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Santiago de Chile

Veröffentlicht: 07.05.2023

Unsere Busfahrt von Mendoza nach Santiago de Chile führte uns wieder in die Anden. Judiths Plan, uns für diese Fahrt die (etwas teureren) Plätze ganz vorne in der oberen Etage des Busses zu reservieren, um viele schöne Fotos machen zu können, ist aufgegangen. Die Busfahrer fragten uns vor Fahrtantritt nach unserem Einreisestempel von Argentinien, oder einer E-Mail, die wir alternativ bekommen haben sollten. Bei all unseren diversen Einreisen nach Argentinien (vom Flughafen, aus Uruguay und aus Brasilien) haben wir keins von beiden bekommen, aber wir durften trotzdem im Bus mitfahren. Statt wie zuvor über die steile Schotterstraße zum Cristo Redentor-Denkmal sind wir diesmal über den Grenzübergang auf dem Pass Los Libertadores nach Chile gefahren. Da auch diesmal noch kein Schnee lag, war dieser Pass zum Glück geöffnet. Zuvor hatten wir gelesen, dass man bei der Einreise manchmal lange dort oben in der Kälte warten muss, aber wir konnten in einem gar nicht so kalten Raum warten, was auch gar nicht so lange gedauert hat.

Interessanterweise sind wir dann direkt in Chile eingereist, ohne vorher aus Argentinien auszureisen. Weil wir ja sowieso keinen Einreisestempel und keine E-Mail hatten, war uns das nur recht. Zur Einreise brauchten wir zum ersten Mal unseren Impfpass, allerdings nicht wegen der nicht wenigen Tropenimpfungen, denen wir uns vor unserer Reise unterzogen haben, sondern wegen Covid. Im Moment scheint das in diesen Ländern noch ein etwas größeres Thema zu sein als bei uns. Auch in Argentinien haben wir des Öfteren Hinweise zu Maskenpflicht, Abstandhalten usw. gesehen - aber vielleicht waren die veraltet, jedenfalls hat sich kaum jemand dran gehalten. Auch wir haben unsere vorsichtshalber mitgebrachten FFP2-Masken noch nicht benutzt; gerade Nachtbusfahrten wären sonst noch deutlich unkomfortabler gewesen. 

Nach dem Grenzübertritt ging es mit demselben Bus auf der anderen Seite der Anden über eine berühmte Straße mit vielen Serpentinen wieder herunter. Weil es sich anders als bei unserer Andentour vor ein paar Tagen um eine breite asphaltierte Straße handelte, konnten wir beide die Fahrt und den Ausblick auf den weiteren Straßenverlauf entspannt genießen. Später haben wir gelesen, dass der Grenzübergang offenbar wegen einer Schlechtwetterfront am selben Tag um 18 Uhr für zwei Tage gesperrt wurde. Wir hatten also Glück, dass wir unsere Pläne hier umsetzen konnten.

In Santiago angekommen, brauchten wir erst einmal Geld für eine Metrokarte. In Chile können wir endlich wieder normal an einem Geldautomaten Bargeld abheben. Oder vielmehr machen wir das hier so mangels günstigerer Alternativen, die wir in Argentinien wegen der dortigen Inflation gehabt hatten. Dafür ist hier alles viel teurer, bzw. sind die Preise eigentlich auf europäischem Niveau. Auch der öffentliche Nahverkehr ist hier nicht mehr so spottbillig wie auf der anderen Seite der Anden. Und wegen der relativ hohen Gebühren beim Geldabheben lohnt es sich auch hier, gut einzuschätzen, wann und wie oft wir wohl mit Bargeld statt mit Karte zahlen müssen. Das erste Geldabheben war etwas mühsam, weil wir zunächst einen Geldautomaten finden mussten, der gerade Geld hatte. Aber schließlich konnten wir mit der Metro in die etwas weiter entfernte, aber sichere Gegend unseres Hotels fahren, dort unser Gepäck loswerden und uns in Ruhe etwas zu essen suchen. 

Über Kriminalität in Santiago hatten wir bisher verschiedene Dinge gehört. Einerseits sollte Chile ein vergleichsweise sicheres Reiseland sein, andererseits hatten uns andere Reisende, die schon in Santiago gewesen waren, erzählt, dass man dort besonders auf seine Wertsachen aufpassen müsse. Die Free Walking Tour an unserem ersten Tag in der Hauptstadt verschaffte da ein wenig Klarheit: In den letzten Jahren bis heute ist die Situation im Land angespannter geworden. Zwar hat man nach den Protesten von 2019 in Chile, die man auch bei uns in den Medien verfolgen konnte, schon bald wieder nichts mehr von der Situation in Chile gehört. Dann kam aber die Pandemie und die Ursprungsprobleme stehen offenbar immer noch im Raum. Ein Ziel der Proteste war die Änderung der neoliberalistischen Verfassung, die im Wesentlichen noch aus der 1990 zu Ende gegangenen Militärdiktatur unter Pinochet stammt. Nach aktuellem Stand soll eine neue Verfassung im Laufe dieses Jahres verabschiedet werden. 

