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Plovdiv - spontaner Zwischenstop (12. Stop)

Veröffentlicht: 06.07.2021

Nach den schönen Tagen am Schwarzen Meer begeben wir uns wieder in das Landesinnere Bulgariens. Aufgrund von Empfehlungen einer guten Freundin von Veronika und ein paar Schweizern fahren wir nicht direkt weiter nach Sofia, sondern machen einen Zwischenstopp in Plovdiv, der zweitgrößten Stadt Bulgariens. Gute Wahl. Die Zugfahrt führt uns unter anderem durch riesige Sonnenblumenfelder. Wir sind beeindruckt. Noch im Zug recherchieren wir und finden heraus, dass Bulgarien der zweitwichtigste Erzeuger von Sonnenblumen Europas ist. Das erklärt natürlich einiges. Auf sonst ist die durchaus hügelige Landschaft Bulgariens sehr beeindruckend. Auch die kleinen Seen sind sehr schön. Weil wir ein sehr schönes Apartment mit gut ausgestatteter Küche haben, wollen wir gerne mal wieder Kochen: Lukas gewinnt endlich, es gibt Bohnengulasch! Nebenher müssen wir noch unsere Wäsche trocknen und wir lassen das Fußballspiel Spanien gegen Schweiz laufen. Vielleicht ein kleiner Fehler, denn wir rechnen nicht damit, dass das Spiel in die Verlängerung geht. Aber was soll's, wir haben sowieso einen Termin mit den singing fountains um halb zehn. Veronika hat davon gelesen und ist hellauf begeistert. Wir müssen da unbedingt hin. Also machen wir uns trotz Elfmeterschießen auf den Weg in die Innenstadt um uns am Wasserspiel zu erfreuen. Leider dauert die Vorstellung nur etwa 15 Minuten zu klassischer Musik, weshalb wir anschließend noch durch die Fußgängerzone schlendern. Uns gefällt schon an diesem Abend Plovdiv sehr gut. Die Fußgängerzone ist lebendig und voller Cafes und Restaurants. Und nicht zu vergessen: es gibt genug Eisdielen.

