Veröffentlicht: 21.08.2023
Am Flughafen angekommen nahmen wir einen Bus in die Stadt, der im Verlauf der Fahrt so vollgestopft war, dass wir mit unseren großen Rucksäcken fast keinen Platz hatten. Die Zwischenhaltestelle hieß „autopista“, also Autobahn, und war auch ähnlich komfortabel zum umsteigen. Uns wurde empfohlen lieber ein Taxi in die Innenstadt zu nehmen, da das sicherer wäre. Zum ersten Mal hatten wir ein mulmiges Gefühl in Südamerika. Nach einiger Lauferei fanden wir ein Taxi und fuhren damit sicher und deutlich bequemer in das historische Zentrum Quitos. Hier verbrachten wir die Wartezeit auf einer schönen Dachterrasse mit einer leckeren heißen Schokolade und Empanadas. In den Nachrichten hatten wir gehört, dass im Rahmen der anstehenden Neuwahlen einer der Präsidentschaftskandidaten erschossen wurde. Von anderen Mitreisenden erfuhren wir, dass es in der Stadt wohl mehr Polizei als sonst gäbe, sonst aber alles wie immer sei. Wir waren trotzdem ganz froh, dass wir direkt weiter in den Regenwald fuhren und die Lage erstmal aus der Ferne verfolgen konnten. Auf der Dachterrasse lernten wir weitere Amazonas-Reisende kennen, die zufälligerweise auch alle in der „Bamboo Lodge“ waren wie wir. Spät abends ging es dann mit dem Nachtbus in das 8h entfernte Städtchen Nueva Loja, wo wir frühstückten und von der Lodge abgeholt wurden. Leider vertrug Jana die Malariaprophylaxe nicht gut und setzte sie kurzfristig ab, zumal Cuyabeno keine ganz strenge Empfehlung dafür hat. Von Nueva Loja ging es dann nochmal 2h mit dem Bus weiter zur Anlegestelle für die Motorkanus. Die Anfahrt zur Lodge erfolgte über den Río Cuyabeno und war schon der erste Teil unseres Abenteuerausfluges. Wir konnten in den 2,5 Stunden Fahrt viele Schmetterlinge, einige Äffchen und drei Faultiere hoch in den Bäumen beobachten - alles untermalt vom lebendigen „Brummen“ der Grillen des Regenwaldes! Angekommen in unserer Lodge waren wir von den Socken, es war richtig richtig schön! Ein kleines bisschen Luxus inmitten des dichten Amazonas. Nach einem leckeren - veganen! - Mittagessen ging es dann direkt wieder weiter mit dem Motorkanu raus auf die angrenzende Laguna Grande. Hier sahen wir - zugegebenermaßen nur den Rücken - von zwei Amazonas-Flussdelfinen, die sich bei Anstrengung oder in anderen Situationen rosa färben können! Außerdem leben in dem Fluss und der Lagune sogenannte „paiche“, das sind 2,50m große und 250kg schwere Fische, die beim Aufschlagen ihrer Flosse auf die Wasseroberfläche wie eine Peitsche klingen - daher der Name. Dazu kommen noch Kaimane, eine Unterart der Krokodile, die nachtaktiv sind und Piranhas. Wir erfuhren, sehr zu unserer Erleichterung, dass keines der Tiere gern an Menschen knabbert. Piranhas sind sogar eigentlich Pflanzenfresser, am liebsten essen sie Früchte und Samen oder Nüsse. Nur in der Trockenzeit, wenn der Wasserspiegel drastisch sinkt und das Nahrungsangebot knapp wird, sind sie nicht mehr wählerisch. Unser Guide meinte, in der Trockenzeit würde er sich von ihnen fern halten, aber aktuell sei das alles kein Problem. Für uns ging es nämlich kurze Zeit später in genau dieser Lagune schwimmen! Mit einem etwas mulmigen Gefühl hüpften wir vom Kanu aus ins Wasser, aber nach kurzer Zeit genossen wir die Erfrischung und den schönen Ausblick auf den Sonnenuntergang. Bevor es dunkel wurde ging es dann zurück zur Lodge und nach dem Abtrocknen direkt wieder mit dem Kanu raus in die Nacht auf der Suche nach den Kaimanen. Wir fanden zwei, von denen wir die Köpfe über der Wasseroberfläche sehen konnten, bevor sie sich schnell aus dem Staub machten. Der Sternenhimmel war super schön, wir glitten ganz leise durch das spiegelglatte Wasser. Nach dem leckeren Abendessen ging es dann ins Bett. Was ein toller erster Tag!
