Veröffentlicht: 20.05.2023
Unsere Reise führte uns nun von der Region Valparaíso in die nördlich angrenzende Region Coquimbo. Da Chile so schmal ist wie eine Chili (was aber laut einem unserer Guides ausdrücklich nichts mit dem Namen zu tun hat), liegen die 16 Regionen meistens wie Scheiben einer Chilischote genau übereinander. Unsere nächste Station La Serena und die Regionshauptstadt Coquimbo sind etwa gleich große benachbarte Küstenstädte, von denen La Serena die schönere ist. In der Stadt selbst gab es nicht viel zu tun, aber von dort aus werden Touren zu den Highlights der Umgebung angeboten und sie bot sich als Zwischenstation an, um nicht so eine lange Fahrt Richtung Norden zu haben.
Das von uns ausgesuchte Boutique-Hotel hatte nettes Personal, eine liebevolle Einrichtung und einen riesigen Innenhof, es gab nur ein paar Startschwierigkeiten: Die Klospülung ging erst, nachdem jemand das Wasser angestellt hatte, und der Safe funktionierte gar nicht, weil offenbar ein Schlüssel verlorengegangen war. Die Stadt gehört zu den sichereren Orten Chiles, aber wir wollten unsere gerade nicht benötigten Karten und Dokumente dann doch lieber mit einem der beiden Zahlen-Vorhängeschlösser, die wir uns zu Hause geliehen hatten, in Judiths kleinerem Rucksack einschließen. Dass wir den Code des einen Schlosses damals festgelegt und nicht aufgeschrieben hatten, während wir auf unserer Abschiedsparty unsere Alkoholvorräte vernichteten, hat sich dabei im Nachhinein als keine gute Idee herausgestellt. Das andere Schloss konnten wir aber benutzen, denn da klebte der richtige Code noch drauf. Das Frühstücksbuffet im Hotel war sehr reichhaltig, es hat uns aber jeden Tag vor Herausforderungen gestellt, weil wir vorher gelesen hatten, dass man sich dort nicht selbst bedienen dürfe. Wir hatten auch nie jemanden von den anderen Gästen am Buffet gesehen. Ob das jetzt noch eine Covid-Einschränkung war oder sich aus irgendwelchen Gründen niemand getraut hat, wissen wir nicht - wenn wir etwas essen wollten, haben wir dann meistens sehr umständlich dem Personal Bescheid gegeben, nachdem wir überlegt hatten, wie man das überhaupt auf Spanisch formuliert.
Weil es in La Serena nicht viel zu sehen gibt, ist diese Stadt eine der wenigen bisher auf unserer Reise, in der es keine Free Walking Touren gibt. Also haben wir sie am ersten Tag auf eigene Faust erkundet. Zunächst wollten wir zu einem Tourenanbieter, der aber geschlossen war, wahrscheinlich weil Sonntag war. Dann wollten wir in den Japanischen Garten, der aber auch geschlossen war, weil in Chile gerade die Wahl eines Gremiums durchgeführt wurde, das dieses Jahr zur Verfassungsgebung beitragen soll. Ein Kaufhaus und ein großer Supermarkt hatten aber offen, und so konnten wir Becher und Chips kaufen, um abends im Innenhof des Hotels die Weinflasche leeren zu können, die wir immer noch mit dabei hatten. Die einzige offene Eisdiele hat uns vergleichsweise wenig überzeugt - der Geschmack war nicht so intensiv und die knallpinke Farbe des Zimteises sprach außerdem nicht für natürliche Inhaltsstoffe. Nach Wein, Chips und einem Spiel im Innenhof gingen wir noch chinesisch essen. Das Essen war lecker, aber mal wieder sehr viel und wir haben es nicht aufgegessen. Die Reste haben wir mitbekommen, aber nur weil Sebastian "Soll ich es abräumen?" verstanden hat statt "Möchten Sie es mitnehmen?". Leider mussten wir die Reste dann letztendlich entsorgen, aber im Restaurant hätten sie es ja auch weggeschmissen...
