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Sofia - die Großstadt am Fuße des Vitosha (13. Stop)

Veröffentlicht: 06.07.2021

Jetzt geht es aber wirklich in die Hauptstadt Bulgariens: Sofia. Recht lange recherchieren wir, wie wir unseren Aufenthalt in Sofia gestalten. Wir wollen auf jeden Fall den Hausberg Vitosha besteigen, aber auch genug Zeit haben, um die Stadt zu besichtigen. Ausserdem ist noch die Frage zu klären, wie und wann wir beide nach Skipje weiterfahren können. Es gibt Busse, die in relativ kurzer Zeit von der Innenstadt verschiedene Wanderparkplätze anfahren. An Wochenenden fahren sie ca. alle 30 Minuten, unter der Woche allerdings nur alle 3,5h. Grund genug, dass wir uns dazu entschließen, gleich am Sonntag wandern zu gehen. Babsi hat auf Komoot eine Tour mit nicht ganz 900hm rausgesucht, die auf den höchsten Gipfel des Massivs, den Cherni Vrah (schwarzer Berg), führt.
In der Früh holen wir uns an der Metro Station gleich ein Tagesticket für alle öffentlichen Verkehrsmittel für nur 4 leva (2€). Die U-Bahn-Stationen beeindrucken durch ihre Größe und moderne Gestaltung. Babsi wird gleich an der ersten Station von Polizisten zurückgepfiffen, weil sie unerlaubt Fotos gemacht hat. Upsi. Komischerweise muss man das Tagesticket regelmäßig am Schalter validieren lassen, aber ansonsten klappt mit den Öffentlichen alles sehr gut. Ganz ohne Zwischenfälle kommen wir am gewünschten Parkplatz raus. Die Wanderung kann also los gehen! Wir starten wieder auf einem schmalen Pfad durch den Wald, bis wir an steilen Felswänden Kletterern begegnen. Das sieht ziemlich cool aus. Unser Pfad wird immer unwegsamer und steigt steil links neben den Felsen auf. Dadurch gewinnen wir schnell an Höhe und können bald über die Felswände bis nach Sofia schauen. Wir kämpfen uns durch hohes Gras und viele bunte Blumen. Weiter oben wird die Vegetation alpiner, es werden flachere Strauchgewächse und der Boden wird sumpfiger. Das Gelände wird außerdem fast schlagartig flacher. Wir machen noch einen kleinen Abstecher zu einem Aussichtspunkt und bewundern die Weite Sofias. Kurz danach stoßen wir auf einen deutlich touristischeren Wanderweg. Das hat uns doch ein bisschen überrascht: hier ist doch einiges los. Wir begegnen den unterschiedlichsten Leuten: von Bergläufern über Wanderer bis hin zu Familien und Tagestouristen in hohen Schuhen und Kleid. Wie sind die wohl hier hoch gekommen? Ein breiter, ausgebauter Weg führt uns über die weite Hochebene in die Nähe des Gipfels. Bald wird die Schotterstraße aber wieder zu einem Pfad, der sich zum Gipfel schlängelt. Oben steht auch eine Schutzhütte und mehrere sehr große Steinhaufen. An einem dieser Steinhaufen suchen wir Schutz vor dem Wind und machen Brotzeit. Das beste nach so einer Wanderung. Auf der einen Seite kann man auf Sofia blicken, auf der anderen Seite erblickt man etwas weiter entfernt sehr hohe Berge, auf denen noch deutlich Schnee zu erkennen ist. Wir sind froh, dass wir gut ausgestattet sind, weil es oben doch sehr kalt und windig ist. Der Rückweg ist etwas kürzer und geht teilweise unter einer Seilbahn entlang, die aber nicht mehr in Betrieb zu sein scheint. Zumindest sieht sie schon sehr alt und verrostet aus. Wieder unten lesen wir noch auf einem Schild, dass wir uns auf dem Pyrenäen-Alpen-Rila-Pelopones (E4) Weg befinden. Dann kommt aber auch schon der Bus, und wir sprinten zur Haltestelle, damit er uns auch mitnimmt. Wir sind super zufrieden mit unseren 15km.

