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Uyuni, La Paz, vorläufiges Ende

Veröffentlicht: 08.06.2023

Die Busfahrt aus der Atacama-Wüste heraus nach Bolivien gehörte mal wieder zu den anstrengenderen Fahrten, obwohl es keine Nachtbusfahrt war. In den Bussen kann man die Rückenlehnen in der Regel sehr weit nach hinten neigen, um besser schlafen zu können. Das Problem ist natürlich, vor allem tagsüber, dass man sich mit den dahinter sitzenden Personen einig sein muss. Bei dieser Fahrt setzten sich irgendwann zwei sehr müde junge Männer vor uns, die ihre Rückenlehnen so weit nach hinten stellten, dass wir kaum noch Platz hatten. Wir wollten eigentlich aufrecht sitzen, und die Kompromisslösung, dass wir alle unsere Lehnen nur etwas nach hinten bewegen, wurde von den übernächtigten ignoranten Personen vor uns nur sehr eingeschränkt umgesetzt. Man muss dazusagen, dass wir unser Handgepäck immer mit auf den Sitzen haben und dass natürlich auch deswegen weniger Platz für uns bleibt, aber man liest wirklich oft, dass man in den Bussen das Handgepäck zum Schutz vor Diebstahl eben nicht in den Ablagefächern über den Sitzen verstauen sollte. Nur die verschlafenen egoistischen Personen vor uns hatten davon anscheinend noch nichts gehört, und jedes Mal, wenn wir wieder in den Bus eingestiegen waren, mussten wir die Sitzpositionen erneut diskutieren. Wir mussten tatsächlich mehrmals ein- und aussteigen, weil wir ja über die bolivianische Grenze gefahren sind. Im Gegensatz zum letzten, vergleichsweise komfortablen Grenzübergang nach Chile mussten wir diesmal unser Gepäck selbst mit nach draußen nehmen und dort lange warten. Bis wir über die Grenze waren, hat es über zwei Stunden gedauert. In Bolivien war dann beim Reisekomfort direkt ein weiterer deutlicher Sprung nach unten zu bemerken. Die Straße, auf der wir wahrscheinlich fuhren, war nicht mehr als Straße zu erkennen, denn zum Einen war sie nicht mehr asphaltiert und außerdem war so viel Staub in der Luft, dass man oft kaum noch etwas sehen konnte. Alles hat gewackelt, und jemand musste ein Fenster zu den richtigen Zeitpunkten öffnen und schließen, damit die Luft im Bus halbwegs sauber blieb.

So kamen wir schließlich etwas ausgelaugt in Uyuni an und liefen zu Fuß mit unserem verstaubten Gepäck durch die kleine Stadt zu unserer Unterkunft. Uyuni liegt auf über 3600 m Höhe und damit zwar niedriger als die Ziele mancher unserer Tagesausflüge in der Atacama-Wüste, bei denen wir uns schrittweise in der Höhe gesteigert hatten, aber höher als San Pedro de Atacama, wo wir uns die meiste Zeit aufgehalten hatten. Damit machten wir jetzt also einen sinnvollen weiteren Schritt, um längere Zeit in größerer Höhe klarzukommen. In großer Höhe sind schließlich nicht nur Sebastians morgendlicher Sonnengruß und auch einfachere Bewegungen auf einmal viel anstrengender, sondern nach einigen Stunden Aufenthalt können sich auch Symptome der Höhenkrankheit einstellen, die dann zwar meistens wieder abklingen, ganz selten aber auch lebensgefährlich sein können, und man kann vorher nicht sagen, wie stark man selbst betroffen sein wird. Wir waren inzwischen aber schon ganz gut an höhere Lagen gewöhnt, hatten einige Zeit nach der Ankunft in Uyuni zum Glück nur vor allem Kopfschmerzen, die wir mit Ibuprofen ganz gut in den Griff bekommen haben, und haben es am Ankunftstag erst mal ganz langsam angehen lassen.

