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Fin del Mundo & Antarktis

Veröffentlicht: 09.03.2019

Auf dem Weg weiter in den Süden komme ich in der Region "Fin del Mundo" - dem Ende der Welt an. Es kommt mir nicht wirklich so vor, aber was hätte ich mir darunter auch vorstellen sollen. Die Erzählungen über die Entdeckung der europäischen Seefahrer und die anschließende Besiedelung, die zur Ausrottung der vier indigenen Völker in dieser Region geführt haben, unterscheiden sich kaum von anderen Geschichten, in denen alte und neue Zivilisationen aufeinander getroffen sind.

Auf dem schön angelegtem Friedhof in Punta Arenas kann man noch die Herkunft der europäischen Familien erkennen. Es gibt auch viele deutsche Familiennamen und Grabinschriften aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Es ist irgendwie seltsam auf deutsch zu lesen, dass dort z.B. Wilhelm Kahrs fern der Heimat ruht. Zeigt mir aber mal wieder wie sehr Europa den Rest der Welt geprägt hat.

Als Industrie hat sich dann schnell die Viehzucht in der Region durchgesetzt, die z.B. im zweiten Weltkrieg die britische Armee mit Dosenfleisch versorgt hat oder bis heute, allerdings in geringerem Umfang, Merinowolle nach China exportiert. Heute profitiert die Gegend vor allem vom Tourismus.

Das Klima ist sehr rau. Vor allem der Wind ist hier extrem. Die Dächer ächzen, man hat Angst, dass die Bäume oder Strommasten krachen und man zufälligerweise darunter steht. Im Winter muss es sogar noch schlimmer sein. In einer Strasse befindet sich sogar eigens ein Geländer, was den Fußgängern den Gang durch den starken Wind erleichtern soll.

Und dann verlasse ich zunächst vorerst zum letzten Mal Chile und fahre nach Ushuaia in Argentina, den Ort von wo aus ich zur Antarktis aufbrechen werde. Das lang ersehnte Highlight der Reise steht nun endlich an.

Mit einer gemischten Erwartungshaltung gehe ich zum Treffen am Vorabend zur Klärung der letzten Fragen und zum persönlichen Kennenlernen der Expeditionsteilnehmer. Wie ich lerne, unterscheidet sich eine Expedition von einer Kreuzfahrt darin, dass es keinen festen Fahrplan gibt, da sich die Wetterkonditionen auf See und Land schnell ändern können und normalerweise der Plan einfach zu häufig umgeworfen wird. Zur Orientierung wird Plan A gemacht, sollte der vorherige Plan nicht durchführbar ist, geht man dann einfach zu Plan B, C oder auch manchmal zu Plan D über. Ich kann schon mal vorwegnehmen, dass wir ausnahmslos unserem primären Plan folgen konnten. Wir hatten unglaubliches Glück mit dem Wetter. Es gab sogar einen komplett wolkenfreien Sonnentag, was es so anscheinend nur drei mal in der aktuellen Saison gab. Manchmal schaffe man es nicht, alle Gruppen mit den Zodiacs (stabile Schlauchboote mit Motor) anlanden zu lassen, da schlagartig der Wind zu stark wird und die Wellen zu groß sind. Wir waren alle in der glücklichen Lage alle Landungen mitmachen zu können. Zudem konnten wir die schönsten Orte, die im Rahmen der 10-tägigen Reise zu erreichen sind, von nahem sehen. Sowohl auf den Shetlandinseln als auch auf der Halbinsel im Norden des Kontinents konnten wir mit den Gummistiefeln den eisigen Kontinent betreten. Der Lemaire-Kanal war seit Wochen durch massive Eisberge blockiert, wir konnten erfreulicherweise passieren. Weitere Stationen waren u.a. Paradise Island, Halfmoon Island, Neko Harbour and Deception Island. 

Letztere Insel ist ein ganz besondere. Genau genommen ist sie ein Vulkan, der durch einen Durchbruch am Kraterrand geflutet wurde. Somit waren wir mit einem Schiff in einem aktiven Vulkankrater. In einem der Vorträge wurde berichtet, dass der Vulkan sogar so aktiv ist, dass man eigentlich jederzeit mit einem erneuten Ausbruch rechnet, da die 60 Jahre, die normalerweise zwischen den Ausbrüchen liegen, schon lange rum sind.