Am nächsten Tag haben wir uns im Hotel Fahrräder ausgeliehen, mit denen wir an der Küste entlang nach Coquimbo und zurück fahren wollten. Auf dem Weg zum Meer fuhren wir wieder beim Tourenanbieter vorbei, bei dem wir nun zwei Touren buchen konnten. Wir haben uns für den Anbieter Ecoturismo entschieden, der erstaunlich begeisterte Google-Bewertungen hatte und alle in der Gegend üblichen Touren anbot. Wir buchten für die nächsten Tage eine Whale Watching Tour sowie eine Tour ins Valle De Elqui, die aber noch nicht bestätigt werden konnte, weil wir die bislang einzigen Anmeldungen waren. Der Name Ecoturismo suggeriert natürlich eine umweltverträgliche Gestaltung der Touren, aber da das nur ein Name ist und kein Siegel, können wir dazu nichts weiter sagen. Für eine ebenfalls angebotene Tour zu einer Insel, auf der man Pinguine sehen kann, war es leider die falsche Jahreszeit. Nicht gebucht haben wir außerdem die Tour in einen Regenwald am Strand (Parque Jorge Frey), weil der sehr hohe Preis für dieses angebliche Naturwunder in unseren Augen nicht gerechtfertigt war. Das zur Info für Menschen unter Euch, die ähnliche Planungen haben...
Nach der Buchung ging es weiter zu einem Leuchtturm am Strand. Wie schon in Viña del Mar war es auch hier zunächst bedeckt, aber immerhin klarte es im Laufe des Tages auf. Um an den Strand oder gar ins Meer zu gehen, war es aber zu kalt. Unser Vorhaben an diesem Tag war es nur, etwas an der Promenade langzufahren und den Blick aufs Meer zu genießen - unser Zielort Coquimbo sollte ja sowieso nicht schön sein. Unterwegs sahen wir zum Beispiel eine Gruppe von Pelikanen am Strand. Einmal wurden wir auf dem Fahrrad von ein paar Straßenhunden begleitet und angebellt. Es gibt hier in allen Städten viele Straßenhunde, und an diesem Tag waren wir auch nicht die einzigen Leute auf Fahrrädern, sodass die Hunde den Anblick eigentlich kennen sollten. Wir haben uns nicht groß beeindrucken lassen, jemand anderes hat sie versucht zu rufen und bald waren sie auch wieder weg. Wie auch bei unserer Tour bei Mendoza hatte Judith leider schon wieder Pech mit ihrem Fahrrad. Im Hotel hatte es keine große Auswahl gegeben, und Judith probierte unterwegs verschiedene Sattelpositionen an ihrem letztlich zu kleinen Fahrrad aus, hatte dann aber entweder Bein- oder Rückenschmerzen. Kurz vor Coquimbo waren die Qualen dann so groß geworden, dass Judith das ohnehin nicht mehr lohnenswerte allerletzte Stück nicht mehr mitgefahren ist. Sebastian ist dann noch kurz weiter vorgefahren, hat ein paar unspannende Fotos von Coquimbo gemacht, um Judith zu zeigen, dass sie nichts verpasst hat, und ist dann wieder zurückgekommen, um gemeinsam die Rückfahrt anzutreten. Wir sind die gleiche Strecke zurückgefahren, konnten aber diesmal den Sonnenuntergang über dem Meer genießen. Danach war es noch hell genug (die Fahrräder hatten kein Licht), um noch beim Busbahnhof vorbeizufahren und schon mal Tickets für die Fahrt zur nächsten Station zu kaufen, denn durch die Buchung unserer Touren hatten wir den Aufenthalt in La Serena nun fertiggeplant. Zum Abendessen gingen wir in ein Restaurant mit "Sushi-Peru-Fusion-Küche". Es war das leckerste Essen unserer bisherigen Reise, zum Beispiel gab es Ají de Gallina, eine peruanische Spezialität, knusprig und in Sushi-Form. Wir wissen inzwischen, warum Leute sagen, die peruanische Küche sei die beste in Südamerika... Zum Abschluss tranken wir noch fünf verschiedene Pisco Sour. Pisco ist ein Schnaps, der aus Trauben gebrannt wird, und für den originalen Pisco Sour wird er mit Zitronensaft vermischt und mit aufgeschlagenem Ei serviert. Wir kannten dieses leckere Getränk schon aus Peru (Judith) bzw. von anderen peruanischen Restaurants in Deutschland.
