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Córdoba

Veröffentlicht: 23.04.2023

Die Busfahrt nach Córdoba sollte so aufregend werden wie der Ticketkauf zuvor. Zu Beginn haben wir die Lunchpakete aus unserer letzten Unterkunft verzehrt, wobei das vegetarische Paket aus teils fettigem Rindfleisch, kalten Pommes und trockenem Baguette bestand (vielleicht hatte Sebastian auch etwas falsch verstanden). Bei unserem Zwischenstopp in Posadas haben wir dann gemerkt, dass wir eigentlich schon eine Station früher hätten umsteigen sollen. Posadas stand nur als Endstation des ersten Busses auf unseren Tickets, was uns aber auch niemand gesagt hatte... Zum Glück wurde uns am Ticketschalter in Posadas diesmal ganz unkompliziert mitgeteilt, dass unser zweiter Bus auch hier vorbeifährt und wir hier einsteigen könnten. Da der zweite Bus über Nacht fuhr und wir bei der ersten Nachtbusfahrt ganz vorne zu wenig Beinfreiheit hatten, hatten wir uns diesmal extra Plätze oben ganz hinten ausgesucht. Leider haben wir nicht daran gedacht, dass das ungefähr die schlechtesten Plätze sind, wenn man bei der Fahrt über schlechte Straßen durchgeschüttelt wird. Wir sind über sehr schlechte Straßen gefahren, und während einer unserer zahlreichen Wachphasen haben wir uns etwas weiter nach vorne gesetzt und später irgendwann festgestellt, dass es nach Córdoba noch ganz schön weit ist. Offensichtlich fuhr der Bus über Nebenstraßen und hielt in jedem Kaff. Schließlich kamen wir mit dreieinhalb Stunden Verspätung nach insgesamt 32 Stunden Reisezeit an. Die nächsten längeren Busfahrten sind nicht ganz so lang, aber wir beschlossen, sie tagsüber zu machen.....

An den nächsten beiden Tagen haben wir dann erst mal wenig Anstrengendes gemacht. Die für uns günstigen Preise ausnutzend, haben wir uns in Córdoba ein Vier-Sterne-Hotel gegönnt, in dem sogar die Aufzugskabinen regelmäßig geputzt werden (Doppelzimmer mit Frühstück ca. 70 € pro Nacht). Weil am ersten Tag Sebastians Geburtstag war, sind wir vor allem ins Kino gegangen (den neuen Super Mario Bros. - Film haben wir auch auf Spanisch gut verstanden), haben zwei Runden Bowling gespielt und Cocktails getrunken. Das Hotel hatte uns beim Frühstück mit einem Geburtstagskuchen überrascht. Eigentlich wollten wir im Hotel auch noch zur Massage gehen, was wir aber auf den nächsten Tag verschieben mussten, weil der Spa-Bereich geschlossen war.

Am zweiten Tag hat Judith außerdem einen neuen Objektivdeckel gekauft und wir haben wieder Bargeld bei Western Union geholt (was sich diesmal Sebastian selbst geschickt hat, weil das nur einmal pro Person gebührenfrei ist). Das Geldholen ging viel schneller als in Buenos Aires, und wir haben auch alles bekommen, obwohl schon Nachmittag war. Schon der erste Eindruck von dieser Stadt war somit in jeder Hinsicht sehr positiv.

Córdoba ist immerhin die zweitgrößte Stadt Argentiniens, aber die Atmosphäre kam uns viel entspannter vor als in Buenos Aires. Vielleicht liegt das auch daran, dass wegen der großen Entfernung zum Meer das Klima trockener ist. Die eigentliche Erkundung der Stadt fand erst an unserem dritten Tag dort statt, und zwar wieder mit zwei Free Walking Tours: vormittags Altstadt und nachmittags Neustadt. Die Altstadt-Tour führte uns in die Kathedrale und zu anderen Kolonialzeitgebäuden, die heute meist Museen sind. Die Umrisse einiger Gebäude sind auch auf den Pflastersteinen davor dargestellt, weil eine verantwortliche Künstlerin meinte, dass die Leute nur auf den Boden gucken. Angesichts der vielen Löcher in den Fußwegen kommt uns dieses Verhalten allerdings auch sinnvoll vor. Außerdem wurden wir in ein Geschäft gebracht, in dem wir die Córdoba-Variante von Alfajores, einer typisch argentinischen Süßigkeit, geschenkt bekommen haben und die Gelegenheit hatten, direkt weitere zu kaufen (damit war es eine etwas "kommerzialisierte" Free Walking Tour). Dann waren wir noch in einer Krypta unter der Straße, die schon fertig war, als das Bauvorhaben der zugehörigen Kirche wieder verworfen wurde. In der Stadt trafen wir zwischendurch auf eine Art Barber-Quartett namens "El Cuarteto del Amor", das Judith plötzlich einfach aus Spaß ein unterhaltsames und sehr schön gesungenes Ständchen vorgetragen hat. Nach der Altstadt-Tour haben wir noch auf eigene Faust ein kostenloses Museum zur Erinnerung an die letzte der bislang sechs Militärdiktaturen Argentiniens besucht. Dort haben wir aber wenig über diese Zeit selbst erfahren, sondern vor allem etwas über die damals verschwundenen Menschen.