An Board gab es viele Vorträge zu der Geschichte der Entdeckung der Antarktis, der geologischen Zusammensetzungen und der Tierwelt. Aufgrund der ständigen Durchsagen über das Boardsoundsystem, das auch vor der Privatsphäre in der Kabine nicht halt gemacht hat, war man ständig erreichbar und wurde mit den nächsten Events in der Viking Lounge auf Trab gehalten. In 8 von 10 Tagen fühlte es sich eher wie ein Seminar an als eine Kreuzfahrt. Auch das ständige und schmackhafte Essen ähnelte einem guten Seminarhotel.

Die Geschichten zur Entdeckung des letzten zu entdeckenden Kontinents klingen wie die eines Indianer Jones auf der Suche nach dem heiligen Gral. Unterschiedlichste Nationen haben mehr oder weniger zeitgleich Expeditionen und eigensinnige Charaktere losgeschickt, um als erste den Ruhm einzuheimsen. Sehr häufig wurden die Umstände in der unbekannten Umgebung unterschätzt, Schiffe sind eingefroren, Vorräte gingen aus, Menschen sind gestorben. Beeindruckend zu sehen, dass wir an manchen dieser Ort waren oder die Route der historischen Figuren hautnah nachvollziehen können.

Die Gäste der Cruise waren aufgrund der Charterfirma überwiegend aus Australien und Neuseeland. Ca 60 % der Teilnehmer waren über 60 Jahre alt, aber es gab auch einige gleichaltrige Passagiere. Die Stimmung war sehr gut. Viele Gäste haben die Reise schon lange geplant und darauf hin gearbeitet oder sie sich zu einem runden Geburtstag geschenkt.

Neben den geplanten Entdeckungsfahrten gab es auch zwei ungeplante "Events". Bei der ersten Erkundungstour mit einem Zodiac wurde eine Yacht abseits zwischen einigen kleineren Inselchen gesichtet. Es stellte sich heraus, dass die Yacht auf Grund gelaufen ist und der Tank Wasser gezogen hat und der Treibstoff somit unbrauchbar wurde. Die 6-köpfige Besatzung konnte mehr Glück gar nicht haben, denn es ist nicht immer die gleiche Route, die die Schiffe nehmen und das Zodiac auch nicht zwangsläufig die gleiche Route einschlägt, da die Eislandschaft bereits von einem auf den anderen Tag ganz anders aussehen kann. Dass sie gesichtet und gerettet wurden, war mehr als unwahrscheinlich. Unser Schiff und viele andere hatten die letzte oder vorletzte Fahrt in dieser Saison, danach wären bis November nur noch vereinzelte Schiffe in der Gegend gewesen.

Der dritte von vier Landungstagen war das absolute Highlight, was die Schönheit und Besonderheit der Natur angeht. Am Nachmittag gab es noch den Polar Plunch, bei dem 70 von 200 Passagieren einen schnellen Dip in das kalte Wasser der Antarktis auf sich genommen haben, um am Ende eben dieses auf Papier bestätigt zu haben. Ich alter Schisser habe mich aber nicht überwinden können, in das knapp über Null Grad kalte Wasser zu springen.

Am letzten Landungstag herrschte morgens Trubel. Es kam eine angespannte Durchsage durch das Boardtelefon, der Schiffsarzt möge bitte dringend in Kabine 308 kommen, Code Blue. Während des Frühstücks wurden Fragen gemurmelt, was das wohl zu bedeuten hat. Kurze Zeit später wurden wir in die Viking Lounge gerufen und es wurde uns mitgeteilt, dass ein Passagier am Morgen leider verstorben ist. Ein Mann im Alter von 71 Jahren, den ich im Vorfeld nicht kennengelernt hatte, erlitt in der Dusche einen Herzinfarkt. Hilfe kam leider zu spät. Mit ihm reiste seine Tochter, die Frau und Mutter ist schon vor einigen Jahren verstorben. Das Ereignis hat für Bestürzung gesorgt. Selbstverständlich war es schlimm, insbesondere für die Tochter, aber von einer anderen Perspektive betrachtet, kann ich mir eigentlich keinen schönen Tod vorstellen. Der vorherige Tag war wirklich wunderschön. Die Natur hat uns ihre schönste und majestätischste Seite gezeigt. Mehr kann man nicht verlangen. Mit einem gemeinsamen Gebet und nachdenklichen Köpfen wurde der Tag nach Plan fortgesetzt, da die Tochter keine Einschränkung des Ablaufs wollte.

