keine-zeit-ich-muss-reisen
keine-zeit-ich-muss-reisen
vakantio.de/keine-zeit-ich-muss-reisen

Bali – ein Verarbeitungsversuch

Veröffentlicht: 25.12.2023

In Bali anzukommen hat sich dann doch als schwieriger herausgestellt, als es zunächst den Anschein machte. Als es zeitlich Richtung Boarding ging, ging plötzlich die Welt unter. Gewitter und Monsunregen machten sich breit, weswegen die Maschine schon verspätet im Anflug war und wir schließlich erst um Mitternacht, statt geplant um 22.30 Uhr, abgehoben sind. Diverse Kontrollen, Stempel, Scanner etc. später, stand ich dann endlich um 03.45 Uhr in der Ankunftshalle – und wurde zum Freiwild für die Taximafia. Von vorne, hinten, seitlich und von oben rief und pfiff es, mir wurden Ausweise (echte? gefälschte?) unter die Nase gehalten, Preise ins Ohr geflüstert, man wollte mir mein Gepäck tragen und erklären, dass nachts um diese Uhrzeit kein Grab-Fahrer (Uber in Südostasien) mehr arbeitet. Und nein, ich übertreibe nicht. Es war nicht schön und kostete mich alles an Selbstsicherheit und -vertrauen, was ich nach einem Reisetag um diese Uhrzeit noch aufbringen konnte. Schließlich habe ich den Treffpunkt erreicht und mein Fahrer, den ich bereits vor der Taxihölle im Sicherheitsbereich über die App gebucht hatte, kam keine 2 Minuten später. Frage: muss das sein? Gibt man so dem Touristen ein gutes Gefühl, direkt nach der Landung auf der Insel willkommen zu sein?

Mein Boutiqueresort mitten in Seminyak zumindest ist sehr süß. Ein tolles großes Zimmer, ein riesiges Bad, alles geschmackvoll eingerichtet. Dazu ein schöner Pool inmitten von Bäumen und viele Engländern darin. 😉

Nach dem Ausschlafen bin ich in den „heiligen Morgen“ mit Smoothie und Bowl im hippen Sisterfield-Café gestartet (danke, Katha, für den Tipp!). Und habe gleich einen ersten Eindruck vom Bali, 20 Jahre nach meinem ersten Besuch bekommen. Der sich leider bis zum Abend hin nicht wirklich verbessern sollte. Deswegen, und für mehr Realität auf diesem Reiseblog: das ist nicht (mehr) schön. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass sich nichts verändert hat. Doch das überfordert mich. Das Ganze mal hier an 3 Punkten festgemacht – dabei spreche ich nun nur über meinen Bewegungsradius in Seminyak, woanders mag das natürlich wieder ganz anders sein.