Wir haben Uyuni als unsere nächste Station gewählt, weil der benachbarte Salar de Uyuni, die größte Salzpfanne der Welt, die wohl beeindruckendste touristische Attraktion Boliviens ist. Viele Touristen suchen sich jedoch keine Bleibe in dieser Stadt (die eigentlich auch nicht viel hergibt), sondern nehmen an einer mehrtägigen organisierten Kleingruppen-Tour durch den Salar und angrenzende Gebiete teil, die in Uyuni oder auch schon in San Pedro de Atacama beginnt und (wieder) in Uyuni endet, wovon aus man dann zur nächsten Station reist. Wir haben uns aus mehreren Gründen gegen eine solche Tour entschieden: Wenn man erstens währenddessen unter der am Anfang unberechenbaren Höhenkrankheit leidet, dann muss man entweder trotzdem alles im vorgegebenen Tempo durchziehen, während es einem schlecht geht, oder man bricht die Tour ab und versaut sie damit den anderen Teilnehmenden zumindest teilweise. Für uns wäre das eine Horrorvorstellung gewesen. Dazu kommt, dass die nächtlichen Unterkünfte kalt und oft nur sehr mäßig ausgestattet sind, und genügend Schlafkomfort wollen wir uns mit Ausnahme der Nachtbusfahrten dann doch immer leisten. Außerdem wären wir in dieser Gegend möglicherweise mehrere Tage hintereinander nicht auf dem Handy erreichbar gewesen, und gerade jetzt wäre das bezüglich Neuigkeiten von Judiths Vater natürlich auf keinen Fall das gewesen, was wir wollten. Ein letzter Punkt ist, dass Sebastians MS-Medikamentvorräte nach Möglichkeit ununterbrochen kühl gehalten werden müssen - da hätte also eine Lösung gefunden werden müssen, erst recht wenn es keine Rundreise gewesen wäre. Das alles war uns eine mehrtägige Tour nicht wert, zumal es auch eintägige Touren in den Salar gibt, bei denen man alles Wichtige sieht, und die mehrtägigen Touren zusätzlich nur noch in Landschaften führen, die wir so ähnlich sowieso schon auf den eintägigen Touren von San Pedro de Atacama aus gesehen hatten.

Wir hatten uns also entschlossen, in Uyuni einen Tagesausflug in den Salar de Uyuni zu buchen, doch auch dabei sollte man etwas vorsichtig sein. In dieser kleinen Stadt gibt es Dutzende Tourenanbieter, und auf den Touren kommt es immer wieder zu schweren Unfällen, zum Beispiel wegen schlecht gewarteter Fahrzeuge. Den ersten vollen Tag in Uyuni nahmen wir uns daher Zeit, um einen gut bewerteten Anbieter zu suchen (wir entschieden uns für Salty Desert Aventours) und dort für den nächsten Tag zu buchen. Dann wollten wir noch einen Bus zu unserer nächsten Station suchen und buchen, was auch gar nicht so einfach war. Zunächst hatten wir auch hier Sicherheitsbedenken. Überall in Südamerika gibt es bessere und schlechtere Busgesellschaften, aber Bolivien scheint da noch ein anderes Pflaster zu sein als unsere bisherigen Länder. Das deutsche Auswärtige Amt mahnt, dass man nur mit "bekannten Busgesellschaften" fahren solle, welche das auch immer sind. Vor einiger Zeit wurde hier ein Gesetz erlassen, das Busfahrern verbietet auf der Arbeit Alkohol zu trinken; weil die Busfahrer dann aber gestreikt haben, wurde es wieder zurückgenommen. Und wenn man "bus accidents bolivia" googelt, möchte man am liebsten ganz wegfliegen. Wir suchten also nach guten Busgesellschaften und mussten feststellen, dass keine davon dorthin fuhr, wo wir als Nächstes hin wollten - nämlich nach Potosí, das sich als Zwischenstation auf dem Weg nach Sucre anbot, von wo aus wir schließlich weiter nach La Paz wollten. Wir überlegten nun aber auch, dass es angesichts des Zustands von Judiths Vater besser wäre, gegebenenfalls schnell nach Hause fliegen zu können. Schließlich änderten wir unsere Pläne und buchten bei einer sehr gut bewerteten Busgesellschaft (Todo Turismo), bei der es nur Nachtfahrten gab, eine Fahrt nach La Paz direkt im Anschluss an unsere Tour in den Salar de Uyuni am nächsten Tag. Außerdem verkürzten wir die ursprüngliche Buchung bei unserer Unterkunft um eine Nacht - der Besitzer schien sich beim Check-In sowieso schon gewundert zu haben, dass wir ganze drei Nächte in dieser Stadt bleiben wollten.