Ich hatte mich vorher gefragt, was es denn in der Antarktis zu sehen gibt und bin eher von einer eintönigen Landschaft ausgegangen. Weit gefehlt. Jede Landung war besonders und unterschied sich von der vorherigen. Da wo kein Schnee oder Eis ist, ist es sehr karg. Der Kontinent ist sehr trocken. Pflanzenarten gibt es nur zwei, eine Gras- und eine Moosart. Daher gibt es auch keine Insekten. Das Leben spielt sich hier zum größten Teil im Wasser ab. Krill ist die Basis, von der alle anderen Fische oder Meeressäugetiere direkt oder indirekt abhängen. Krill gedeiht hier aufgrund der kalten Temperaturen und dem Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Meeresströmungen ausgezeichnet, daher gibt es auch eine so vielseitige Fauna. Aber wie immer, wenn etwas gut funktioniert und schön ist, muss sich der Mensch einmischen. Selbstverständlich wird Krill hier unten in großem Maße gefischt, um ihn dann an die Zuchtlachse irgendwo auf der Welt zu verfüttern, um eine ansprechende rote Farbe zu erreichen. Wie lange das gut geht, wenn man einem Ökosystem die Grundlage langsam aber sicher entzieht, werden wir sehen.

In der Geschichte der Antarktis ist auch der Walfang nicht weg zu diskutieren. Mit steigender Effizienz von anfänglichen verarbeitenden Hütten an Land bis hin zu schwimmenden Fabriken, die innerhalb 20 Minuten Exemplare der größten und friedlichsten Lebewesen im wahrsten Sinne des Wortes auseinander nehmen und den jeweiligen Zwecken zuführen, zeigt sich die unendliche Brutalität des Menschen. Selbst bei der Erinnerung an das Video wird mir noch speiübel. Umso schlimmer, dass es heutzutage immer noch Nationen gibt, die am Walfang festhalten oder sogar wieder neu in die kommerzielle Jagd einsteigen, wie es Japan Ende letzten Jahres erklärt hat, und es mit Tradition versuchen zu erklären.

Da ich, wo immer es möglich ist, die Gelegenheit für eine Whale watching Tour beim Schopfe packe, hatte ich mich auf die Wale, die man zu dieser Jahreszeit hier ausgiebig beobachten könne, insgeheim am meisten gefreut. Und ja, es waren wirklich viele zu entdecken. Allerdings in einer Distanz, in der man nur ein wenig vom Rücken und nur selten eine Schwanzflosse sehen konnte. Selbst an der Stelle, wo es vorkommen kann, dass ein Wal neben einem Zodiac auftaucht, wollten sie sich nicht zeigen. Nun ja, es reicht mir, zu sehen, dass sie da sind und die Schweizer Walexpertin an Bord hat uns mit viel Enthusiasmus das Fressverhalten, die Plastikproblematik in den Meeren und vieles mehr erläutert.  

