Veröffentlicht: 08.07.2023
Zwischen den beiden größeren Reisen fuhren wir nun mit dem Wohnmobil knapp zwei Wochen lang von Villingen aus durch Frankreich. Wir suchten uns Stellplätze mit der auf Wohnmobilreisen oft praktischen Park4Night-App und blieben dort meistens jeweils eine Nacht.
Nach einem Tag in Freiburg fuhren wir zu unserem ersten Stellplatz in Colmar im Elsass. Nachdem wir uns zuletzt schon mit dem argentinischen Spanisch, dem chilenischen Spanisch und dem bolivianischen Spanisch herumgeschlagen hatten, bekamen wir es nun also mit dem französischen... Französisch zu tun. Die Hauptschwierigkeit dabei war tatsächlich, darauf zu achten, jetzt immer "Oui" statt "Sí" zu sagen. Jetzt in Frankreich zu sein, hatte für uns übrigens noch einen ganz anderen Vorteil: Da wir im Moment nicht über Arbeitgeber bzw. Argentur für Arbeit krankenversichert sind, aber für diesen Zeitraum eine Auslandsreise-KV abgeschlossen haben, die auch wirklich nur im Ausland gilt, waren wir während unseres ungeplanten Deutschlandaufenthalts wohl nicht krankenversichert....
In Colmar genehmigten wir uns abends erst mal einen original Elsässer Flammkuchen. Am nächsten Tag besichtigten wir die schöne Altstadt, wobei wir uns einfach an der App GPSmyCity orientierten, die uns in der kostenfreien Version zwar nicht alles über die Sehenswürdigkeiten erzählte, aber zumindest verriet, wo die Sehenswürdigkeiten waren. Wir gingen auch durch ein an einem Fluss gelegenes Viertel, das wegen seiner schönen Brücken "Klein Venedig" genannt wird.
Die nächste Stadt, die wir besichtigten, war Besançon, wo wir vor allem die Zitadelle besuchten. Von deren Mauer aus hatten wir einen tollen Ausblick auf die Stadt, und innendrin gab es einen kleinen Zoo. Dort sahen wir nicht alle Tiere, aber für einen Zoo ist es ja ein gutes Zeichen, wenn die Tiere auch mal ihre Ruhe haben. Es gab auch noch Museen, aber dafür hatten wir keine Zeit mehr und wir hatten auch so schon einen schönen Tag.
Nach einem reinen Fahrtag weiter Richtung Süden gelangten wir in die Stadt Orange, wo es einen gut erhaltenen römischen Triumphbogen und ein römisches Theater gibt. In Letzterem konnten wir kostenlos Musikproben mit Orchester, Kinderchor und Sologesang für kommende Veranstaltungen verfolgen. Auf dem Rückweg zum Wohnmobil kamen wir dann auch noch an einer Bühne eines gerade in der Stadt stattfindenden Jazz-Festivals vorbei, wo uns der Gesang jedoch deutlich weniger gefallen hat.
Wir hatten uns vorgenommen, als finales Ziel die Mittelmeerküste zu erreichen. Wie sich allerdings herausstellte, sind dort gute Stellplätze, auf denen man vor Einbrüchen geschützt ist, schwer zu finden. Wir entschieden uns deshalb, drei Nächte auf einem sicheren Campingplatz in Avignon zu bleiben, und von dort aus auch für einen Tag mit dem Zug nach Marseille zu fahren. Wir gehören nicht zur typischen Campingplatz-Kundschaft, aber hier hat es uns ganz gut gefallen. Etwas nervig war nur, dass wir abends relativ lange von der Innenstadt von Avignon zum Campingplatz zurücklaufen mussten, weil dann die Fähre über die Rhone nicht mehr fuhr. Zunächst schauten wir uns Avignon an. Im Papstpalast, in dem Päpste des 14. Jahrhunderts ihren Sitz hatten, hat uns die Augmented Reality-gestützte Führung mit zur Verfügung gestellten Tablets ziemlich gut gefallen. (Woanders hatten wir unter dem hippen Begriff "Augmented Reality" schon peinlichere Dinge erlebt...) Einziger Wehrmutstropfen: Von den in verschiedene Hintergründe eingesetzten Selfies, die wir mit unseren Tablets machen konnten, wurden uns später nicht alle per E-Mail zugeschickt, sondern offensichtlich wurde vorher von einem Menschen eine Auswahl getroffen. Eine Frau im Papstgewand passte da wohl nicht - dabei wollte Judith doch auch einmal Papst sein... Der Audioguide auf der berühmten Brücke von Avignon, die tatsächlich nur noch zu einem Teil existiert, war dagegen eher lächerlich, weil entlang der Brücke teilweise scheinbar wahllos Schilder aufgestellt waren, bei denen der Audioguide einfach irgendetwas über die Brücke erzählt hat. Durch diesen Audioguide sollte wohl nur der für eine mehr oder weniger einfache (noch dazu nicht mehr funktionstüchtige) Brücke relativ hohe Eintrittspreis gerechtfertigt werden. Auch überteuert fanden wir noch den zusätzlichen Eintrittspreis für die Gärten des Papstpalastes.