Am nächsten Morgen stand dann auch schon die Whale Watching Tour an. Da sie schon vor den Frühstückszeiten losging, bekamen wir noch Kaffee und ein Lunchpaket im Hotel, und dann wurden wir auch schon abgeholt. Während wir auf dem Weg zu einer Bucht Richtung Norden zunächst wieder durch Berge fuhren, erklärte uns unser Guide, der gleichzeitig Fahrer war, was es mit den geheimnisvollen und schön anzusehenden Nebelschwaden auf sich hat, die wir immer wieder zwischen den Bergen bemerken konnten. Dabei wurden uns allmählich einige Zusammenhänge über das Klima in dieser Gegend klarer. Also, wir kennen uns ja nicht aus, aber vielleicht ist es in etwa so: Das Meer und auch die Luft an der Pazifikküste werden durch den Humboldtstrom abgekühlt. Die vom Meer aufsteigende Feuchtigkeit wird von der kalten Luft nach unten gedrückt und macht sich deshalb als Nebel bemerkbar, statt weiter hochzusteigen und Wolken zu bilden, die irgendwann abregnen würden. Weil es also oft eher kalt und bedeckt oder besser gesagt (hoch-)neblig ist, wie wir es hier ja schon gemerkt haben, herrscht an der gesamten Pazifikküste Südamerikas auch gar nicht so eine Urlaubsatmosphäre, wie man sie bei uns mit Strand und Meer verbindet. Und weil es von der Küste bis zu den Anden in diesen Breiten sehr selten regnet, erstreckt sich hier eine riesige Wüste: Die Atacama-Wüste, die eigentlich erst das Ziel unserer nächsten Station ist, an deren Rand uns aber auch heute schon die Whale Watching Tour führte.
Als wir die Bucht erreichten, in der wir uns mit einem Motorboot auf die Suche nach Walen machen wollten, warnte uns der Guide vor, weil der Wellengang an diesem Tag recht stark war. So wurde dann auch eine Mitteilnehmerin auf dem Boot seekrank, während es uns nichts ausmachte und wir sogar ein bisschen Spaß hatten. Der Guide schätzte die Chance, einen Wal zu sehen, auf 95%. Wir fuhren ziemlich lange suchend herum und entdeckten schließlich einen Finnwal, der aber so schnell war, dass wir kaum neben ihm herfahren konnten und ihn bald wieder verloren. Wir suchten weiter und dachten schon fast, das wäre es jetzt gewesen, da entdeckten wir plötzlich etwa vier Finnwale, die mit mehreren Delfinen zusammen schwammen. Außerdem sahen wir im Wasser zwei schwimmende Pinguine und Seelöwen. Dieser Ausflug hat sich also schon mal gelohnt! Anschließend war noch ein (spätes) Mittagessen in einem Restaurant in der Tour enthalten, bei dem wir untereinander etwas ins Gespräch kamen. Besonders sympathisch war uns eine deutsche Familie, deren Sohn uns begeistert aufgezählt hat, welche Tiere er schon im Urlaub gesehen hat. Auf dem Rückweg hielten wir noch einmal an, weil wir Füchse gesehen hatten, darunter einen Albinofuchs. Der Guide schärfte uns ein, dass wir diese wilden Tiere auf keinen Fall füttern sollten, weil sie lernen müssen selbst zu jagen. Ein paar ältere Damen, die auch mit dabei waren, fuhren immer mit ihrem Privatauto hinterher. Während wir wieder losfuhren, stiegen sie aus und begannen erst mal eines der Tiere zu füttern... Inzwischen wurde unsere zweite Tour für den nächsten Tag bestätigt, weil jetzt genügend Leute gefunden wurden. Wir hofften, dass sich die deutsche Familie noch angemeldet hatte, weil es so klang, als seien sie an dieser Tour auch interessiert. Wir waren also gespannt, was uns am nächsten Tag erwarten würde.
Am nächsten Morgen ging es etwas später los, sodass wir noch frühstücken konnten. Diesmal mussten wir relativ lange auf unsere Abholung warten. Der Guide und Fahrer war dieselbe Person wie am Vortag. Der Kleinbus war ziemlich voll und wir kannten niemanden. Wir haben uns gefragt, wo die ganzen Anmeldungen jetzt noch herkamen, und fanden es etwas schade, dass es wieder komplett neue Personen waren. Wir hatten gelesen, dass man sich in Chile oft wiedertrifft, weil die meisten Leute die gleiche von der Form des Landes nahegelegte Reiseroute haben. Wir hatten diese Erfahrung bisher nicht gemacht.