Vor der Neustadt-Tour am Nachmittag hatten wir noch Zeit für Frozen Yogurt (etwas Eisartiges musste einfach mal wieder sein). Die nächste Stadtführerin, die nett aber etwas aufgesetzt war, brachte uns dann zu moderneren Gebäuden sowie einem Aussichtspunkt (so was mögen wir ja immer) und der sehr schönen und bunten Kapuzinerkirche. Außerdem waren wir bei einem Denkmal mit 200 Ringen, die 200 Jahre Unabhängigkeit Argentiniens repräsentieren. Als sich alle aus der Gruppe zum Ring ihres Geburtsjahres stellen sollten, wurde uns sehr anschaulich gemacht, dass Free Walking Tours wie in diesem Fall oft Leute ansprechen, die genauso frisch wirken wie wir, in Wirklichkeit aber deutlich jünger sind. Weil uns also unser jugendlicher Charakter einte, sind wir dann noch mit zwei Niederländern und einem brasilianischen Pärchen aus der Gruppe in einem Lokal, in das uns die Stadtführerin abschließend brachte, ein Bier trinken gegangen. Mit den Niederländern haben wir uns über unsere bisherigen Reisen und die weiteren Stationen unterhalten. Dann haben wir uns aber wieder abgesetzt und sind noch in ein anderes Bier-Spezialitätenrestaurant gegangen, das wir noch probieren wollten. Dort hat uns eine sehr zuvorkommende und kommunikationswillige Kellnerin unser bisher bestes Essen und zwei interessante Special-Biere gebracht. Danach hat es aber für den Tag auch schon gereicht...

An den nächsten beiden Tagen haben wir Ausflüge in zwei Orte in die umgebenden Sierras Grandes unternommen: Villa General Belgrano und Villa Carlos Paz. Es werden viele organisierte Touren angeboten, aber weil wir es immer besser finden, uns selbst durchzuschlagen und unser eigenes Tempo haben zu können, sind wir zu beiden Orten mit den vielfach verfügbaren öffentlichen Bussen gefahren.

Bei der Busgesellschaft für unsere erste Destination musste man die Nummer seines DNI (Documento Nacional de Identidad) angeben, um Plätze im Bus zugewiesen zu bekommen. Das DNI ist ein Ausweisdokument, das hier anscheinend alle haben und das man immer braucht. Während eine Verkäuferin in Tigre, bei der Sebastian mit Karte bezahlen wollte, noch davon irritiert zu sein schien, dass die Nummer des ersatzweise vorgelegten Reisepasses auch Buchstaben enthält, bekommen Ausländer:innen bei dieser Busgesellschaft anscheinend einfach immer die für Menschen mit Behinderung vorgesehenen beiden Plätze ganz vorne zugeteilt. So konnten wir auf der Hinfahrt erkennen, dass die ganze Zeit die Bremskontrollleuchte im Bus blinkte und eine weitere Warnleuchte leuchtete. Der Bus hat uns aber unbeschadet ans Ziel gebracht und dabei auch mehrfach erfolgreich gebremst. Villa General Belgrano ist ein Dorf mit vielen deutschsprachigen Einwander:innen. Der Ortskern wirkt bierlastig und übertrieben bayrisch. Im dortigen Frühling gibt es zum Beispiel auch ein Oktoberfest. Wir haben lustige Fotos gemacht, uns mit Getränken (alkoholfrei) gestärkt und sind dann zum Aussichtspunkt Cerro Mirador gelaufen. Wir haben die Entfernungen im Dorf etwas unterschätzt und es hat lang gedauert, bis wir überhaupt am eigentlichen Wanderweg waren, sodass wir oben angekommen ganz schön fertig waren. Die meisten Leute fahren wohl einfach mit dem Auto zum Beginn des Wanderwegs. Zum Glück haben wir uns nicht für den schwierigeren Weg zu einem anderen, höheren Aussichtspunkt entschieden. Anschließend sind wir im Lokal "Viejo Munich" (Alt München) eingekehrt. Judith mochte ihren Kartoffelbrei, und Sebastians Kalbsschnitzel schmeckte statt nach original Wiener Schnitzel eher wie jedes argentinische Rindfleisch, von dem wir eigentlich längst genug haben, mit leckerer Panade.