So hatten wir zunächst gemischte Gefühle in dieser Stadt, denn wir wussten nicht einmal, wo wir überhaupt fotografieren können, ohne Angst zu haben, dass uns unsere Handys geklaut werden. Obendrein war am ersten Tag das Wetter schlecht - oben in den Anden die schon erwähnte Schlechtwetterfront, unten in Santiago hat es geregnet. Wir haben es der Stadt aber gegönnt, denn es war der erste Regen seit Oktober. Ein weiterer Punkt, mit dem uns unser Stadtführer am Anfang der Tour etwas Angst gemacht hatte, war die hohe Erdbebengefahr durch die Lage am Pazifischen Feuerring, von der die spanischen Eroberer nichts wussten, als sie die Stadt errichteten. Die Leute hier scheinen einen entspannte  Umgang mit dem Thema entwickelt zu haben. So heißt zum Beispiel eines der chilenischen Nationalgetränke, das wir noch probieren müssen, "Terremoto" (Erdbeben), wohl weil man sich am Tag nach dessen Genuss so zerschlagen fühlt. Wir fanden das alles etwas ambivalent, haben aber erfahren, dass die Gebäude inzwischen sehr erdbebensicher gebaut werden. Und ausgeraubt wurden wir während unserer Zeit in Santiago auch nicht. 


Nach der Stadtführung haben wir uns mit Siu getroffen, die Judith bei einer Summer School in Exceter kennengelernt hat und die in Santiago wohnt. Siu hatte ein Restaurant vorgeschlagen, das sich in der Gegend befindet, in der unsere Stadtführung enden sollte, und wir waren dann tatsächlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wir beide fanden das Treffen sehr schön. Siu hat uns leckeres chilenisches Essen empfohlen und dazu ihren Lieblingswein aus Chile (Carménère), der uns beiden auch gut geschmeckt hat. Nach dem Treffen sind wir dann noch leicht angetrunken durch das Museo de Arte Precolumbino mit (Kunst)gegenständen südamerikanischer Urvölker spaziert, wobei wir versucht haben uns auf die Ausstellungsstücke aus dem heutigen Chile zu konzentrieren, weil wir einige der anderen Länder ja später noch besuchen wollen. 

Am nächsten Tag sollte das Wetter laut unserem Stadtführer schon wieder besonders schön sein, und laut Siu sollte es weiter regnen. Siu hatte recht, und so haben wir unsere Pläne, Aussichtspunkte zu besuchen, erst einmal verschoben. Statt dessen waren wir in einem weiteren Museum: im Museo de la memoria y los derechos humanos. Dort ging es um Pinochets Militärdiktatur von deren Beginn bis zum überraschend demokratischen Ende und vor allem um die währenddessen begangenen Menschenrechtsverletzungen. Leider passte die Reihenfolge im englischsprachigen Audioguide nicht immer zur Ausstellung, sodass wir manchmal improvisieren mussten. Ansonsten waren die Inhalte dieses Museums relativ heftig, aber am Ende hatten wir einen Ohrwurm vom Wahlwerbespot des nach der Diktatur gewählten Präsidenten Aylwin (Gana la gente - Das Volk gewinnt (ab 1:12)). 

Unser dritter Tag in Santiago war der 1. Mai, der auch hier als Tag der Arbeit gefeiert wird und zwar in besonderem Maße: Für alle Menschen, die als Angestellte arbeiten, gilt an diesem Tag ein Arbeitsverbot. Außerdem gab es wieder Demonstrationen, sodass wir das zum Anlass nahmen, einen Pausentag im Hotel zu machen, obwohl das Wetter nun besser war. Für den Abend wollte uns Siu jedoch zum Essen einladen, ursprünglich zu sich nach Hause. Daher hatten wir am Vortrag schon nach Geschenken für sie gesucht und kauften in einem riesigen Supermarkt in der internationalen Abteilung je eine Packung Ritter Sport und Edle Tropfen in Nuss, um ihr unsere kulinarische Welt auch etwas näher zu bringen. Außerdem hatten wir chilenischen Wein ihrer Lieblingsrebsorte Carménère gefunden und eine Flasche gekauft. Jetzt ergab es sich aber, dass Siu ein Restaurant ganz in der Nähe unseres Hotels gefunden hatte, das auch am 1. Mai geöffnet hat (damit muss es entweder familiengeführt sein oder illegal) und uns dorthin einlud. Da wir jetzt also doch nicht bei ihr zu Hause waren, ließen wir die Weinflasche im Hotel und brachten nur die Süßigkeiten mit. Der Abend war wieder sehr schön und wir aßen die beste Pizza unserer bisherigen Reise. Siu bestand darauf, ein weiteres Mal für uns zu bezahlen, und schenkte uns außerdem ihrerseits eine Weinflasche ihrer Lieblingsrebsorte Carménère. Am Ende des Tages gingen wir zufrieden zurück ins Hotel und fingen schon an zu überlegen, an welchen Abenden wir unsere beiden Carménère-Weinflaschen leeren würden.