Das sehr schöne Valle de Elqui, das wir mit dieser Tour besuchten, ist ein Tal, das sich ebenfalls zwischen Pazifik und Anden erstreckt, aber noch südlich der Atacama-Wüste liegt. In Chile gilt es als Geburtsort des Pisco, den wir bisher ja mit Peru verbunden hatten. Tatsächlich aber streiten sich Peru und Chile um die Herkunft des Pisco. Pisco Sour gibt es in Chile auch, allerdings ohne Ei. Die Gegend ist außerdem bekannt für eine spezielle Papaya-Sorte, die besonders gesund sein soll. Auf unserer Tour war es viel wärmer als in den letzten Tagen, weil wir uns mehr vom Meer entfernten. Die Tour hatte viele Stopps, worunter auch Fotostopps waren, zum Beispiel an einem großen Damm. Leider hatte Sebastian dort zu wenig Zeit, um frischen Papayasaft zu probieren. Dafür konnten wir später in einem Laden den ersten Pisco testen. Das Highlight der Tour war dann eine Führung durch eine Pisco-Brennerei in Pisco Elqui (einem Dorf, das extra so umbenannt worden war, um die angeblich wahre Herkunft des Pisco zu unterstreichen) mit Tasting eines halbgefrorenen Pisco Sour und verschiedener Pisco-Sorten. Nach dem Mittagessen im Dorf probierte Sebastian außerdem noch ein Pisco-Sour-Eis, das auch sehr gut geschmeckt hat.
Nach einem letzten Stopp in der Stadt Vicuña versuchte uns unser Guide zu überreden, direkt mit dem Handy eine Google-Bewertung abzugeben. Er betonte zwar, dass es keinen Druck gibt, eine gute Bewertung zu schreiben, aber diese Lockerheit war auch etwas gespielt und sozialer Druck war schon dabei, denn die Leute waren ja nicht unter sich und er hat ihnen teilweise sogar zugeguckt. Alles sehr fragwürdig, zumal einige von den älteren Menschen, denen er dann am Handy geholfen hat, vielleicht gar nicht wussten, was eine Google-Bewertung ist. Daher kommen also die vielen Top-Bewertungen von Ecoturismo, die wir im Vorfeld gesehen hatten... Wir hatten zwar auch eine kritischere Bewertung gelesen, in der genau diese Praxis beschrieben wird, aber hätten nicht gedacht, dass sie es trotz dieser Kritik immer noch so machen. Wir können zwar verstehen, dass viele Anbieter im Tourismus-Bereich auf gute Bewertungen angewiesen sind (wir suchen ja selbst nach gut bewerteten Anbietern), und dass es sich lohnen kann, noch mehr Leute zum Schreiben von Bewertungen zu motivieren, aber so kann man es echt nicht machen. Wir kamen um das direkte Schreiben einer Bewertung herum, weil wir als Ausländer vorgeben konnten, kein mobiles Internet zu haben, obwohl wir ja inzwischen eine chilenische Sim-Karte hatten. Eigentlich wären die guten Bewertungen aber verdient, denn beide Touren von Ecoturismo haben uns ansonsten wirklich gut gefallen.
An unserem letzten Tag in La Serena probierten wir es noch einmal mit dem Japanischen Garten. Diesmal war er geöffnet, und wir waren überrascht, wie groß, schön und vielfältig er war (und das für ca. einen Euro Eintritt). Bei seiner Entstehung scheinen auch chilenisch-japanische Wirtschaftsbeziehungen eine Rolle gespielt zu haben. Wir spazierten gemütlich hindurch und machten am Ende noch Fotos mit dort zur Verfügung gestellten japanischen Requisiten wie einem Samurai-Schwert. Nach dem Besuch des Gartens gingen wir in die Markthalle und kauften dort für uns beide je einen Alpaka-Pulli, um für die Kälte der nächsten Stationen besser gewappnet zu sein. Einen frischen regionalen Papayasaft, wie es ihn an dem einen Stand im Valle de Elqui gegeben hätte, haben wir aber nirgendwo mehr gefunden. Stattdessen tranken wir zum (späten) Mittagessen sehr leckeren Cherimoya-Saft. Mittagessen und Saft nahmen wir auf einem Platz ein, auf dem ein paar Essens- und Getränkestände standen. Wirkliche Street Food-Stände, die sich über die Straßen verteilen, haben wir auf dieser Reise bisher anders als zum Beispiel in Mexiko noch in keiner Stadt so wirklich gefunden. Nun waren wir mit La Serena durch und bereit für die nächste Nachtbusfahrt ins Herz der Atacama-Wüste.