gerade auf einen jungen Mann zugehen wollte, der aussah wie ein Wwoofer hier und plötzlich sah ich...ne, das ist gar nicht die Person, die ich meinte zu denken die sie ist und die anderen sahen auch etwas anders aus und dann habe ich festgestellt, dass es gar nicht meine Gruppe war. Als ich gerade zurückgehen wollte, kam eine Frau auf mich zu und sagte mir, dass ich im Weg stehe. Ich sagte ihr daraufhin, dass ich weiß, dass es die falsche Gruppe sei und ich wieder gehe und dann sagte sie mir, dass ich nicht den Weg zurückgehen kann, da dort die ENERGIE lang fließt. Dieser Energiefluss führt auf direktem Weg zu meinem Yurt. Ich dachte mir erst Mal so: HÄ?! Aber okay, ich bin dann also einen mir unbekannten Weg im dunkeln entlang gelaufen und nach gefühlten zehn Minuten bin ich dann bei meiner Gruppe angekommen, die ein deutlich kleineres Feuer hatten. Mir wurde dann berichtet, dass dies eine verdammt hohe Beerdigungszeremonie von einem sehr hohen Oberhaupt war. Es handelte sich dabei zwar nicht um Personen der indigenen Bevölkerungsgruppen, aber um Menschen, die sich die Traditionen der indigenen Völker angenommen haben. Solch eine Beerdigung (also dort wurde nicht der Leichnam verbrannt, es wurde lediglich eine Zeremonie abgehalten) kann bis zu neun (!) Stunden dauern. Und ich bin mittenrein in diese heilige Zeremonie. Läuft....Es war an unserem Feuer dann doch relativ frisch, sodass ich noch einmal zurück zu meinem Yurt gegangen bin, um mir mehr Schichten anzuziehen. Diesmal nahm ich einen anderen Weg und sah auch schon das kleine Feuer. 15-20 Meter vor dem Feuer fragte ich mich dann, weshalb keiner in der Gruppe redet und warum die Musik aus ist.....und was soll ich sagen, ich habe es wirklich geschafft, diese heilige Zeremonie ein zweites Mal zu stören. Manchmal frag ich mich auch ey! Diesmal war das Problem, dass das Feuer die gleiche Größe wie unseres hatte und auch die Personenanzahl stimmte mit der meiner Gruppe überein. Wer kann schon behaupten, zweimal eine solche Zeremonie zu unterbrechen. (War mir wirklich auch nur ein kleinwenig peinlich) Das Feuer war dann trotzdem angenehm und wir aßen eine nordamerikanische Süßigkeit. Man nehme zwei Kekse, einen Marshmallow und Schokolade und schon hat man ein sau leckeres Dessert, einen Zuckerschock, Diabetes und Karies! Aber es ist echt lecker! Ich glaube, dass ich dies bereits auf meiner zweiten Farm gegessen hatte.

Sonntag hieß es entspannen und dann zum Sonnenuntergang zu gehen. Ach und Leute, es war mein neunter Beitrag mit „Höre bitte nie auf“, wo ich geschrieben habe, dass ich hoffe, dass ich von der Schönheit hier nicht genug bekomme. Ich habe durch verschiedene Umstände gedacht, dass ich zu spät bin und bin daher sehr schnell den Berg hoch gelaufen und dann habe ich schon kurz gesehen, dass ich über den Wolken sein werde und das wollte ich für meine Familie filmen. Unter folgendem Link:

https://www.youtube.com/shorts/KHvU09qqaGs

vergönne ich euch einen kurzen Einblick in das Video und meine Reaktion, als ich oben angekommen bin. Dann wenig später ist mein Handy der Kälte zum Opfer gefallen und ich hatte nichts, was mich ablenken konnte und so stand ich da und genoss diesen schönen Sonnenuntergang. In solchen Momenten bin ich dann doch immer wieder dankbar und muss mir vor Augen führen, dass ich gerade in Kanada bin und wie geil es einfach mal ist, dass ich diese Möglichkeit habe!