Ansonsten gingen wir an diesem reinen Orga-Tag nur noch weiter durch Uyuni und erledigten Dinge. Wir kauften noch eine bolivianische SIM-Karte für 10 Euro und eine neue Hautcreme vor allem für Sebastians trockene Haut, die in der Höhe noch trockener ist (die gute alte Nivea Soft Creme haben wir bisher überall auf der Welt gefunden). In Uyuni konnten wir nicht überall mit Karte zahlen, aber manchmal doch, und die landestypische Eigenschaft bolivianischer Kartenzahlungsterminals scheint zu sein, dass bei Touchscreens die Ziffern zur PIN-Eingabe jedes Mal scheinbar zufällig angeordnet sind. Ein sinnvolles Vorgehen, weil PIN-Eingaben auf Touchscreens wegen der zurückbleibenden Fingerabdrücke immer problematisch sind, aber es hat im ersten Moment etwas schockiert, weil der Automatismus, immer auf die Tasten an den gleichen Positionen zu drücken, plötzlich nicht mehr funktioniert. Uyuni ist wirklich keine schöne Stadt, aber es war trotzdem interessant, weitere Unterschiede zu den bisherigen, reicheren Ländern festzustellen. So haben wir nirgendwo eine Ampel gesehen und fanden es noch schwieriger als woanders, über eine Kreuzung zu kommen. Straßenverkehrsprobleme werden hier eher durch vorbeugenden Gebauch der Hupe umgangen oder sie werden halt nicht umgangen. Und hatten wir in Argentinien und Chile noch vergeblich nach Streetfood gesucht, so sahen (und rochen) wir hier immer wieder am Straßenrand aufgestellte Grills, auf denen Tonnen von Fleisch zubereitet wurden. Das wirkte jedoch tatsächlich nicht sehr appetitlich, und aus hygienischen Gründen wird auch von solchen Ständen abgeraten. Stattdessen gingen wir an jenem Abend noch in ein für Uyuni erstaunliches, hippes Restaurant, in dem wir ein sehr empfehlenswertes 5-Gänge-Überraschungsmenü für wenig Geld zu uns nahmen, das traditionelles bolivianisches Essen neu interpretieren sollte. Dieses Essen war lecker und gesund, und in bolivianischen Städten ist es vielleicht allgemein eher so, dass man ganz gut gesund essen kann, wenn man will. Zur Landeskunde sei abschließend noch erwähnt, dass die Klobrillen in Bolivien oft aus Gummi sind und, wenn man sich draufsetzt, manchmal ein lustiges Geräusch machen.

Am nächsten Tag stand die Tagestour in den Salar de Uyuni an, die unsere hohen Erwartungen sogar noch übertraf. Wir verbrachten den Ausflugstag mit einem in Australien lebenden Südafrikaner und einem kolumbianischen Paar, die alle sehr nett waren und mit denen wir viel Spaß hatten. Unser Guide (gleichzeitig Fahrer) brachte unsere multikontinentale Reisegruppe in einem Jeep an verschiedene Stationen: Zuerst, noch in Uyuni, zur einzigen Sehenswürdigkeit der Stadt, nämlich dem Eisenbahnfriedhof, in dem man auf alte Waggons klettern und sich vor Tier- und Transformers-Statuen aus Schrott fotografieren lassen kann. An der nächsten Station wurden wir durch einen Betrieb geführt, der Salz aus dem Salar verarbeitet, wo wir zum Beispiel etwas über den Schichtenaufbau dieses Salzes erfuhren und eine Salz-Zermahlmaschine und Salzskulpturen sahen. Wir mussten hier etwas lange auf den Guide warten, bevor es weiterging, weil wir wahrscheinlich noch Salz-Andenken im Shop hätten kaufen sollen. Dann ging es zum nächsten Zwischenstopp an den Ojos del Salar. Diesen Begriff kannten wir schon aus der Atacama-Wüste und auch hier handelte es sich um mehrere Öffnungen in der Salzkruste, durch die man Wasser sehen konnte. Im Gegensatz zu den anderen Ojos del Salar sprudelte das Wasser etwas und es war kein Süßwasser, das von weiter unten hervorgekommen war, sondern die direkt unter der Salzkruste vorkommende Sole.

