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Im Norden, wohin die sterbenden Seelen ins Jenseits gehen

Veröffentlicht: 14.10.2016

Dieser Samstag sollte voller Ereignisse sein.

Endlich gutes Wetter, ein gutes Frühstück und überraschenderweise verhältnismäßig guten Schlaf im neuen Bett (auch wenn wir diese Konstruktion in den folgenden Tagen mehrmals umgebaut und verfeinert haben - wir überlegen hierzu ein Video-Tutorial anzufertigen "how to Build a Bed in under 5 Minuten in your fucking Honda".. Oder so).

An diesem Tag hatten wir auch klare Ziele: 

Cape Reinga, der nördlichste Punkt Neuseelands und der laut Beschreibung "schönste Camping der Nordinsel" ganz in der Nähe direkt am Strand - auf dem Weg dahin hatten wir eingeplant einen Abstecher zu den "Giant Sand dunes" zu machen. Bevor es in den bisher ereignisreichsten Tag ging, nutzten wir aber noch die Sonne, um das freie WLAN auf der Veranda der Hof-Besitzer zu nutzen. Und das in bester Gesellschaft:


Richtig lieb gewonnen


Schweren Herzens verabschieden wir uns von den Hunden (.. und dem WLAN) in Richtung Norden. Bis nach Cape Reinga sind es ein paar Stunden Fahrt.

Die Szenerie der grünen Hügel sollten schnell einem gänzlich anderen Bild weichen.


Subtropische Straßenzüge


Der Verlauf der Straße blieb nach wie vor interessant. Links-rechts-links und rauf und steil runter, nur diesmal Palmen soweit das Auge reicht - Neuseeland ist eben vielfältiger als gedacht. In welchem Ausmaße sollte uns nur kurze Zeit später vor Augen geführt werden!

Ein braunes Schild mit dem Schriftzug "Giant Sand Dunes" prangert relativ unspektakulär am Straßenrand, wir biegen den schmalen Weg ab. Was wir vorfinden haut uns um: "Giant" Sand Dunes war nicht übertrieben! Ganz im Gegenteil... Vor uns erstreckte sich eine schier endlose Wüste aus feinstem Sand. Aufgetürmt wie die Pyramiden in Ägypten. Davor ein kleiner seichter Fluss, dicht bewachsen mit tropischem Grün, Palmen, Farne. Dahinter sollte direkt das Meer liegen. Es lies sich nur in der Fantasie erahnen, so unreal und absurd besonders war diese Landschaft vor uns. 

Am Parkplatz ließen sich Sandboards, ähnlich wie Schlitten ausleihen. Da Thimo noch total erkältet war und mit einer Halsentzündung laborierte, wollte er nicht die 20m hohen dünnen rauf und runter klettern. Aus Solidarität verzichte auch ich, schade eigentlich - bei der Gruppe von Leuten da oben auf der Düne sieht es nach viel Spaß aus - auch wenn ein paar der Mädels gefühlt Stunden brauchen um sich zu entscheiden ob sie wirklich diese wirklich Höhe und vor allem steile Abfahrt nehmen. 

Für ein paar Fotos wollen wir aber dennoch hoch. Dafür müssen wir Schuhe ausziehen und durch den kleinen Fluss laufen. Dann wie eine endlos lange Treppe an herunter sausenden Sandboardern die erste Düne hoch - um zu bemerken WIE weitläufig der Sand ist. Wohin das Auge reicht, SAND. Das kann niemals Neuseeland sein! Das hat uns vorher niemand gesagt. Wir scherzen unter uns, dass wir falsch abgebogen und in Afrika gelandet sein müssen. 

Und als müsste es dieses Land noch auf die Spitze treiben, gehen wir de letzte Düne auch noch hoch und finden das wellen-peitschende Meer vor! Spätestens jetzt ist der Tag unvergesslich!


Man beachte die winzigen Menschen oben auf der Düne 

Ein Panorama wie am Nil

Endlose Fußspuren als stille Hinterlassenschaft der Sandboarder

Meerblick, da muss man erstmal die Brille abnehmen um das zu glauben 

Wir wären vermutlich noch viel länger geblieben, aber wir hatten eine andere Mission: zum Sonnenuntergang am Cape Reinga sein! Da, wo sich der pazifische Ozean und die tasmanischen See treffen und aufeinander stoßen - mit bloßen Auge anhand der weiß aufschäumenden Wellen vor dem dortigen Leuchtturm  zu erkennen. Außerdem das nördlichste Ende Neuseelands. Also ein garantierter Gänsehaut Moment.

Fast schaffen wir es nicht pünktlich. Viel zu oft halten wir auf dem Weg kurz an um das diesige und warme Licht der langsam sinkenden Sonne, das auf die weit entfernten Höhen und Bergen scheint, zu knipsen. Großartige Silhouetten, die auf der Kamera festgehalten wurden. 

Als wir dann grade noch rechtzeitig Cape Reinga erreichen geht die Sonne wirklich langsam unter. Es wird kälter. Aber das ist nicht der Grund für die Gänsehaut die me hier den Rücken runterläuft. 