Am nächsten Morgen stand der Besuch eines indigenen Dorfes des Stammes der Siona an. Die Fahrt dahin dauerte 2h und wir beobachteten wieder Äffchen und Vögel. Angekommen in dem süßen kleinen Dörfchen, in dem nur ca. 45 Leute leben, sahen wir, dass es selbst hier W-Lan und Klimaanlagen gab. Außerdem einen Fußballplatz, auf dem die verschiedenen Stämme regelmäßig gegeneinander spielen und so auch die seltene Möglichkeit haben Mitglieder anderer Clans kennen zu lernen, quasi Parship auf dem Fußballplatz. Wir gingen zu den Yuca-Pflanzen, um dieses kartoffelähnliche Gemüse frisch zu ernten. Die Yucas sind riesig und die Schale lässt sich ganz einfach mit der Hand abziehen, außerdem enthalten sie mehr Nährwert als eine normale Kartoffel und sind ein wichtiges Nahrungsmittel im Amazonas. Anschließend wurde alles zu einem Brei gerieben, das Wasser ausgepresst und das übrig gebliebene Mehl gesiebt. Das Mehl wurde dann, ganz ohne Wasser oder Öl, auf einer heißen Lehmplatte über dem offenen Feuer dünn verteilt und nach wenigen Minuten war das Yuca-Brot fertig! Dazu gab es Tomatensalat, frittierte Bananen und frische Limonade, alles super einfach und super lecker. Wir verabschiedeten uns und fuhren zurück zur Lodge. Nachmittags stand dann unsere erste lange Wanderung an. Ausgerüstet mit Regenponchos und dicken Gummistiefeln ging es immer tiefer rein in den Dschungel. Einmal sahen wir über uns eine ganz seltene Affenart die Bäume entlang huschen. Der sogenannte Taschenaffe ist total winzig und flink, weshalb man ihn kaum sehen konnte, aber unser Guide war ganz aus dem Häuschen, da er so selten ist. Wir stapften weiter über Baumstämme und Schlammlöcher und so langsam wurde es dunkel. Und damit erwachten die Tiere immer mehr zum leben. Wir sahen mehrere Spinnen, unter anderem zweimal die hochgiftige Bananenspinne. Die war erstens riesig, zweitens sah sie bösartig aus und drittens kann sie angeblich 1m weit springen, weshalb wir da ausreichend Abstand einhielten 😅 Außerdem sahen wir eine große Tarantel, die der Guide mit einem Stöckchen aus ihrem Erdloch lockte. Obwohl auch diese Spinnenart, ähnlich wie die Vogelspinne, bedrohlich aussieht, ist sie eigentlich eine von den Guten. Sie sitzt meistens ziemlich entspannt herum, beißt und sticht in der Regel nicht und selbst wenn, ist sie nicht giftiger als eine Biene. Anders als wir beiden es sonst tun, werden Tiere hier nicht in „ekelig“ oder nicht unterschieden, sondern eher in „kann mich töten“ oder eben nicht 😄 Wir lernten also: Taranteln und Kakerlaken sind Freunde, Bananenspinnen nicht. Im Verlauf der Wanderung fing es dann auch noch an richtig doll zu regnen, was dieses Abenteuer perfekt abrundete. Nass, schlammig und glücklich kamen wir wieder in der Lodge an. Nach dem mal wieder phänomenalen Essen und dem Entdecken einer nicht gerade kleinen Vogelspinne außen in der Nähe unseres Zimmers gingen wir ins Bett. Dort wartete eine unfassbar riesige Kakerlake auf uns, die auf unserem Moskitonetz herumlief - wir nannten sie die Mutter aller Kakerlaken, denn so etwas großes hatten wir noch nie gesehen. Kurzerhand riefen wir einen Mitarbeiter zu Hilfe, der dieses handtellergroße Geschöpf tiefenentspannt mit einer Mülltüte einfing und uns noch „buenas noches“ wünschte. Naja, wir sind zwar weiterhin keine großen Insektenfreunde, aber so langsam gewöhnen wir uns daran und werden immer mutiger.
