Mont-Tremblant - Arnprior

Der gelesene Wetterbericht hat sich leider bewahrheitet. Es regnet Bindfäden. Aber man muss solche Dinge positiv sehen, und es hätte auch schon gestern passieren können. Dann wäre mein schöner Ausflug in den Park ein wenig verwässert worden, und so bin ich zufrieden und plane ein wenig um. Anstatt wieder durch eine besonders erwähnte Landschaft zu , beschließe ich nach Ottawa Downtown zu gehen. Das hatte ich eigentlich nicht vor. Wie sich herausstellen wird, wird es ein Glücksgriff.

Die Farbenpracht ist bei Regen ein wenig gedämpft. Ich selber mag ja das Wetter, aber ich muss zugeben, dass es bei Sonne schon sehr viel besser aussieht. Die ersten 60 Minuten regnet aus auch noch in Maßen. Aber danach geht es richtig los. Ich sehe mich in Ottawa schon im Auto sitzen und überlegen ob ich loslaufen soll, aber als ich in die Stadt einbiege, endet der Regenguss. Leider ist mein vorher anvisiertes Parkhaus geschlossen, und so suche ich manuell einen Parkplatz. Nach einigen Mühen erwische ich tatsächlich einen freien in einer Seitenstraße. Und am Wochenende kostet es nicht mal was.

Ich laufe also regenfrei los, und sehe eine Stadt, die für eine nordamerikanische Großstadt relativ wenig Hochhäuser hat. Ottawa ist ja der kanadische Regierungssitz und ich mache auf den Weg zu Parliament Hill. Dort bin ich geplättet. Die Wucht der Architektur der Gebäude ist phänomenal. So etwas sieht man im Westen der USA überhaupt nicht. Vor dem Parlamentsgebäude liegen hunderte von Kinderschuhen und Spielzeug auf dem Boden. Ich habe keine Ahnung um was es sich dabei handelt und frage einen Sicherheitsbeamten.

Der erzählt mir eine sehr traurige Geschichte. Man hat im Frühsommer in British Columbia die Leichen von fast 1000 Kindern gefunden. Eingeborene Kinder, die in Heime gesteckt wurden, um Ihnen das indigene auszutreiben. So wie in der Stolen Generation in Australien. Der Fund war ein Schock für ganz Kanada, und ich schäme mich ein wenig, dass ich noch nicht davon gehört hatte. Ich frage ihn ob die Kinder ermordet wurden. Er sagt, dass man das nicht genau weiß, aber dass sie zumindest schlecht behandelt wurden. Und vielleicht daran sterben. Die niedergelegten Kindersachen sollen an diese Kinder erinnern. Wieder mal ein Schandfleck für die katholische Kirche, die viele dieser Heime betrieb. 

Ein wenig betrübt von diesen Erzählungen laufe ich zum Major‘s Hill Park, wo man einen tollen Blick auf das Parlamentsgebäude hat und über den Fluss Ottawa auf die Zwillingsstadt Gatineau. Im Park toben sich zahllose Eichhörnchen auf der Wiese aus. Ein graues entdecke ich auch - der Rest ist schwarz. Ein Blick in den Himmel rät mir, nach 3 Stunden zum Auto zurück zu laufen. Und es ist nicht verfrüht.

20 Minuten bevor ich am Parkplatz ankomme öffnen sich die Schleusen wieder. Und es setzt ein Platzregen ein. Mein Abstellort war gut gewählt, nach zwei Abbiegungen bin ich schon auf der richtigen Straße und es geht im Stau aus Ottawa hinaus. Der Regen wird immer dichter. Ich hoffe nur dass es morgen ein wenig nachlässt, Spaß macht das Fahren bei dem Wetter nicht.

Nach einer guten Stunde habe ich meinen Zielort Arnprior erreicht. Er liegt in Ontario und es wird nun englisch gesprochen. Die Frau an der Rezeption kommt aus Birmingham. In England. Nicht in Alabama. Wir unterhalten uns ein wenig über COVID und Kinder und schon stellt sich dieses Smalltalk Gefühl ein. Das habe ich die letzten vier Tage vermisst. Mein Zimmer ist frisch renoviert und ich bin früh hier und kann so ein wenig ausruhen. Ich merke schon wie meine Kräfte ein wenig nachlassen, auch wenn sich das auf Autofahren bezogen ein wenig lächerlich anhört. Ich verrichte ja keine körperliche Arbeit. Trotzdem bin ich um Pausen froh. 

Ein kleiner Ausflug an den Ottawa-Fluss zum Abschluss des Tages lässt mich schmunzelnd zurück. Hier gibt es einen Leuchtturm, der, wie sich herausstellt, kaum größer ist als ich. Ich will mein Nova Scotia wieder zurück haben.