Veröffentlicht: 13.07.2018
Die letzten 4 Tage habe ich im Dschungel der Sierra Nevada von Santa Marta verbracht, ohne Strom, ohne Empfang und ohne jeglichen Luxus verbracht. Aber erstmal zur Erklärung der Überschrift: Ciudad heißt übersetzt Stadt und perdida verloren, zusammen also "Verlorene Stadt". (Perdida war eins der ersten spanischen Wörter, die ich gelernt habe. Estoy perdida heißt nämlich: Ich habe mich verlaufen 😊).
Die Ciudad Perdida ist eine der größten präkolimbischen Städte auf dem amerikanischen Kontinent, die zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert von den Tayrona mitten im Dschungel gebaut wurde. Nachdem die Tayrona fast vollständig von den Spaniern ausgelöscht wurden, wurde die Städte vom Urwald verschluckt. Erst 1975 würde sie von Guaqueros (Plünderer) wiederentdeckt. Nur Teile der Stadt dürfen heutzutage besichtigt werden, der Rest liegt weiter verborgen im Dschungel.
Zur Ciudad Perdida gelangt man nur zu Fuß im Rahmen einer geführten Tour. Insgesamt (hin und zurück) ca. 60 km durch den Dschungel. Am Montag ging's dann für mich mit 13 anderen Mitstreitern (aus Belgien, Brasilien, Italien, Schweiz, Frankreich, England, Irland, USA, Deutschland und Kolumbien) und unseren Guides Yonis, Hugo und Carlos los. Wir wurden zunächst 2 Stunden mit dem Jeep zum Startpunkt der Wanderung gebracht und bekamen dort noch ein leckeres Mittagessen und letzte Instruktionen. Am ersten Tag hatten wir Glück mit dem Wetter, es war bewölkt, aber trocken. Zum ersten Camp mussten wir ca. 7 km größtenteils bergauf zurücklegen. Trotz der Wolken war es unsäglich heiß und die hohe Luftfeuchtigkeit ließ uns bereits nach den ersten Meter so richtig ins Schwitzen kommen. Die Wanderung führte uns durch das Land der lokalen Bevölkerung. Hier war der Dschungel noch nicht ganz so dicht bewachsen. Früher wurden die Flächen zum Anbau von Cannabis genutzt, heute größtenteils nur noch als Weidefläche. Unsere Verpflegung wurde von Mulis zu den Camps transportiert. In unserem ersten Camp erwarteten uns bequeme und saubere Hochbetten mit Moskitonetzten, Kaltwasserduschen, ein leckeres Abendessen und ein Einblick in die Geschichte der Region. Am nächsten Morgen ging es bereits um 6 Uhr weiter, ca. 15 km meistens bergauf. Die verschwitzten Klamotten waren über Nacht nicht wirklich getrocknet, aber da man nach kurzer Zeit eh wieder übelst schwitzte, war das auch egal. Die Vegetation wurde langsam immer dichter und schließlich erreichten wir das Gebiet der indigenen Bevölkerung. Nach einem Mittagessen im Camp und einem herrlich erfrischenden Bad im Fluss besuchten wir ein Dorf der Kogui, die zu den Tayrona gehören. Mitten im Dschungel tauchten dann ein paar Hütten auf, wo sich ein Großteil der Wanderer das Fußballspiel Frankreich - Belgien anschauten. Da ein Gewitter aufzog und wir noch einen Fluss durchqueren mussten, machten wir uns aber schnell wieder auf den Weg. Trotz unserer Eile erwischte uns das Gewitter ziemlich schnell. Im strömenden Regen, bei Blitz und Donner, legten wir dann noch einen Zahn zu. Die Wege mussten wir uns mit immer größer werdenden Sturzbächen teilen. Nach nur wenigen Sekunden waren wir alle klitschnass vom Regen, nicht das uns das etwas ausgemacht hätte, wir waren ja eh schon klitschnass geschwitzt. Kurz vor unserem Camp mussten wir dann noch einen Fluß durchqueren. Da eh jeder mindestens 1 Liter Wasser in seinen Schuhen mit sich rumtrug, machten wir uns gar nicht mehr die Mühe die Schuhe auszuziehen und wateten einfach durch das fast Hüfthohe Wasser. Im Camp angekommen wurde erstmal jede erdenkliche Stelle genutzt, um die ganzen nassen Klamotten aufzuhängen (nicht das irgendwas davon am nächsten morgen trocken war). Mit leckerem Popcorn und Kaffee überbrücken wir die Zeit bis zum Abendessen. Leider gab es keine Kopfkissen in diesem Camp. Also wurde erstmal die Decke als Kopfkissen genutzt. Da es nachts aber ziemlich kühl wurde, musste man sich entscheisen: frieren oder ohne Kopfkissen schlafen? Keiner von uns schlief in der Nacht so richtig gut und um 6 Uhr ging's auch schon wieder weiter. Nach ca. 20 Minuten am Fluß entlang, kamen wir endlich zur Ciudad Perdida. Leider trennten uns noch 1200 Stufen zur Stadt. Aber der Kraftakt hatte sich wirklich gelohnt. Von oben hatte man einen grandiosen Ausblick auf die Terrassen der Ciudad Perdida, rundherum Dschungel und der ein oder andere Wasserfall. Der Abstieg war dann fast genauso anstrengend, die Tayrona mussten sehr kleine Füße gehabt haben, die Stufen waren ziemlich schmal. Weiter ging's zum letzten Camp, ca. 6 km. Dort angekommen, stürzten wir uns alle wieder in den erfrischend kühlen Fluss.
Am letzten Tag mussten wir dann ca. 17 km zum Ausgangspunkt der Wanderung zurückkehren. Am Anfang steil bergauf, am Ende nur noch bergab. Der Abstieg von der Ciudad Perdida hat meinem rechten Knie nicht so gut getan. Aber mit Marihuanasalbe, einer Massage und einem Stock als Stütze humpelte ich mich die 6 Stunden zurück. Wir alle erreichten glücklichu d vollkommen müde unser Ziel und wurden wieder zurück nach Santa Marta gebracht. Ich will gar nicht wissen, wie schlimm es in unserem Jeep gestunken haben muss.
Fazit: Der Trek war definitiv mit das Anstrengendste, was ich je gemacht habe. Zwischenzeitlich habe ich mich wirklich gefragt, was ich hier eigentlich mache? Warum habe ich so viel Geld dafür ausgegeben, um schwitzend oder im Regen durch den Dschungel zu laufen und in einfachen Camps zu schlafen? Ich habe mir einige Schrammen und blaue Flecken, etliche Moskitostiche, wunde Füße und ein schmerzendes Knie eingefangen, also für meine Verhältnisse noch harmlos.
Aber letztlich war es eine super Erfahrung, an seine Grenzen und weit darüber hinaus zu gehen. Wir waren eine super entspannte Gruppe und sind zu einer kleinen Familie zusammen gewachsen. Bekanntlich ist ja der Weg das Ziel, so auch hier. Die Ciudad Perdida ist traumhaft schön, aber das eigentliche Abenteuer war der Weg dorthin.
Eigentlich waren wir am Abend alle sehr müde, haben uns aber noch mit den Guides und der ganzen Truppe in der Bar La Brisca Loca getroffen. Keine Ahnung woher wir noch die Energie genommen haben, aber wir haben die Nacht durchgetanzt und gefeiert.
Jetzt brauche ich erstmal Urlaub vom Urlaub. Heute wird nur am Pool gechillt, Wäsche gewaschen (dringend!!!) und die nächsten Tage geplant.