Danach fuhren wir immer weiter in den Salar hinein. Bald erstreckte sich bis zum Horizont eine durchgehend blendend weiße Salzfläche, auf der nur noch Spuren zu erkennen waren, wo schon viele Autos langgefahren waren. Ansonsten orientierte sich der Fahrer hauptsächlich an den Hügeln und Inseln am Horizont. Ohne unsere Sonnenbrillen hätten wir nicht mehr herausgucken können. Der Fahrer fragte unterwegs, ob jemand Musik auf dem Handy hätte, was aber nicht der Fall war. Er ging dann an sein eigenes Handy und ließ dabei das Lenkrad einfach für längere Zeit los, denn schließlich gab es keine Straße, von der man hätte abkommen können. Tatsächlich haben wir uns während der Fahrt nie unsicher gefühlt. Es waren zwar viele Jeeps der zahlreichen Touranbieter gleichzeitig in der Wüste unterwegs, offenbar waren alle aber gut koordiniert und haben sich gleichmäßig verteilt. Während wir begleitet von der beschwingten Popmusik des Fahrers und eingestreuten Werbespots für Spotify Premium über die leere Salzebene fuhren, fragten wir uns, wie schnell wir wohl wären, denn auf der Ebene gab es überhaupt keine Bezugspunkte und der Tacho unseres Autos stand die ganze Zeit auf Null (das war definitiv falsch). Mit dem Handy konnten wir dann aber eine Geschwindigkeit von knapp unter 120 km/h bestimmen. Sogar die Rallye Dakar fand vor einigen Jahren in der Salar de Uyuni statt, woran ein Denkmal an unserem nächsten Stopp erinnerte. Hinter dem Denkmal stand ein ehemaliges Salzhotel, in dem also die Wände aus Salz bestehen, wo es für uns Mittagessen gab. Nach dem Essen fuhren wir zur Isla Incahuasi, einer der Inseln in der Wüste (bzw. im ausgetrockneten Salzsee, aus dem der Salar entstanden ist). Die Insel besteht aus einem Hügel mit vielen hohen Kakteen, von dem aus man tolle Ausblicke auf die Salzebene hat. Wir sind auf den Gipfel mit 360°-Aussicht hochgeklettert, wobei wir anders als bei uns bekannten Gebirgswanderungen darauf achten mussten, nicht zu versuchen uns an Bäumen festzuhalten, denn die Bäume waren ja in diesem Fall Kakteen. Hierfür war gut, dass wir unsere Wanderschuhe angezogen hatten. Wir hatten genug Zeit, um auch wieder pünktlich runterzukommen, und so konnten wir weiterfahren und unseren nächsten Plan verfolgen, nämlich möglichst originelle Fotos voneinander zu machen. Das ist im Salar de Uyuni allseits beliebt und auf viele verschiedene Arten möglich: Je nach Jahreszeit macht man, wenn die Salzebene in der Regenzeit großflächig mit Wasser bedeckt ist, Fotos mit Spiegelungseffekten, und wenn die Salzebene trocken ist, Fotos mit Perspektiveffekten. Wir waren genau zur richtigen Jahreszeit unterwegs, denn das Wasser von der letzten Regenzeit im März war noch nicht komplett verdunstet und hatte sich durch Wind und Gefälle in eine Ecke der Salzebene verzogen, sodass wir alle Möglichkeiten nutzen konnten, je nachdem in welche Ecke wir fuhren.

So fuhren wir als Erstes zu irgendeinem trockenen Punkt in der Salzebene, bei dem nichts anderes in der Nähe war. Dort konnten wir lustige Fotos und Videos machen, die mit der Perspektive spielen, indem sie ausnutzen, dass man wegen der fehlenden landschaftlichen Bezugspunkte hinterher auf den 2D-Bildern keine Entfernungen einschätzen kann. Auf diese Weise kann man Personen und Gegenstände einfach scheinbar vergrößern und verkleinern. Oft arbeitet man hier mit Dinosaurier-Figuren, die genau zu diesem Zweck in Shops in der Umgebung käuflich zu erwerben sind. Unser Guide hatte aber eine Wein- und jemand anderes aus unserer Gruppe eine Bierflasche dabei, die wir dann im Vordergrund unserer Fotos positionierten. Unsere eigenen mitgebrachten Gadgets (übrige Trinkbecher aus La Serena und Judiths Asthmaspray) mussten so nicht zum Einsatz kommen. Zum Schluss hat der Guide noch ein Zeitraffer-Video gemacht, während er mit seinem Auto mehrmals um uns herumgefahren ist und wir, nebeneinander stehend, auf Zuruf verschiedene vorher abgesprochene Körperhaltungen einnahmen. Uno, dos, tres... Diese Reihenfolge blieb immer gleich - zum Glück, denn Sebastian, der durch das schnelle Erlernen neuer Bewegungen naturgemäß stark gefordert ist, hat da in manchem Sportkurs schon wesentlich fiesere Aufgabenstellungen erlebt. Das Video, das am Ende dabei herauskam, sah tatsächlich ziemlich cool aus.