Da wir am Abend schon Richtung Sofia weiterfahren, bringen wir unsere Backpacks noch vor der Free walking tour zum Bahnhof. In der Free walking tour lernen wir wieder viel über die Geschichte und die Gebäude der Stadt. Die Stadt ist sehr alt. Ungefähr 8000 Jahre alt. Ganz schön alt. In dieser Zeit siedelten sich die ersten thrakischen Stämme an. Erst 341 v. Chr. wurde die Stadt von Philipp dem Zweiten von Makedonien erobert und unter dem Namen Philippopolis neu gegründet. 72 v. Chr. wurde die Stadt dann von den Römern erobert. Vor allem in dieser Zeit ist die Stadt sehr gewachsen. Außerdem birgt sie auch einige Schätze daher. Erst im 5. Jahrhundert n. Chr. kamen die ersten slawischen Stämme, darunter auch die ersten Bulgaren. 1364 fiel das Stadtgebiet unter die Herrschaft des Osmanischen Reichs. In diesem Zug wurde die Stadt ein wichtiges Handwerks- und Handelszentrum. Man merkt schon an dieser kurzen Geschichtszusammenfassung, wie vielfältig die Einflüsse in dieser Stadt sind. Und das sieht man auch: wir passieren eine wunderschöne große Moschee, besichtigen das alte römische Stadion, sowie auch das Theater. Im ethnologischen Museum kann man außerdem entdecken, wie die Menschen der bulgarischen Stämme gelebt haben. Das alte römische Stadion erstreckt sich unterhalb der Fußgängerzone, komplett von einem bis zum anderen Ende. Die beiden Enden sind freigelegt und können besichtigt werden. In einigen Geschäften oder Läden wurden weitere Ausgrabungen offengelegt und man kann ab und zu einen Blick erhaschen. Ziemlich beeindruckend. Man sollte dazu sagen, dass die Straße existierte, bevor die Ausgrabungen zufällig entdeckt wurden. Deshalb wurden nicht alle Häuser wieder abgerissen, sondern man entschied sich für einen bewohnerfreundlicheren Kompromiss. Diese Integration von Ausgrabungen in das Stadtbild macht Plovdiv aus und begeistert uns sehr. Auch das Kapana Viertel gefällt uns besonders gut. Es ist voller Cafés und kleiner Restaurants, darunter auch ein sehr leckeres veganes Restaurant. Außerdem wurden die alten Gebäude mit Streetart ganz schön aufgepeppt. Das frühere Händlerviertel war nach einem Brand nicht mehr attraktiv für Bewohner oder Händler Punkt keiner konnte es sich leisten, die Wohnungen wieder bewohnbar zu machen oder Geschäftsräume wieder herzurichten. Aus diesem Grund wagte die Stadt etwas Neues: sie stellte die Mieträume für 1 Jahr kostenlos zur Verfügung um wieder Leben in das Viertel zu bringen. Und es war erfolgreich! Zwar konnten sich viele die Renovierungen trotzdem nicht leisten, ließen aber Streetart-Künstler die Fassaden verschönern. Heute ist das Viertel DER Treffpunkt für ein Bier, einen Kaffee, oder einen Rakija.
Wir kommen in die Altstadt und bemerken Häuser, die in den oberen Stockwerken deutlich breiter sind als im Erdgeschoss. Unser Guide erklärt uns, dass das an einer Eigenschaft der Bulgaren liegt, auf die er sehr stolz zu sein scheint: die Regierung verarschen können sie. In diesem Fall nutzen sie die Gegebenheit, dass der Preis für das Grundstück sich lediglich am Erdgeschoss misst, nicht aber anhören Stockwerken Punkt schon clever eigentlich. Eine ähnliche Geschichte hat auch die Konstantin und Elena Kirche: da unter dem Osmanischen Reich dürfen vom Stadtzentrum aus nicht gesehen werden durften, bauten sie einfach eine riesengroße Mauer drumherum. Uns gefällt auch besonders die Intention hinter drei Statuen der Stadt. Ein ausgewanderter Arzt ließ sie nach seiner Rückkehr in Plovdiv aufstellen: er entschied sich für drei Personen, die bedeutsam waren, weil sie den Menschen Freude brachten-ein Musiker, ein Künstler, und Milyo, der unter allen für seine hilfsbereite Art und seine Witze bekannt war. Direkt hinter der Statue von Milieu findet man auch den Aufsteller "together", der dort seit 2019 (Plovdiv ist European city of culture) steht und seine Bedeutung nicht verloren hat.
Interessant ist auch, dass Plovdiv sich versteht als die Stadt, die auf sieben Hügeln steht. Lustig, denn es gibt keine sieben Hügel mehr. Es gab mal 8 Hügel. Bis allerdings 1881 3 Schweizer einen Hügel platt machten, um dort eine Brauerei zu bauen. Sie benannten ihre Brauerei Kamenitza, wie der Name des Hügels. Ein weiterer Hügel existiert nicht mehr, da man ihn als Baumaterial für Straßen Stück für Stück abbaute. So waren es wohl mal 8 Hügel, heute sind es sechs Hügel. Niemand weiß, warum immer alle von sieben Hügeln sprechen. Vielleicht auch, weil sie gerne schummeln. Beide Hügel besteigen wir auch, um die Aussicht über die Stadt zu genießen. Der erste ist direkt in der Altstadt und heißt Nebet Tepe. Auf dem anderen steht die Statue von Alyosha, einem sowjetischen Soldaten. Die Statue thront über der Stadt und ist ziemlich groß. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut, in der Zeit als Bulgarien zum Warschauer Pakt gehörte. Nach dessen Zerfall wurde viel darüber diskutiert, ob sie die Statue abreißen sollen. Jedoch scheint das nicht nur finanziell sehr aufwendig zu sein, sondern eine Sprengung würde auch vieles rundherum zerstören. Vielleicht gäbe es dann nur noch fünf Hügel. Die Aussicht von dort oben ist aber echt cool. Wir sehen auch in der Ferne schon den Bahnhof, von dem aus wir schon bald in den Zug nach Sofia steigen. Wir sind sehr dankbar für die Empfehlungen, auch wir würden eine Reise nach Plovidiv jedem ans Herz legen!

P.S. Wir sitzen grade im Park vor dem National Palace of Culture in Sofia und "schreiben" diesen Beitrag per Spracheingabe. Auch mal spannend. Vielleicht etwas umgangssprachlicher als sonst...?

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