Lun@ix ontour
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Eine Ode an die Deutsche Bahn...

Veröffentlicht: 22.07.2019

Laut Fahrplan gibt es alle zwei Stunden eine direkte Verbindung nach Waren an der Müritz – soweit die Theorie. Zahlreiche Whatsapp-Nachrichten unserer Freunde, die sich bereits am frühen Nachmittag Richtung Waren aufgemacht hatten, liessen allerdings nicht Gutes erahnen. Wegen einer – geplanten – im Fachjargon «Kampfmittelbeseitigung» genannten Beseitigung einer 500kg Fliegerbombe aus dem zweiten Weltkrieg war nämlich die Strecke von Berlin nach Oranienburg unterbrochen. Das Überbrückungskonzept, zuerst S-Bahn, dann Bus und dann wieder reguläre Bahn hat sich aber auch nach mehrmaliger Rekapitulation niemandem erschlossen, vor allem da offenbar die «Ersatzverbindungen» aber rein gar nicht aufeinander abgestimmt waren. So dauerte ihre laut Fahrplan vorgesehene 2-Stundenreise dann halt deren 5! Da hatten wir schon viel besser gewählt und uns für den IC um 18 Uhr entschieden, welcher sogar nur 1h 35 Minuten für die Strecke braucht. Da die Bombe unterdessen offenbar unschädlich gemacht wurde, schien einer kurzen und schmerzlosen Reise rein gar nichts mehr im Wege zu stehen. Dass der IC pünktlich eintraf und sogar genügend bequeme Sitzplätze zur Verfügung hatte, löste gar eine Welle absoluten Wohlbehagens aus und als wir nach pünktlicher Abfahrt in Berlin bald Oranienburg ohne Halt passiert hatten, drohten unsere Glücksgefühle mit uns durchzugehen. Aber nicht sehr lange! Als der Zug nämlich plötzlich mitten in der Pampa anhielt, das andere Gleis der Doppelspur in einer Baustelle abrupt endete und wir nun auf der – eigentlich befahrbaren – Spur ohne erkennbaren Grund standen, keimte ein erster, böser Verdacht auf. Alles weitere war dann nur noch grotesk. Nach etwa 10 Minuten unmotivierten Herumstehens, kam die erste Lautsprecherdurchsage, in welcher wir darüber informiert wurden, dass vor uns die Fahrleitung beschädigt sei. Wie es nun weiterginge könne man noch nicht sagen, wahrscheinlich sei aber, dass der Zug nach Berlin zurückkehre... In der nächsten Durchsage liess man verlauten, dass der Zug nun von der Stromzufuhr getrennt sei und daher die Klimaanlage nicht mehr funktioniere. Aus diesem Grund würden die Türen geöffnet, es sei aber verboten, den Zug zu verlassen. Die dritte Durchsage schliesslich, so nach etwa 30 Minuten nichts, informierte dann, dass man eine Diesellok hole, die den Zug zurückschleppe, wie lange das dauere könne man nicht sagen, es sei aber wahrscheinlich, dass es sich um mehrere Stunden handeln werde/könne aber man nichts genaues sagen könne. Die Zugsbegleiter völlig überfordert und jenseits auch nur oberflächlicher Höflichkeit, die Fahrgäste einigermassen gelassen, dafür mit gehörigem Sarkasmus. Kurz gut besetzter Zug abends um sieben mitten in der Pampa, keine verlässlichen Infos und vor allem absolut kein Plan. Wir erblickten dann die ersten Fahrgäste, die dem Würgegriff der DB entkommen und widerrechtlich den Zug verlassen hatten, sich per Pedes auf den Weg in die nächste Ortschaft zu machen. Ein Blick auf Google Maps (ja, das gute alte Smartphone) eröffnete, dass diese nur gut einen Kilometer entfernt war. Da unser Gepäck tragbar, das Wetter gut und uns das Ganze nun einfach zu blöd waren, widersetzten nun auch wir uns den offiziellen Anordnungen und wagten den Sprung in die Freiheit, respektive das etwa 1 Meter tieferliegende Schotterbett. Und als wir nach einer Weile einen letzten Blick zurück auf den havarierten Zug warfen, hatte sich eine Menschenkarawane unterschiedlichsten Alters und Bepackung auf den langen Marsch in eine hoffentlich bessere Welt gemacht. Menschen wie du und ich, die nur mal schnell mit der Deutschen Bahn nach Rostock wollten.

Was wir aber von den ausschliesslich einheimischen Mitreisenden erfahren durften, war eine einzige Welle der Solidarität. Bereits im Zug hatte uns ein Mann, der gerade mit seiner Freundin seine Abholung vereinbart hatte, angeboten uns bis Neustrelitz mitzunehmen. Liege ja sowieso auf dem Weg und schliesslich müsse man sich ja helfen. Das geschah denn auch und von dort wollten wir uns dann ein Taxi ins noch ca. 40km entfernte Waren nehmen. Wir kamen jedoch nicht einmal bis zum Bahnhofsgebäude. Kaum ausgestiegen sprach uns ein anderer Mann an und fragte ob wir auch im gestrandeten Zug gewesen seien und wo wir hinwollten. «Waren? Ach, da nehm icheuch mit!» Er wartete auf seine Frau, die ebenfalls im Zug war und von anderen Leuten nach Neustrelitz mitgenommen wurden. Sie haben uns dann schlussendlich nicht nur nach Waren, sondern vor die Haustür des ca. 5km vom Zentrum entfernten Hotels gebracht... Tolle Leute!

So kamen wir dann, nach 22 Uhr und einer 4stündigen Odyssee tatsächlich auch noch zu unserem Ziel. Die Küche natürlich längst zu und an der Hotelbar gabs nicht mal eine Packung Chips oder ähnliches.

Ich habe schon so einiges an Klagen von deutschen Freunden über die Bahn gehört und dachte bislang, dass das wahrscheinlich etwas übertrieben sei. Nun wissen wir es besser – es ist noch viel schlimmer!

Antworten (1)

Esther
Da sieht man mal wieder - auch in Europa kann man ganz bequem ein paar Grats-Abenteuer erleben! Ich sag nur „wittlefield“oder wie hiess der komische Bahnhof in Camridge?.

#db#ic#berlin#waren