Weil wir sowieso ein Tagesticket haben, fahren wir direkt zum Busbahnhof, um uns über Verbindungen nach Skopje zu informieren. Schwerer als gedacht. Wir klappern die verschiedensten Bus Companys ab, doch keine davon fährt nach Skopje. Ohje. Dafür lesen wir an jedem zweiten Fenster, dass Busse nach Istanbul gehen. Nach längerer Suche finden wir in hinterster Ecke einen Vertreiber von Busfahrten nach Albanien, die auch in Nordmazedonien halten. Einziges Problem: die Busse fahren nur Montag und Donnerstag um 15 Uhr - es ist Sonntag Abend und wir haben noch nichts von Sofia gesehen. Wir beschließen, beim Abendessen weiter zu grübeln, weil wir erstmal eine Dusche bitter nötig haben. Wieder frisch suchen wir ein kleines veganes Schnellrestaurant auf. Dort treffen wir schon nach kurzer Zeit die Entscheidung: wir fahren erst am Donnerstag nach Skopje und nehmen dafür morgen Abend den Bus nach Istanbul. Wie aufregend! Wir überlegen noch in die Red Flat zu gehen, ein interaktives Museum über das Leben während des kommunistischen Regimes, aber merken leider, dass wir die Öffnungszeiten verpasst haben (Sa, So von 10.30-18 Uhr). Schade! Stattdessen schlendern wir noch ein bisschen durch die Fußgängerzone, das Flair dort gefällt uns sehr gut.