Am letzten vollen Tag in Santiago wollten wir dann unsere verschobenen Aussichtspunkts-Pläne nachholen. Als Erstes wollten wir auf den Hügel San Cristobal mitten in der Stadt, auf dem sich ein großer Park befindet. Es gibt eine Standseilbahn und eine Gondelseilbahn zum Gipfel und wir hatten uns schon darauf gefreut, mit der einen Bahn hoch- und der anderen wieder herunterzufahren. Leider war am diesem Tag beides wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb und wir mussten mit dem Bus hochfahren, um dort den Ausblick zu genießen und eine Marienstatue anzuschauen. Wir dachten zwar, man hätte noch mehr Möglichkeiten gehabt, auf dem Gipfel herumzulaufen, aber viel mehr gab es dort nicht zu sehen und weil die Seilbahnen ja sowieso nicht fuhren, sind wir dafür dann zu Fuß wieder heruntergelaufen. Auf dem Weg nach unten hatten wir dann auch noch mehr verschiedene Ansichten der Stadt. Wie schon am Tag zuvor war das Wetter diesmal sehr schön. Eine klare Sicht hatte man nicht, aber das lag wahrscheinlich am Smog, in dem Santiago regelmäßig versinkt. Unser zweiter Aussichtspunkt war der Torre Costanera, das höchste Gebäude Südamerikas. Obwohl dieser Turm sehr nah am Hügel steht und etwa gleich hoch ist, haben wir hier noch einmal andere Bilder zu sehen bekommen, auch weil wir nun den Sonnenuntergang miterleben konnten. Anschließend haben wir im an den Turm angrenzenden Einkaufszentrum noch eine chilenische Prepaid-SIM-Karte gekauft. Bisher waren wir immer ohne mobile Daten ausgekommen und hatten uns einfach über jedes offene WLAN gefreut, das uns unterwegs begegnete. Siu hatte uns aber den Tipp gegeben, dass die sicherste Methode, um hierzulande in einer Stadt unterwegs zu sein, tatsächlich die Nutzung von Uber sei. Wir haben noch gar keine Erfahrung mit Uber, es ist ja auch in Deutschland verboten (in Chile ist es auch verboten, aber es hält sich niemand dran), aber wir wollen es jetzt mal ausprobieren. Da man ein Uber-Auto nur bekommen kann, wenn man bis zur Abholung eine Internetverbindung hat, haben wir uns jetzt also eine SIM-Karte geholt, die auch gar nicht teuer war. Damit ist Sebastian nun immer erreichbar, was Vor- und Nachteile hat. Abends tranken wir dann noch eine der beiden Weinflaschen, sodass wir zumindest nur eine mit zur nächsten Station schleppen mussten.

So ging unser letzter Tag in Santiago zu Ende und am nächsten Tag waren wir hier nur noch damit beschäftigt, auszuchecken und zum Busbahnhof zu gelangen. Santiago ist nicht unsere Lieblingsstadt geworden, aber dennoch haben wir ein paar spannende Ecken gefunden und schöne Dinge erlebt. Mit der Sprache klappt es hier auch noch nicht perfekt: In Argentinien waren wir ja noch zuversichtlich für die weiteren Länder, als wir gelesen hatten, dass das argentinische Spanisch sich angeblich am meisten vom europäischen Spanisch unterscheidet. Bis uns dann die ersten Leute sagten, dass die Verständlichkeit in Chile doch noch schlimmer sei.  Beispielsweise konnte Sebastian, schon seit jeher Fan von automatischen Ansagen im öffentlichen Nahverkehr, nur mithilfe von Google herausfinden, aus welchen Wörtern eigentlich der Satz "seinsiei cierre do puertas" besteht, der in der Metro von Santiago vor dem Schließen der Türen erklingt (Lösung: se inicie el cierre de puertas = das Schließen der Türen wird eingeleitet). Aber auch hier gibt es erfreulicherweise immer wieder Menschen, die langsamer und deutlicher reden (anstatt direkt auf Englisch zu wechseln).

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