Am nächsten Tag stand Paddeln auf dem Plan. Diesmal konnten wir uns nicht entspannt mit dem Motorkanu herumschippern lassen, sondern mussten selbst ordentlich mithelfen. Wir sahen wieder viele Affen, darunter die flauschigen Mönchsaffen, die dem Gorilla etwas ähnlich sehenden Wollaffen und die süßen Totenkopfäffchen. Sie schwangen sich mühelos über uns durch die Baumwipfel, während wir unten schwitzend paddelten. Wir fuhren durch dichten Urwald und so seichtes Wasser, dass wir kurz aussteigen und das Kanu ziehen mussten, um dann auf einer wunderschönen Lagune anzukommen. Wir legten am anderen Ende des Sees an und gingen zu Fuß weiter. Hier sahen wir einen großen Tukan hoch oben im Baum, sowie zwei wunderschöne blau-gelbe Aras. Unser Guide Luis hatte wirklich Adleraugen und Luxohren, er sah und hörte alle Tiere immer meterweit bevor wir nur eine Ahnung hatten, dass da vielleicht etwas sein könnte. Er ist seit 25 Jahren Guide in diesem Gebiet und selbst im Regenwald aufgewachsen, außerdem spricht er 6 Sprachen, unter anderem Englisch und Deutsch - besser konnten wir es gar nicht treffen. So zeigte er uns auch verschiedene Pflanzen, die als Heilmittel benutzt werden können. Unsere kleine Paddelcrew, die neben uns aus Lisa, Stefan, Teresa und Franziska aus Österreich bestand, machte sich nach dem Mittagessen mitten im Dschungel dann wieder auf den Heimweg. Dort trafen wir den anderen Teil der Gruppe und lieferten uns einen erbitterten Paddelwettkampf zurück zur Lodge. Wir waren zwar nicht Erster, aber die Sieger der Herzen und fuhren noch kurz bei einem weiteren Äffchen vorbei. Der süße Nachtaffe war seltsamerweise auch tagsüber nicht am schlafen und bewachte seine Baumhöhle mit seinen riesigen Glubschaugen. Nachdem wir uns etwas ausgeruht hatten, ging es im Dunkeln nochmal mit dem Motorkanu raus und wir sahen eine süße Eule, eine Baumschlange und den Kopf eines richtig großen Kaimans. Nach dem Abendessen stand dann unsere letzte selbstgewählte Mutprobe an, wir wollten die Bewohner des Aussichtsturmes besuchen - 2 Vogelspinnen. Nachdem wir auch das gemeistert hatten, würden wir uns jetzt zurecht als mutige Amazonasabenteurer bezeichnen! 😄
Und dann war auch schon unser letzter Tag angebrochen. An dem ging es ganz früh morgens raus auf die Lagune, um Vögel zu beobachten. Wir sahen wie die Tage zuvor viele Anis, die Geräusche wie ein Wasserkocher machen und mit den Affen zusammen arbeiten. Wenn die Äffchen von Ast zu Ast hüpfen, fallen Insekten für die Anis an und im Gegenzug warnen die Anis die Äffchen mit ihren Blubbergeräuschen vor nahenden Greifvögeln. Ein gutes Team also. Außerdem beobachten wir die lustigen „Stinky turkeys“, die eine ganz struppige Irokesenfrisur haben und so klingen als hätten sie Asthma und ihr Spray vergessen. Dann gab es da noch ein paar Kolibris und ganz kurz sahen wir einen Otter. Zurück in der Lodge gab es Frühstück und wir hatten noch Zeit auf den Aussichtsturm (tagsüber ohne sichtbare Vogelspinnen) zu gehen. Von dort hatte man einen schönen Ausblick über die Baumwipfel und wir hatten das Glück, dass sich ein schöner Tukan genau den Ast vor uns ausgesucht hatte, um seine ausführliche Morgentoilette zu vollziehen. Jeder Zentimeter des Gefieders wurde gründlich mit dem großen Schnabel gereinigt und so herausgeputzt zeigte er sich uns dann in seiner vollen Pracht. Das war ein toller Abschluss von 4 tollen Tagen! Zurück ging es wieder mit diversen Tiersichtungen vom Motorkanu aus, dann wieder 2 Stunden Busfahrt nach Nueva Loja und danach 8 Stunden nach Quito. Aber wir fanden, dass sich die weite Anreise absolut gelohnt hat!
Die nächsten Tage bleiben wir in Quito und gucken uns die politische Lage und das Umland mal genauer an.