  1. Verkehr und Aufdringlichkeit: als Fußgänger hast du auf den Straßen hier nichts zu suchen. Zum einen, weil es oft gar keine Vorrichtungen im Sinne von Bürgersteigen oder Seitenstreifen gibt. Und zum anderen, weil es, wie mir scheint, auch gar nicht vorgesehen ist. Wer etwas auf sich hält, läuft nicht, sondern fährt – motorisiert, mit dem Roller oder mit dem Auto. Vielleicht hat es etwas mit dem Status zu tun, dass nur derjenige läuft, der es sich anders nicht leisten kann. Ich weiß es nicht. Dennoch sollte man mich selbst entscheiden lassen, ob ich laufen oder mich fahren lassen will. Doch habe ich aufgehört zu zählen, wie oft Roller langsam an mir vorbeifuhren oder mich angehupt haben, um mir ihre Transportdienstleistungen anzubieten. Davon mal ganz abgesehen: wenn ich wüsste, dass ich nicht als wandelnde Dollarnote gesehen und mir ein fairer Preis angeboten würde, sähe die Welt vielleicht auch anders aus. Doch wenn ein fairer Preis für die Fahrt vom Hotel zum Hafen lt. Grab bei rund 22 € liegt, der Fahrer vom Flughafen dir als „cheap price“ 35 € anbietet, ist mir das zu anstrengend. Handeln liegt mir nicht und als weiße Frau (weiß im wahrsten Sinne des Wortes 😉) müsste ich mich doppelt so viel anstrengen. Aber bin ich nicht im Urlaub?
  2. Geschäftssinn: etwas, das mich auf meinen ganzen Reisen durch Südostasien, aber auch Peru und Bolivien, immer wieder beschäftigt. Wenn ich den ganzen Tag ziellos mit dem Roller durch die Straßen fahre, in der Hoffnung, einen Fahrgast zum Mitfahren „nötigen“ zu können, ist mein Geschäftsmodell dann das richtige? Wenn ich sehe, dass es in einer Straße bereits 5 _____________ gibt (setzte wahlweise Massagestudios, Souvenirshop, „official“ Moneyexchange, „official“ Touristinformation, Bar, Restaurant etc. ein), mache ich dann den sechsten gleichen Laden auf? Oder, mein Paradebeispiel: wenn der Touri nach einem 2-stündigen Aufstieg irgendwo im Norden Vietnams bei 95 % Luftfeuchtigkeit oben am Berg ankommt, biete ich ihm dann selbstgehäkelte Portemonnaies zum Kauf an, oder doch lieber Wasser, Fruchtshakes und Obst? You know what I mean. Diese Gedanken lassen mich oftmals nicht los und kreiseln permanent in meinem Kopf, wird es einem doch auch permanent vor Augen gehalten.
  3. Müll: das wirklich große Problem. Der Gegensatz zu Singapur hätte auf meinen letzten Stopps nicht gewesen sein können. Ich weiß, ich sollte nicht immer von mir ausgehen. Aber findet man es nicht im Allgemeinen schöner, in einer Umgebung zu leben, die einigermaßen aufgeräumt ist? Die einigermaßen instandgesetzt ist? Das beschäftigt mich immer und immer wieder, wo mein Auge auch hinblickt. Bereits letztes Jahr auf Ko Chang. Hätte man nicht die Corona-Phase dafür etwas nutzen können? Aber ja, der Anspruch ist ein anderer und die Prioritäten zu unseren/ meinen konträr. Dennoch sind es u.a. diese Umstände, die mich immer wieder gerne nach Hause zurückkommen lassen.
Und das ist auch für mich die größte Herausforderung am allein Reisen. Nicht das von A nach B kommen, sich zurechtfinden etc. Sondern diese Eindrücke, die täglich, stündlich und minütlich auf mich einprasseln, zu verarbeiten und in diesem Sinne nicht im Moment teilen zu können. Sie wabern in meinem Kopf herum und kosten ungemein Energie. Und lassen mich abends völlig fertig ins Bett, oder auch manchmal in ein kleines Loch fallen. Danke an alle, die mich bisher mit Calls und WhatsApp in solchen Momenten wieder aufgebaut haben. 😊 Auch dieser Beitrag musste in seiner Offenheit sein. Genauso wie die Feststellung und Erkenntnis, dass ich für 8 Wochen Reisen allein, ohne festen Plan, nicht gemacht bin. Vielleicht mache ich die 4 Wochen voll, vielleicht komme ich aber auch schon nach 3 Wochen zurück. Dazu die Tage mehr.

Damit jedoch nicht alles so negativ erscheint: Fotos vom wirklich schönen Sonnenuntergang am gestrigen Heiligabend und mein heutiges Frühstück in einem Kleinod an Café, nicht weit von meinem Hotel entfernt.
Antworten (1)

Scampijoe
Vielen Dank für Deine offenen Worte! Kopf hoch und Energie aus der Heimat für die nächsten Tage ✌️

Indonesien
Reiseberichte Indonesien