Die Stadt Villa Carlos Paz, die wir am nächsten Tag (und letzten Tag in Córdoba) besuchten, ist kein "deutscher" Ort, aber ihr Wahrzeichen ist aus irgendwelchen Gründen eine große Kuckucksuhr, die wir nach einem Stadtbummel als Erstes besichtigt haben. Die Stadt ist ein bei Einheimischen beliebter Tourismusort, den unser Reiseführer als eine Mischung aus Las Vegas und Disneyland beschreibt, was wir etwas überzogen finden. Eine Attraktion ist ein kleiner Vergnügungspark an einem Berg, auf den ein Sessellift hochführt. Wir sind hochgefahren, haben die Aussicht genossen und Sebastian ist mit der Zipline (Seilrutsche) gefahren. Das stellte sich übrigens als etwas schwieriger heraus als unsere vorherigen Fahrten mit Ziplines, weil man mit einer Hand die Geschwindigkeit steuern musste - dafür konnte man aber nicht in unkontrolliertes Drehen geraten. An argentinischen Aussichtspunkten scheinen leider grundsätzlich Bänke zu fehlen. Bänke gab es hier nur bei dem Jesuskind und der Madonna, die man dann anbeten soll. Auf dem Rückweg nach Córdoba sprang unser Bus nicht mehr an, nachdem wir kurz hinter der Stadt an einer Haltestelle angehalten hatten. Zum Glück mussten wir nicht lange warten, bis uns ein Bus einer anderen Busgesellschaft wieder mitnahm. Zurück in Córdoba wollten wir endlich mal wieder in einem vegetarischen Restaurant essen, was ja auch in Buenos Aires geklappt hatte. Diesmal bekamen wir vegetarische Tartes und leckere Salate, in denen allerdings Hähnchen versteckt war.

Vegetarisches und/oder gesundes Essen zu finden ist in Argentinien schwierig. Was die Küche hier zu bieten hat, klang für uns erst einmal ganz angenehm: das bekannte gute Rindfleisch, dazu viel Pizza und Pasta durch die italienischen Einwander:innen und speziell in Córdoba auch arabische Küche, da hier viele entsprechende Menschen eingewandert sind. Nun haben wir mit der sehr üppigen argentinischen Pizza ja schon in Buenos Aires unsere Erfahrungen gemacht. Das Rindfleisch enthält oft sichtbar viel Fett, was die Leute hier im Gegensatz zu uns wohl auch mögen, wie wir gehört haben. Und als wir in Córdoba einmal arabisch essen waren, haben wir uns für Meze entscheiden, wie beim Libanesen in Münster. Das war auch so lecker wie zu Hause, aber wir haben auch festgestellt, dass man zumindest bei diesem Restaurant, wenn man nicht die vegetarische oder vegane Option wählt, fast nur Fleisch bekommt und kaum Gemüse.

Am letzten Abend in Córdoba haben wir es uns nicht nehmen lassen, das typische Getränk der Provinz Córdoba zu probieren: Fernet mit Cola. Die Verköstigung fand an keinem geringeren Ort statt als in unserer Hotelbar zu Wohlklängen des Pianisten. Das wäre bestimmt teuer geworden, aber wir haben auf das Freigetränk-Angebot des Hotels bei Verzicht auf den täglichen Wäschewechsel zurückgegriffen. Der Verzicht auf den Wäschewechsel hat nicht ganz geklappt (was leider in vielen Hotels so ist), aber wir haben einen Gutschein bekommen, für den uns ein Kellner, anfangs etwas irritiert, neben anderen Optionen tatsächlich zwei Gläser dieses "Córdoba Signature Drinks" angeboten hat, was wir gerne angenommen haben. Wir waren uns schnell einig: Das Getränk schmeckt nach Chlorhexamed Mundspülung. Wir haben es ausgetrunken und uns gefreut, die Gelegenheit dazu gehabt zu haben, denn die original Chlorhexamed Mundspülung soll man ja nicht trinken.

Unser Aufenthalt in Córdoba war vielfältig und dabei vom Anfang bis zum Ende sehr angenehm und auch unterhaltsam. Unsere nächste Station ist Mendoza. Dort soll es guten Wein und gutes Essen geben. Mal sehen, was das bedeutet... 

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