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Im Nordosten Indiens

Veröffentlicht: 17.02.2017

Von Myanmar aus flogen wir nach Kalkutta. Die 4.5-Millionen-Metropole bot einen Crash-Einstieg in Land und Leute. Es war ohrenbetäubend laut vom ständigen Hupen und gleichzeitig wunderbar farbig. Armut und prekäre Lebensumstände waren plötzlich offensichtlich und der Unterschied zwischen arm und reich enorm.

Auch mitten in der Stadt liegt weltstädtischer Charme in weiter Ferne. Man wähnt sich eher in einem Dorf. Der Nahverkehr wird durch zweiräderige Wagen sichergestellt, die die Fahrer von Hand und barfuss ziehen. Am Morgen waschen die Leute sich und ihre Wäsche an den öffentlichen Wasserstellen. An allen Strassenecken sind Teestände aufgebaut, die auch Frühstück feilbieten (Bestseller ist Puri Sabji, ein leckeres Kartoffelcurry mit frittiertem Fladenbrot). Den ganzen Tag über kann man überall feinen, süssen Chai aus Einweg-Ton-Bechern trinken. Am Abend schliesslich säumen Openair-Barbiere die Strassenzüge und die Kreuzungen werden gerne mal gesperrt, um dem Nationalspiel Cricket zu frönen.

Auf der Strasse stechen einem sofort die tausenden gelben Oldtimer-Taxis ins Auge. Allesamt sind sie sogenannte Ambassadors der Marke Hindustan - ein Fahrzeug, dass seit 1958 wohl weitgehend unverändert gebaut wurde, bis die Fabrik 2014 Konkurs ging. Viele der Taxis scheinen Jahrzehnte alt. In den Hinterhöfen der Stadt wird man Zeuge von abenteuerlichen Karosserie-Reparaturen. Unser Taxi vom Flughafen lag bis in die Stadt ganze 3 Mal ab.

In Kalkutta besuchten wir den Marmor-Palast und das Mutter-Theresa-Haus, wo sie begraben liegt. Wir konnten es kaum erwarten, zum Sundarban-Reservat auf zu brechen. Dieses Schutzgebiet für bengalische Tiger liegt nur etwa 4 Stunden von Kalkutta entfernt. Die weltgrösste Population soll auf diesen Mangroveninseln am Rand des Golfs der Bengalen leben. Am Abend machten wir uns auf zu einer Nachtsafari und sahen eines der schönsten Naturschauspiele unseres Lebens: Im Wasser leben haufenweise Panzergeissler-Bakterien. Bei Bewegung des Wassers, z. B. beim Rudern oder Wasser spritzen, leuchten sie als kleine Punkte auf. Es war schlichtweg magisch. Leider war es unmöglich, dieses Schauspiel zu fotografieren.

Am nächsten Tag begaben wir uns auf einem Schiff auf Tigerjagd. Das Wetter war nass und neblig. Zwischendurch konnten wir bei Aussichtstürmen anlegen. Leider bekamen wir keinen Tiger zu Gesicht, dafür wurden wir mit haufenweise Eisvögeln belohnt. Die Einheimischen begeben sich verbotenerweise immer wieder zum Fischen in die inneren Bereiche des Reservats. Alleine dieses Jahr sollen schon vier Leute von Tigern getötet worden sein.

Danach fuhren wir mit dem Nachtzug möglichst weit Richtung Norden. Hier im bergigen Sikkim ist Indien viel weniger dicht bevölkert. Exil-Tibeter machen einen Grossteil der Bevölkerung in diesem Hochgebirgsland aus und sorgen für eine interessante kulinarische Abwechslung. Um in die Hauptstadt Gangtok zu kommen, mussten wir uns einen Jeep-Platz ergattern. Wegen den Strassenverhältnissen und den Steigungen basiert der ÖV hier auf Tata-Jeeps. Auf alle 3 Bänke kommen mindestens 4 Leute plus Kinder. Wie Sardinen holperten wir bergwärts - unsere Hinterteile waren einfach zu breit. :-) Wir brauchten eine spezielle Bewilligung für Sikkim, die wir aber direkt am Checkpoint beim Hineinfahren lösen konnten.