Der Besuch von Marseille inklusive Zugfahrt war ein besonders langer Tag. Nach unzähligen Paris-Besuchen wollte Sebastian einfach auch mal die zweitgrößte Stadt Frankreichs gesehen haben, ohne sich vorher darüber Gedanken gemacht zu haben, dass sie auch einfach nicht schön sein könnte. Zum Glück ist sie aber vor 10 Jahren deutlich schöner geworden, weil sie Kulturhauptstadt 2013 war und man sich damals wohl alle Mühe gegeben hat, sie herauszuputzen. Der erste Eindruck war allerdings noch nicht überzeugend, weil an unserem Besuchstag die für den Bahnhof zuständige Reinigungsfirma nicht arbeitete und die dortigen Mülleimer schon maßlos überquollen. Wir nahmen mal wieder an einer Free Walking Tour teil und besuchten unter anderem die Kathedrale, die tatsächlich sehr schön war. Danach fuhren wir noch mit dem Bus zu einer anderen großen Kirche auf einem Hügel (Basilique Notre-Dame de la Garde), von dem aus man einen guten Blick auf die Stadt und das Meer hatte. Danach gingen wir zu Fuß den Hügel wieder herunter und bis zu einem kleinen Stadtstrand. Es war ein sehr heißer Tag. Dass es in der Stadt wenig bis keine Parks zu geben scheint, wie uns auffiel, hat da auch nicht gerade geholfen. Wenigstens konnten wir uns im Meer etwas abkühlen, bevor wir dann zurück nach Avignon fuhren. Nachdem wir dort den langen Weg vom Bahnhof zurück zum Campingplatz zurückgelegt hatten, hatten wir einen neuen Tages-Laufstreckenrekord unserer bisherigen Reise(n) aufgestellt - der bisherige war noch von unserem Ankunftstag in Buenos Aires gewesen.
Am nächsten Tag sind wir dann vom Campingplatz in Avignon runter und zunächst nach Aix-en-Provence gefahren. Wir liefen die Prachtmeile Cours Mirabeau entlang und erkundeten dann die Altstadt. Das entspannte Flair dieser Stadt haben wir sehr genossen: Schöne große und kleine Straßen mit vielen Brunnen, außerdem war immer von irgendwo her Musik zu hören. Hier haben wir auch endlich mal Crêpes gegessen. Wir kauften zudem Calissons, eine provenzalische Süßigkeit, die den Transport im Rucksack bis nach Hause leider nicht überlebt hatte, aber auch in deformiertem Zustand noch sehr gut schmeckte.
Für den nächsten Tag waren für Südfrankreich Unwetter vorhergesagt, sodass es für uns am besten war, wieder einen Fahrtag zurück in Richtung des schon weit entfernten Schwarzwalds einzulegen und dabei dem großen Regen möglichst auszuweichen. Das gelang uns auch ganz gut und den meisten Regen erlebten wir, als wir ohnehin gerade Pause machten.
Beim nächsten Tag legten wir auf der weiteren Heimfahrt noch eine kleine Zwischenstation ein. Um zwischen den vielen Städten mal etwas Natur zu haben, fuhren wir zu den Gorges du Fier, einer Schlucht, die Judith schon kannte und damals schon schön fand. Dort gingen wir gemütlich den befestigten schmalen Weg zwischen den Felsen entlang.
Wir fuhren auf dem Rückweg an unserem Ausgangspunkt vorbei noch etwas weiter Richtung Norden, um auch noch die Stadt Straßburg mitzunehmen. Dort gingen wir zunächst ein bisschen durch die Altstadt, dann in das Straßburger Münster und auf den Münsterturm, von wo aus wir die Aussicht genossen. Danach sahen wir einen nahe gelegenen Bootsanleger am Fluss Ill, dessen Zweige an den Rändern der Altstadt fließen, und entschlossen uns, an einer Kanalrundfahrt teilzunehmen. Auf dieser wurden uns noch verschiedene Informationen über die Stadt gegeben und wir fuhren zum Beispiel zu den wichtigsten EU-Institutionen und kurz in das malerische Viertel La Petite France, also Klein Frankreich, das wegen seiner kleinen Kanäle und Brücken auch "Klein Venedig" genannt wird. So schloss sich der Kreis, den ein Klein Venedig gab es ja auch schon in Colmar. Insgesamt waren wir nun schon in vielen verschiedenen Venedigs zu Gast: In zwei "Klein Venedigs" (Teile von Colmar und Straßburg), zwei "Venedigs des Nordens" (Amsterdam und Brügge), im "Venedig Westfalens" (Lippstadt) und im echten "Venedig" (Venedig). Wenn jemand noch ein anderes Venedig kennt - wir sind offen für weitere Ausflugsvorschläge. Abends fuhren wir nur noch ein paar Kilometer weiter Richtung Deutschland zu einem Stellplatz, der noch in Frankreich war, damit wir noch einen Tag länger krankenversichert waren.
Zurück in Deutschland erkundeten wir dann noch Karlsruhe. Da Karlsruhe die 21.-größte Stadt Deutschlands ist, stellte dieser Besuch die logische Fortsetzung unserer Ausflugsreihe "Die 20 größten Städte Deutschlands" dar (die 19 größten haben wir besucht, in der 20.-größten wohnen wir). An diesem Tag war es mal wieder sehr heiß und die Stadt war, wohl deswegen, gar nicht so voll. Wir liefen nur vom Europaplatz zum Marktplatz, dann noch zum Schloss, vor dem ein Wissenschaftsfestival stattfand, und trafen uns dann mit Judiths Mutter bei Judiths Großtante, die hier wohnt. Am nächsten Tag hatten wir noch ein weiteres Familientreffen in der Nähe und fuhren schließlich zurück nach Villingen. In diesen Tagen begannen in Frankreich die Ausschreitungen nach dem Tod eines 17-Jährigen bei einer Polizeikontrolle, von denen wir also nichts mehr mitbekamen.
Wir hatten nun nicht mehr viel Zeit, um das Wohni sauberzumachen und unser Reisegepäck wieder auszuräumen, denn schon zwei Tage später ging unser Flug nach Seattle.