Die Eingangsworte einer Ornithologin waren, dass es schlichtweg nicht möglich sei, in der Gegenwart von Pinguinen schlechte Laune zu haben. Im Nachhinein kann ich nur von ganzen Herzen zustimmen. Die kleinen Kerlchen sind einfach herrlich anzuschauen. Bisher erschienen sie mir weniger als Vögel, aber wenn man sie sich ein wenig genauer betrachtet, sind es ganz klar Vögel. Wie sie schreien, ihr Nest bauen und brüten, wie die Küken gefüttert werden. Das einzige was sie offensichtlich nicht können ist fliegen. Das stimmt aber nicht. Sie können sehr wohl fliegen, allerdings nicht in der Luft, sondern im Wasser. Sie sind so was von wendig und schnell. Da sie Luft holen müssen, hüpfen sie in regelmäßigen Abständen aus dem Wasser, was auch nach etlichen Sichtungen immer noch sehr viel Spaß macht anzusehen. An Land wackeln und hüpfen sie was das Zeug hält. Die Brutstätten befinden sich zum besseren Schutz in der Regel ein ganzes Stück vom Wasser weg, dafür aber den Hügel hinauf. Mit welcher Ausdauer diese Kerlchen den Hügel hochhüpfen, immer mal wieder inne halten, um sich um zusehen oder aufzurichten, wenn sie umgefallen sind, und dann einfach weitermachen, ist schwer beeindruckend. Man kann sich einiges abschauen. Wenn im Winter all das Land unter Eismassen begraben wird, fliehen sie raus in den Ozean und verbringen die Zeit fast ausschließlich im Wasser oder hin und wieder mal auf einer Eisscholle und legen dabei riesige Distanzen zurück. 

Die Natur zeigt sich hier noch so wie sie ist. Es ist wirklich sehr schön zu sehen, dass die Pinguine keine Angst vor Menschen haben. Anscheinend gab es für die Pinguineltern nie die Notwendigkeit ihren Kindern beizubringen, dass sie sich vor Menschen in Acht nehmen müssen. Aber vor den natürlichen Fressfeinden wie den Seeleoparden um so mehr. Was wir vorher in einem Film gesehen hatten, konnte eine Gruppe im Zodiac live erleben. Der Seeleopard schnappt sich einen Pinguin und schleudert ihn hin und her. Das macht er, zum einen um das kleine Tierchen zu töten und zum anderen um an das leckere Innere zu kommen. Das Gefieder ist für ihn weniger genießbar.

Es ist gerade noch Sommer. Dort wo wir mit dem Zodiac rumdüsen, wird man ein paar Wochen später schon nicht mehr hinkommen. Es wird alles zugefroren sein. Wie schön und faszinierend Eisberge und Eisschollen sein können, war mir bisher nicht klar. Die meterhohen Gebilde schillern in den verschiedensten weiß und blau Tönen. Bekanntlich ist der größere Teil unter Wasser und dort ist auch die Stelle, wo die Eisberge schmelzen. Wenn zu viel abgeschmolzen ist, kann es sein, dass sie Übergewicht bekommen und sich der komplette Eisberg einmal dreht. Dann kommt die Unterseite mit herrlichen Mustern nach oben. Von den Gletschern brechen regelmäßig Eisschollen ab, die dann auf dem Wasser dahin treiben. Teilweise können sie bis zu 300 km lang sein. Die größten kann man vom Weltall aus sehen, dann bekommen sie auch eine offizielle Nummerierung.

A propos offiziell. Die Antarktis gehört zu keinem Land. Die damaligen Pioniere haben zwar ihre Fähnchen gesteckt und die Länder, darunter Chile, Argentinien, Neuseeland, Australien, Frankreich, Norwegen und UK entsprechende Ansprüche geltend gemacht. Um den Streitigkeiten ein Ende zu bereiten wurde im Antarktisvertrag von 1961 die Gebietsansprüche im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis gelegt und der Fokus auf den Schutz der Region gelegt, die nicht militärisch oder nuklear genutzt werden darf. 

Nach 8 Tagen treten wir mit einem ganzen Sack voller neuer Erfahrungen, Wissen, einer Million Fotos, netten Bekanntschaften oder neuen Freunden wieder den 2-tägigen Heimweg an. Zurück durch die Drake Passage, die uns auf dem Rückweg so milde gestimmt war. Diesmal jedoch musste sie uns zeigen, wie gewaltig ein Ozean ist und wie wenig ein doch eher kleines Schiff mit "nur" 450 Personen an Board dagegen ausrichten kann. Für die erfahrene Besatzung war es sicherlich nichts dramatisches, aber für die Passagiere war es doch respektabel, wenn Teller im Restaurant zu Boden gehen oder der Horizont im Fenster permanent von ganz unten nach ganz oben schwankt und zurück. 

Es war eine ganz besondere Reise, die es so sicherlich kein zweites Mal gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass ich vielleicht noch einmal zurückkehre....

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