Am nächsten Morgen machen wir uns gleich auf, um unsere Bustickets zu kaufen und unser Gepäck wegzusperren. An der Central Bus Station gibt es einen 24h Gepäckaufbewahrungsservis. Praktisch! Es dauert ein bisschen, bis wir unsere Tickets an den verschiedenen Schaltern gekauft haben, aber dann sind wir bereit Sofia zu entdecken. Die free walking Tour ist die größte an der wir bisher teilnehmen, und auch unser Tourguide ist von den vielen Interessierten begeistert. Auch für ihn ist es die größte Tour seit Beginn der Pandemie. Wir beginnen am Justizpalast. Ein paar Menschen haben dort ihre Zelte aufgeschlagen, um gegen den korrupten Staatsanwalt zu demonstrieren. Bald stehen auch Neuwahlen an, da eine regierungsbildung im Frühjahr gescheitert ist. Es wird die erste komplett elektronische Wahl in Bulgarien sein. Wir bleiben zunächst vor der Kathedrale Sweta Nedelja stehen. Wir bekommen noch einmal einen groben Überblick über Bulgariens bzw. Sofias Geschichte, von den Griechen und den Römern über erstes und zweites bulgarisches Königreich, Zarentum, kommunistisches Regime im Warschauer Pakt und heute demokratischer Staat, Mitglied der Nato und der EU. An der Kirche erzählt er uns von dem Attentat von 1925, bei dem das gesamte Kirchendach gesprengt wurde. Bei dem Anschlag wurden über 120 Personen hauptsächlich aus der politischen und militärischen Elite Bulgariens getötet und rund 500 verletzt. Ziel war die Beseitigung der führenden bulgarischen Politiker und Generäle mit einem Schlag, um eine Übernahme durch die Kommunisten vorzubereiten. Allerdings verfehlte der Anschlag sein Ziel: der Zar Boris III. überlebte. Das Attentat hatte im Nachhinein noch für viele Menschen schlimme Folgen. Als nächstes bleiben wir vor einer hohen Säule stehen, auf deren Spitze eine bronzene Frauenstatue thront. Unser Guide erklärt uns, dass diese erst 2000 aufgestellt wurde. Fälschlicherweise denken viele Leute, dass der Name der Stadt von ihr abgeleitet ist. Jedoch wurde die Stadt nach der Kirche Sweta Sofia benannt. Der Name der Kirche heißt übersetzt "heilige Weisheit" und leitet sich ebenfalls nicht von einer Person ab. Nicht nur aus diesem Grund ist die Statue in der Stadt eher unbeliebt, auch weil sie sehr weibliche Kurven hat. Das hat der orthodoxen Kirche nicht so gut gefallen.
Die Stadt Sofia besitzt keine richtige Altstadt, aber was sie auszeichnet ist das Zusammenspiel der verschiedenen Jahrhunderte. Wir stehen an einem Platz neben dem U-Bahneingang Serdica, wo dies gut sichtbar wird: Ausgrabungen von römischen Mauern aus dem 4. Jahrhundert stehen neben einer kleinen Kirche aus dem 14. Jahrhundert, gegenüber befindet sich eine Moschee aus dem 16. Jahrhundert, hinter uns ragt ein Gebäude aus der Zeit des kommunistischen Regimes empor und auf der anderen Seite befindet sich ein McDonalds mit Streetart-Fasade. Ein paar Schritte weiter oben befinden wir uns auf der sogenannten Achse der Toleranz, da vier Gotteshäuser verschiedener Religionen in unmittelbarer Nähe zueinander stehen. Dort erzählt uns auch der Guide, dass diese Toleranz in folgender Gegebenheiten zum Ausdruck kommt: nachdem Bulgarien im zweiten Weltkrieg den Achsenmächten beigetreten war, wurde auch von ihnen die Deportation von Juden verlangt. Durch den starken Rückhalt in der Bevölkerung, sorgte die Regierung für immer weiteres Aufschieben dieser Deportationen, wodurch viele Menschenleben gerettet werden konnten.
Der Guide führt uns zu seinem Lieblingsort in der Stadt - die natürlichen Quellen. Wir finden es spannend, dass Sofia zu einer Großstadt wurde, obwohl durch sie kein großer Fluss fließt. Erklärt wird uns das durch die Lage am Vitosha Berg und die 42 natürlichen Wasserquellen, um die sich selbstverständlich auch einige Mythen ranken. Das Wasser ist zwar warm, aber schmeckt so viel besser als das Leitungswasser aus dem Hostel. Und soll zudem heilende Kräfte haben. Und über Liebeskummer hinweghelfen. Klar, was auch sonst. ;)
In der Nähe des ehemaligen Königspalasts stoßen wir auf gelbe Pflastersteine. Der König hat sie einst verbauen lassen, um der Stadt etwas besonderes zu geben. Allerdings hassen die Stadtbewohner diesen Untergrund, da er vor allem bei Regen sehr rutschig wird (wie wir später noch selbst erfahren). Unser vorletzter Halt ist an der Kirche Sweta Sofia, die neben der größten orthodoxen Kirche Bulgariens, der Alexander-Newski-Kathedrale, fast schon verschwindet. Sie hatten wohl auch vergessen, eine Glocke einzubauen, weshalb nun eine im Baum vor der Kirche hängt.
Als wichtigen Side-Fact lernen wir noch, warum in Bulgarien eigentlich das kyrillische Alphabet verwendet wird: es wurde wohl tatsächlich dort erfunden. Darauf sind die Menschen in Bulgarien auch sehr stolz, da die Schrift mittlerweile von mehreren Millionen Menschen genutzt wird. Übrigens werden wir auch immer besser im Lesen dieser Schrift, worauf auch wir sehr stolz sind. Nach der Tour wird uns noch der National Palace of Culture empfohlen, der in einem Park am anderen Ende der Fußgängerzone liegt. Davor gibt es mehrere Springbrunnen, das Gebäude selbst gefällt uns allerdings nicht. Wir beschließen, uns in den Park zu setzen und Blog zu schreiben, bis uns ein starker Regenschauer erwischt. Völlig durchnässt suchen wir Unterschlupf in der U-Bahn-Station, die im Zwischengeschoss auch eine große Springbrunnenanlage hat. Wer kann, der kann. XD

Weil es Lukas' letzter Abend ist, gehen wir noch schön essen in der Fußgängerzone und danach einen Cocktail schlürfen in "The Cocktailbar", die sehr süß in einem kleinen Hof liegt. Am Ende müssen wir uns dann doch beeilen, um rechtzeitig zu unserem Bus nach Istanbul zu kommen. Wir sind schon ganz aufgeregt. Lukas bringt uns noch zum Bus und wir verabschieden uns. Der zweite Monat unserer Reise beginnt, wir sind gespannt, was uns noch erwartet!

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