Der Sonnenuntergang war so schön, dass ich mich entschlossen hatte, am Dienstag zum Sonnenaufgang zu gehen. Ich bin noch nie für einen Sonnenaufgang auf einen Berg gelaufen. Dienstag hatte den Vorteil, dass ich dort immer nur vormittags arbeite und daher nachmittags frei habe und den Schlaf nachholen konnte. Der Sonnenaufgang war auch wunderschön. Dieser Anblick über den Wolken und diese Farben und auch wie sich die Wolken an den kleinen Inseln anstauen und es aussieht, als würden sie wie Wellen auf das Land treffen. Sehr nett anzusehen. Aber fast alles. was man da oben erblicken kann, ist nicht Kanada, sondern die USA. Wir sind hier wirklich sehr nah an der Grenze. Ich habe dir dazu zweimal das selbe Foto hochgeladen. Einmal mit und einmal ohne Markierung. Die grüne Linie umfasst Vancouver Island und damit Kanada. Der Abstand der beiden Inseln ist echt so minimal. Ist man gar nicht gewohnt in Kanada. Die rote Linie ist dann bereits die USA. Man sieht auf der Bergspitze halt wirklich mehr von der USA als von Kanada. Der Dienstag wurde dann noch mit einer ordentlichen Sporteinheit beim Holzhacken weitergeführt, bis ich dann in die Sauna ging und da alle abgesagt hatten, hatte ich sie diesmal für mich ganz alleine.

Was war noch so los?! Die Tage beginnen eigentlich immer gleich. 9 Uhr ist ein kurzes Meeting, welches mit einer Dankbarkeitsrunde anfängt. Da sagt dann halt jeder, für was man dankbar ist. Wenn man in solch einer eher doch ressourcenarmen Farm lebt, lernt man auch wieder viel mehr die kleinen Dinge zu schätzen. Ich war z.B. schon oft dankbar für Feuerholz und Decken. Viele Menschen haben das nicht und müssen frieren und ich kann mich vor meinem prasselnden Kaminfeuer einmummeln.

Sonst hieß es mal wieder Knoblauch schälen und einpflanzen. Boah, dieses Einpflanzen ist super anstrengend und ich habe es gehasst. Das Feld war vor zwei Wochen noch ein Kohlfeld und nachdem der Farmer einmal mit dem Bagger drüber gefahren ist, nutzen sie es wieder als Nutzfläche. Da hat man alles: Erde, riesige Grasteppiche, Wurzeln und Steine – und dazwischen mussten dann etwa 1000 Knoblauchzehen gepflanzt werden. Zum Glück ist das Feld jetzt voll und damit es den guten Knoblauchzehen nicht zu kalt wird, wurden sie jetzt noch alle mit Laub bedeckt. Dazu waren wir gestern und heute irgendwo auf der Insel Laub harken.

Weiterhin genieße ich hier wirklich die Sterne. Ich kann es nicht oft genug sagen, so unglaublich schön. Dank mir gibt es jetzt auch eine WhatsApp Gruppe und da kann ich sie alle mit meinen Fotos zuspammen – Huhu! Aber der Farmer nutzt sie auch für seine Website, von daher müssen sie ja doch gut ankommen. Manchmal nehme ich mir ein großes Stück Holz, welches ich als Hocker nutze und setzte mich irgendwo raus, um die Sterne zu beobachten, bis die Kälte mich dann wieder in mein warmes Yurt zwingt.

Womit habe ich aber aktuell zu kämpfen? Meine Beine! Seit über einer Woche habe ich Muskelkater. Ich muss mindestens viermal am Tag 15 Minuten über Stock und Stein laufen und da kommen meine Beine nicht wirklich zur Ruhe. Das ist der Wahnsinn. Leider hilft das idyllische Dehnen vor dem Kaminfeuer auch nicht wirklich. Noch dazu, bin ich immer noch kein Fan davon. Ich hoffe, dass er sich irgendwann löst. Aber immerhin bekomme ich trainierte Beine und Gluteus Maximus - Höhö.

Und trotz aller Schmerzen in den Beinen bin ich gerade wieder vom nächsten Sonnenuntergang zurückgekommen, der heute nicht so schön war. Morgen (oder vlt. heute, aufgrund der aktuellen Internetprobleme, weiß ich nicht wann der Blog online kommt) geht es dann 6:45 Uhr wieder los zum nächsten und wahrscheinlich für mich letzten Sonnenaufgang. Ich bin gespannt! Aber da frühs der Nebel meist noch unten in der Stadt ist, hoffe ich auf eine klare Sicht.

Und falls dies der Fall sein sollte, werde ich bestimmt wieder tiefe Dankbarkeit fühlen.

Wofür bist du Dankbar?

Samuel


P.S. Internet ist immer noch nicht funktionsfähig. Der Sonnenaufgang war wieder sehr schön. Nicht so schön wie der letzte, aber trotzdem ganz nett....allerdings auch bitterkalt. 

Antworten

Kanada
Reiseberichte Kanada