Danach fuhren wir in den mit Wasser bedeckten Teil der Wüste und zogen Gummistiefel an, die der Guide für uns mitgenommen hatte. Nun sahen wir bis zum Horizont eine riesige Wasserfläche und konnten alle möglichen Spiegelungen bewundern und fotografieren: Spiegelungen von uns selbst, voneinander, von den zahlreichen Teilnehmenden und Autos anderer Reisegruppen und von der Sonne, die nun, als wäre das alles noch nicht eindrucksvoll genug, unterging und langsam mit der Wasserfläche verschmolz. Also mal wieder eine atemberaubende Kulisse, die natürlich auch die Einnahme des ein oder anderen dazu passenden Getränks erforderte. Und so war die Zeit gekommen, da unsere mitgebrachten Wein- und Bierflaschen ihren zweiten, finalen Zweck erfüllen sollten - und wir beide unseren prophylaktischen Alkoholverzicht für größere Höhenlagen über Bord warfen.

Diesen rundum gelungenen Tag im Salar de Uyuni werden wir so schnell nicht vergessen. Als wir wieder in Uyuni ankamen, war wurde es auch schon bald Zeit für die Weiterfahrt nach La Paz. Unser Gepäck hatten wir am Vormittag beim Anbieter der Salar-Tour untergebracht, sodass wir von dort direkt zur Busgesellschaft Todo Turismo gehen konnten. Wir waren gespannt auf die Nachtfahrt, weil die Bewertungen ja so gut waren. Wie wir schnell merkten, hat dieses Unternehmen wohl explizit als Marktlücke erkannt, Touristen in diesem weniger sicheren und komfortablen Land trotzdem einen hohen Reisekomfort zu ermöglichen (und es hat dabei vielleicht etwas übertrieben). Anstatt wie sonst darauf zu setzen, dass unterwegs zwischendurch irgendwelche Leute einsteigen und belegte Brötchen oder Süßigkeiten verkaufen, spendierte man uns gleich zu Anfang warmes Essen wie im Flugzeug, das wohl noch im Büro in Uyuni zubereitet worden war. Und das war definitiv leckerer als im Flugzeug. Die meditative Panflötenmusik, die in den ersten Minuten der Fahrt vor dem Hintergrund der klappernden Straßengeräusche abgespielt wurde, führte dagegen zu einer eher kuriosen Geräuschkulisse. Die Straße in Richtung La Paz war zwar asphaltiert, aber glatter Straßenbelag ist was anderes. So war dies trotz aller Bemühungen auch nicht die beste Nachtbusfahrt unserer bisherigen Reise, weil irgendwelche Teile im Bus ständig ratterten und zudem die ganze Zeit die blaue Innenbeleuchtung eingeschaltet war. Dementsprechend mussten wir uns im Hotel in La Paz erst mal wieder erholen, nachdem wir, zum Glück recht früh, unser Zimmer beziehen konnten.