In Gangtok kamen wir bei einem herzigen tibetischen Grossmütterchen unter, das fabelhafte tibetische Gerichte (Momos!) zaubern konnte und uns als ihre einzigen Gäste liebevoll umsorgte. Die Stadt liegt auf 1800m. Die Nähe zum Himalaya sorgte v. a. in der Nacht für frische Temperaturen, denn die Leute hier kennen keine Heizungen. Dafür hatte man fabelhafte Aussicht auf den dritthöchsten Berg der Welt (Kangchenjunga, 8586 m). Ausserdem hatte es einen riesigen Zoo mit allerlei Himalaya-Getier - sogar rote Pandas.

Ebenfalls per Jeep gelangten wir auf den Berg mit dem Rumtek-Kloster, dem Zentrum des Schwarzhut-Buddhismus. Dies ist eine tibetisch-buddhistische Sekte, die sich bereits vor Jahrhunderten abgespalten hat. Die Führung des Klosters geht immer von einem Oberhaupt (dem Karmapa) auf das nächste über. Aktuell erheben aber zwei aus dem Tibet geflüchteten Mönche Anspruch auf die Führung. Die indische Regierung lässt keinen der beiden ins Kloster einziehen, um diplomatische Spannungen mit China zu vermeiden. Wegen diesem Karmapa-Konflikt ist das Kloster, obwohl ein friedlicher Ort, von Militärs umstellt.

Wir wollten die Berge noch etwas zum Wandern nutzen und begaben uns weiter nördlich nach Yuksom. Von hier aus konnten wir eine Tageswanderung über Bergklöster machen. Das Erdbeben 2015 in Nepal hatte auch Sikkim stark getroffen. In diesem abgelegeren Teil Sikkims sind die Erdbebenschäden massiv. Überall werden Strassen gebaggert und neue Brücken erstellt. Auch beim Wandern mussten wir immer wieder Umwege machen. Beim einen Bergkloster fehlte gar eine ganze Seitenwand.

Danach begaben wir uns aus Sikkim in das bekannte Tee-Dorf Darjeeling. Hier waren die Temperaturen sogar noch tiefer. Zum Glück bekamen wir im Hotel jeden Abend eine heisse Bettflasche. Der Schwarztee von hier ist derart gut, dass sogar wir Abstinenzler allmählich zu Fans wurden. Eigentlich hätte auch dieser Ort monumentale Aussicht auf den Himalaya zu bieten, aber während allen Tagen verdeckte ein dunstiger, dichter Nebel alle Gipfel. Kein Problem, das Städtchen war auch sonst gemütlich und hatte einiges zu bieten. Zurück ins Tal fuhren wir auf der Strecke des Darjeeling-Toytrains, einer uralten Eisenbahnstrecke aus der englischen Kolonialzeit. Für die 86 km braucht der Zug ganze 8 Stunden und verliert mehr als 2000 Höhenmeter.

Mit dem Zug fuhren wir weiter nach Varanasi. Die Stadt am Ganges ist eine der wichtigsten Pilgerorte für Hindus. An den sogenannten Ghats, den heiligen Badestellen, nehmen jeden Tag tausende Leute rituelle Bäder im Ganges. Die Hindus glauben, dem Zyklus der Wiedergeburt zu entkommen, wenn sie in Varanasi sterben und am Ganges verbrannt werden. Einige wenige Ghats sind speziell dafür vorgesehen. Am grössten Verbrennungs-Ghat werden pro Tag bis zu 200 Leute kremiert. So kommt es denn, dass man in den engen Gassen immer wieder mal für Trauerzüge zur Seite treten muss.

Man erhält ziemlich unmittelbar Einblick in dieses Ritual. Die Körper sind in Tüchern verhüllt und es wird ausschliesslich eine ölige Holzart verwendet, sodass kein unangenehmer Geruch entsteht. Nur ein Knochen bleibt jeweils übrig, den der älteste Sohn in den Ganges werfen muss. Man erhält den Eindruck, dass das Ritual für die Angehörigen mehr Erlösung als Trauer ist. Es scheint dem Karma auch zuträglich, die vielen Kühe in der Stadt mit Biscuits und dergleichen zu füttern, sodass diese heiligen Tiere allesamt wohlgenährt sind. Es ist spannend mitanzusehen, mit welcher Farbenpracht und Überschwänglichkeit Hindus ihre Zeremonien begehen. Es spritzt Wasser und Milch, Blütenblätter fliegen durch die Luft und alles fackelt, räuchert und ist laut.

Jetzt geht’s erstmal auf nach Bhutan!

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