Veröffentlicht: 07.07.2022
So, die beiden letzten vollen Ferientage habe ich ausgiebig genossen. Gestern Morgen bin ich in Tūja aufgebrochen, mit noch unklarem Ziel. Ich wusste nur die Route, aber nicht wie weit mich die führen würde. So durchquerte ich bald einmal Riga, womit sich der erste Kreis der grossen Acht, die ich im Baltikum mache, schloss.
Anschliessend ging es der Küsten entlang hoch zum Kap Kolka. Die ganze Halbinsel war zu Sowjetzeiten Sperrgebiet. Einreisen konnte man auch als Lettländer nur mit einer Einladung eines Ansässigen und mit einem Passierschein. Die Küste war scharf bewacht und mit Stacheldraht versehen, und damit niemand aus dem Paradies der Werktätigen flüchten konnte, hatten die Sowjets auch die Fischerbode eingezogen und zerstört. So vernichteten sie gleichzeitig die Existenzgrundlage der kurländischen Fischer und das Gebiet verödete, weil die Menschen wegzogen. Entlang dieser Küste hat es viele Möglichkeiten einen Badestopp einzulegen oder gar zu übernachten. Ich entschied mich aber für die Weiterfahrt.
Kap Kolka, der Treffpunkt zweier Meere (Ostsee und Rigaer Meerbusen) ist wunderschön und ein kleiner touristischer Hotspot. Es gibt im Dorf eine nagelneue Touristinfo mit freundlichen Mitarbeitern. Ich setze meine Reise noch etwas fort und lande in Mikeltornis, auf dem Kempings Miķeļbāka (Michelsturm). Miķeļtornis ist eines der zwölf livländischen Fischerdörfer in Nordkurland. Die Liven bildeten hier in den 1930er Jahren eine kleine Gemeinschaft mit eigener Sprache, Lebensweise und Tradition. Martin, der Eigentümer führt mich ein und ich suche mir einen Platz, der mir Morgenschatten verspricht. Ein kurzer Abstecher an den Strand rundet den Tag ab. Netterweise treffe ich hier nach drei Wochen wieder einmal Schweizer. Jeannette und Dave sind auf dem Weg zurück von Skandinavien. Aber ihre Reise dauert mehrere Monate und so können sie in Ruhe noch durch Litauen und Polen Richtung Schweiz reisen. Bei einem kühlen Bier tauschen wir unsere Erfahrungen aus.
Heut habe ich mich dann entschlossen, nicht mehr weiter zu fahren, noch einmal richtig Ferien zu machen und dann morgen die dreihundert Kilometer nach Klaipeda zu absolvieren. Die Strassen sind gut und die Fähre legt erst 2200 Uhr ab. Also kein Grund zur Hetze.
Und so geniesse ich noch einmal alles, was diese Ferien ausgemacht hat: gemütliches Morgenessen mit Kefir, Früchten und Kafi, Lesen und Träumen an der baltischen Sonne, dann ein abenteuerliches Biketüürli in atemberaubender Landschaft, sowjetische Geheimnisse erforschen (das Gelände einer ehemaligen Abhörstation) und dann ein abschliessendes Bad in der Ostsee an einem phänomenalen, menschenleeren Strand. Also habe ich nochmal richtig die Seelenspeicher gefüllt für lange Winterabende. Apropos Abende: ich freue mich auf den ersten Abend mit Sternenhimmel auf der heimischen Terrasse. Nach vier Wochen mit «weissen Nächten» wird das sicher auch ein schönes Erlebnis!