La Paz ist weder konstitutionelle Hauptstadt noch größte Stadt Boliviens, aber der höchstgelegene Regierungssitz der Welt. Wir befanden uns immer noch auf etwa 3600 m Höhe. Seit Uyuni waren wir auf dem Altiplano unterwegs, einer großen Hochebene in den Anden, die bis nach Peru reicht. Genauer gesagt liegt La Paz in einem "nur" 400 m tiefen Tal im Altiplano, und außerhalb dieses Tals liegt die inzwischen größere (und unsicherere) Nachbarstadt El Alto, die früher zu La Paz gehörte. Die großen Höhenunterschiede innerhalb dieses Ballungsraums bescheren immer wieder spektakuläre Ausblicke. Als wichtiges Nahverkehrsmittel gibt es in diesen beiden Städten seit ein paar Jahren statt etwa einer U-Bahn ein Seilbahn-System mit mehreren Stationen und Linien, das man natürlich auch super nutzen kann, um verschiedene Ansichten vom Tal und den Hügeln in der Umgebung zu bekommen. In den Seilbahn-Stationen und Gondeln haben wir zum ersten Mal eine Maskenpflicht erlebt, die vom Personal auch tatsächlich nach wie vor durchgesetzt wurde. Wir können hier nur Vermutungen anstellen - vielleicht setzt man hier immer noch eher auf solche Mittel, um die Gefahren von Covid zu verringern, denn das bolivianische Gesundheitssystem ist bestimmt vergleichsweise schlecht. Wir selbst fanden die Maskenpflicht zu Pandemie-Zeiten immer sehr sinnvoll und haben uns eher über Leute aufgeregt, die sich nicht daran halten wollten. Diesmal jedoch wurde uns zur Einhaltung der Regel auch viel Einsatz abverlangt, denn das Luftholen war ja auf dieser Höhe sowieso schwieriger, zumal wir in den Stationen auch noch Treppen steigen mussten, und leider hatten wir nur FFP2-Masken im Gepäck, obwohl die von den meisten anderen getragenen Einwegmasken hier die bessere Wahl gewesen wären. Ansonsten herrschte in den Seilbahn-Gondeln verglichen mit einem Bahnwaggon eine familiäre Atmosphäre, weil auch nur jeweils acht Leute Platz fanden, und wer zustieg, hat die anderen freundlich gegrüßt.

Am ersten Tag in La Paz brauchten wir aber erst mal noch keine Seilbahn, um einen schönen Ausblick zu genießen. Wir hatten uns wie immer eine sichere Gegend zum Übernachten ausgesucht (das Viertel Sopocachi), und beim Erkunden dieser Gegend am ersten Abend fanden wir ganz in der Nähe den kleinen Park Montículo, der einen weiten Blick über das Tal ermöglichte und im Reiseführer auch als sehenswert hervorgehoben wurde. Zurück im Hotelzimmer haben wir dann noch unser Hotelfrühstück für den nächsten Tag organisiert. Wir haben abends beide eine WhatsApp-Nachricht mit einem Link bekommen, unter dem wir auswählen konnten, wann und was wir frühstücken wollten. Es waren ein paar leckere Optionen dabei, das Problem war nur, dass Sebastian nicht die gleiche Zeit auswählen konnte wie Judith, wahrscheinlich weil es dann schon zu viele Anmeldungen für diesen Termin gab. War das Sinn der Sache? Egal, nachdem wir ihnen bei WhatsApp geschrieben haben, haben sie uns auch zusammen frühstücken lassen.

Am nächsten Tag wurde dann leider klar, dass Judiths Vater nur noch wenige Tage zu leben hatte. Daher buchten wir sofort für die nächste Nacht einen Flug nach Hause. Diesen letzten Tag verbrachten wir dann nur noch damit, Seilbahn zu fahren, über die bunten Märkte im Zentrum zu schlendern und Andenken und Mitbringsel zu kaufen. Das Hotel organisierte uns ein Taxi zum Flughafen. Inzwischen waren wir ja nicht mehr so abseits von allem wie in der Wüste, aber wie sich herausstellte, konnte man vom Flughafen La Paz/El Alto den Kontinent nicht per Direktflug verlassen. Insgesamt flogen wir dann über Lima und Amsterdam nach Zürich. Eigentlich wollten wir ja so wenig fliegen wie möglich und dann auch nur direkt, aber in dieser besonderen Situation ging es nicht anders. Noch während wir in La Paz/El Alto eincheckten, erreichte uns die Nachricht, dass Judiths Vater nun gestorben war. Über 30 Stunden später waren wir dann zu Hause.

Seitdem sind wir bei Judiths Mutter in Villingen im Schwarzwald und beteiligen uns bei allem, was hier jetzt so anfällt. Außerdem haben wir weiter geplant, wie wir unsere verbleibende Auszeit bis Ende September füllen wollen. Nach Südamerika wollen wir dieses Jahr nicht noch einmal, dafür haben wir unseren geplanten USA-Aufenthalt auf die durch die Visa-Bestimmungen vorgegebene Maximalzeit von 90 Tagen verlängert und wollen nun von Seattle aus an der Westküste entlang und dann an die Ostküste fahren. Ende Juni geht es los, und vorher fahren wir wahrscheinlich mit dem Wohnmobil in die Provence. Außerdem ist genug Zeit, um einen neuen Objektivdeckel zu bestellen, denn in der Atacama-Wüste hatte Judith wieder einen verloren.

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