Der Legende nach, kommen die sterbenden Maori-Seelen hierher, um in das Reich ihrer Vorfahren zurückzukehren. Uralt-wirkende Tafeln erzählen diese Geschichte in Stein gemeißelt, oben auf dem Hügel stehend, wie Grabsteine. Zur rechten, weiter unten steht der Leuchtturm, vor uns besagter "Seelen-Hügel". Thimo und ich teilen uns auf. Er macht Fotos, ich will diesen Moment irgendwie einfach nur gib vollem Umfang genießen. Mit Kopfhörern in den Ohren und entspannter Musik laufe ich den Hügel hinauf und suche mir einen ruhigen Platz. Blauer Himmel und eine Orange Sonne direkt vor mir die ins Meer versinkt. Rechts der Leuchtturm und links steile Felsen, an denen die Wellen zerschellen. Hätte man noch besser arrangieren können. In diesem Moment vermisse ich meine Freundin grade so richtig, das hätte alles getopt! Mit gemischten Gefühlen sitze ich da bis die Sonne fast ganz weg ist, dann gehe ich runter zu Thimo und zum Leuchtturm. 

Dort steht ein Wegweiser mit Himmelsrichtungen großer Städte. Man fühlt sich echt klein. Hätte nicht gedacht, dass mich mal sowas so simples dermaßen umhauen könnte. 


Man kann die Magie an diesem Ort förmlich greifen 

Wohin geht die Reise als nächstes?


Als es dunkel wird kehren wir Cape Reinga leise den Rücken zu und fahren zu unserem Camping Platz.

20 Minuten über eine holprige, unbefristete Schotterpiste, links und rechts Urwald. Stockdunkel. Kein Auto weit und breit. So fangen Horrorgeschichten an.

Nicht hier. Nicht in Neuseeland. Kurz vor dem Platz kreuzen ein paar Wildpferde (in dieser Gegend gibt es davon Dutzende die frei herumlaufen). Alexandra würde jetzt vor Freude wahrscheinlich weinen. 😌😂

Wie toll dieser Platz tatsächlich ist lässt sich in der Dunkelheit nur erahnen. Jedoch scheint der Mond hier dermaßen hell, dass man nachts Schatten wirft. Und es ist gerade mal Halbmond! Wir überlegen ob wir nicht auch nachts Sonnencreme auftragen sollen? 🌝

In dem Moment, als wir eigentlich grade drauf und dran waren schlafen zu gehen fährt ein Jeep vor. Ein Typ steigt aus, geht kurz zu einem der Plumsklos (jawohl, Plumsklos - aber wie alle Toiletten in Nu super sauber und top ausgestattet!) und kehrt zurück mit einem "How is it going guys?" Er kommt rüber zu uns gibt uns die Hand quatscht mit uns. Wir fragen woher er kommt "Brazil." Außerdem hat er ein paar Jahre auf Bali gelebt und liebt Neuseeland, wegen des surfens und dem Fischen. Er fragt ob wir Bock auf ein Bier (ist hier Mega teuer!) haben - er trinkt nicht gern allein. Wie könnten wir da nein sagen? Ernsthaft holt er das vier aus einer mit Eis bepackten Truhe heraus - obwohl es gefühlt -5 grad ist. Ich dachte er ist Brasilianer?? Während wir da so im stockdunkeln bei anderen Autos stehen  erzählt er viel von sich und seinem Leben. Sein Name ist Marcelo, 42 Jahre alt und hat seine Firma in Brasilien aufgegeben um zu reisen und ein einfacheres Leben zu führen. 42?! Der Typ sieht aus wie maxinaö 30 😳 Aus ein'gem Bier werden 2, 3. Am Ende sind es 4 und wir trinken uns warm, philosophieren vor uns auf englisch hin. Marcelo läd uns ein, ihn in seinem Haus auf Bali zu besuchen sollten wir jemals dort aufschlagen. Außerdem will er am nächsten morgen fischen gehen - er dürfen mit wenn er wollen, er will uns Tips geben wie man "on the rocks" "heeeeeaps of fish" (heaps = haufenweise, das wird in Zukunft unser neues Lieblingswort werden..) fängt. Zu seinem Wortschatz gehört neben dem langgezogenem "heeeeaps" außerdem "Allright", "bro" und "sushimi" (er will andauernd Sushi machen). Ein richtig korrekter Kerl, de Marcelo. Er sagt, es ist wichtig auf reisen die Menschen die einem begegnen kennenzulernen. Da gebe ich ihm absolut recht. Bei einer Reise geht es auch immer um die Menschen und Charaktere die man trifft. Marcelo war so einer. Außer Toast könnten wir ihm nicht viel anbieten, was uns etwas blöd vorkam. Er sagt nur: " naaah, its alllright bro. No worries!" Als es Mitternacht wird, verabschieden wir uns mit der Verabredung morgen zum fischen. 

Das Bier dient bei der Kälte als perfekter Schlummertrunk und die Begegnung mit Marcelo ist ein angemessenes Ende eines wirklich erstaunlichen Tages.

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