Sophia on the road
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Kiwi Day 5 - Tongariro Alpine Crossing in Taupo / 30.01.2019

Veröffentlicht: 03.02.2019

Zum Glück hatte ich gestern schon alle Sachen in meinen Converserucksack gepackt - darunter auch Brötchen, Karotten, Äpfel, ein paar Müsliriegel und 3 Liter Wasser. Die Tasche wog also auch ziemlich viel, weshalb ich mich dann dagegen entschied, noch zusätzlich meine Kamera mitzunehmen - die würde, wenn sie mir schwer um den Hals baumelte, bei der anspruchsvollen Wanderung eh nur stören.
Meine Anziehsachen hatte ich auch schon rausgelegt, damit alles etwas schneller ging: Treffpunkt am Tongariro Shuttle vor unserem Hostel war nämlich geschlagene 5:20 Uhr in der Früh.
Ich zog mir meine schwarze Shorts an, mein eh schon etwas leidendes Saturday T-Shirt, darüber eine schwarze Adidas Sportjacke und meine straßenkegelfarbende Regenjacke kam auch noch mit. Cecilie machte mir etwas Angst, dass ich zu kalt angezogen war, denn sie überlegte laut, ob sie noch Handschuhe mitnehmen sollte, weil sie Angst hatte, auf dem hohen Gipfel zu erfrieren - Thien hielt sie jedoch davon ab. Trotzdem war mir bei dem Gedanken an meine kurze Hose mulmig zumute, ich hatte aber einfach keine coole lange Wanderhose.

Fertig gemacht, ging es dann ins Dunkle nach draußen und da war es dann gar nicht wirklich kalt, was mich erstmal beruhigte, aber trotzdem könnte das Wetter bei der Wanderung ja anders sein... was es dann letztendlich aber nicht war. Nach der einstündigen Fahrt, einem spektakulären Sonnenaufgang, den ich durchs Fenster beobachtete, einem Klogang auf einem der ekeligen Klos am Carpark (zum Glück hatte ich auch Feuchttücher dabei, denn ich hatte gelesen, dass es auf den Klos am Weg meistens kein Klopapier gab) und einem ungeplanten Wiedersehen mit Vera, die sich uns dann anschloss, fröstelte ich zwar in der kühleren Morgenluft, mit der Zeit wurde es aber richtig warm und alle waren neidisch auf meine kurze Hose.

Der Weg begann hinter einem großen grünen Schild mit der Aufschrift 'Tongariro Alpine Crossing - 19.4km' auf schon 1150m Höhe, der Himmel war klar und man hatte schon eine gute Sicht auf den beeindruckenden Mount Doom, richtig, Mount Ngauruhoe. Vor einigen Tagen hatte Anna hier im kompletten Nebel gestanden, hat nichts gesehen und ist fast auf dem Gipfel von Mount Tongariro von dem eisigen Wind weggeweht worden - ziemlich krass, wie sich so das Wetter änderte: wir hatten heute die perfekten Bedingungen.

So atmeten Cecilie, Thien, Natalia, Vera und ich noch einmal tief ein und begannen dann inmitten von lauter anderen Menschen (wieso sind die alle auch schon da?!) fast genau um 7 Uhr die bisher längste Wanderung meines jungen Lebens.
Zuerst führte uns ein ziemlich gerader, ebener Pfad durch dichtes flaches dunkelgrünes Gestrüpp, das immer mal wieder von kleinen Flächen lilaner Blümchen und weißen Blüten durchzogen wurde - was allein schon ziemlich magisch aussah, mit der perfekten Klischeevulkanform von Mount Doom im Hintergrund aber noch tausendmal magischer wirkte. Ab und zu blitzte ein kleines Bächlein namens Mangatepopo Stream zwischen den Pflanzen hervor, bis sich der Sandsteinweg dann in einen Boardwalk änderte - dort wurde das fließende Wasser dann prominenter und zog sich auch über ein paar größere Steine hinweg. Mount Doom wurde auf unserer rechten Seite auch immer größer und die Sonne fing langsam an, hinter den Bergen links von uns hervorzublitzen.
Irgendwann kamen dann ein paar Treppenstufen hinzu, bei denen wir schon etwas außer Atem gerieten und ich mir schnell meine Plastikjacke auszog und komisch über meinen Rucksack band (ich fand nachher dank Fotos heraus, dass ich damit wie eine Schnecke mit orangenem Schneckenhaus aussah). Meine Haare band ich mir auch hoch, was jedoch nicht lange anhielt, da ich irgendwann bemerkte, dass auch das völlig bekloppt aussah. Ohne Spiegel ist das Leben nicht so leicht.
So ging es dann leicht bergauf weiter - das hier sollte noch der leichte Weg sein, bis wir dann nach ca. nach einer guten Stunde kamen wir dann an einem kleinen Klohaus an, dem letzten für lange Zeit, und dahinter türmte sich die Devil's Staircase schon bedrohlich zwischen 2 ziemlich steilen Wegstücken auf. Jetzt würde es quasi fast im gefühlt 90° Winkel 200m höher (auf 1600m) gehen, und dem Namen dieses Wegteils zu urteilen, würden wir hier echt kämpfen müssen... und das taten wir auch. Es ging über die geröllartigen Reste altem und neuem Ausbruchsresten der Vulkane, weshalb man auch schnell ausrutschen konnte und seinen Blick eigentlich immer auf die Füße richten musste.
Thien war irgendwie am schnellsten von uns und überholte uns irgendwann und Cecilie bildete schnaufend das Schlusslicht, Natalia war kurz vor mir und irgendwann berichtete ich ihr, dass ich glaubte, gerade innerlich zu sterben und ein Stück meiner Seele hier zu lassen (wie schon bei den Josephine Falls in Oz). Sie beruhigte mich jedoch mit genau diesem Satz: "But it's a sacred place, so it's a good place to leave it". Natalia hatte immer ein krass breites Lächeln auf ihrem Gesicht und das bewunderte ich an ihr.

Nach einer kleinen Pause nach den gut 200 Treppenstufen hatten wir dann auch wieder Thien eingeholt und als wir dann mal richtig die Aussicht von hier oben in uns aufsogen und bemerkten, wie weit wir schon gekommen waren, wusste ich, dass sich der ganze Schweiß und meine Seelentötung lohnen würde (wär ja cool, wenn dieser Ort jetzt mein Horkrux wäre, auch wenn ich keinen Menschen getötet habe. Oder doch? .. Was?). Oben angekommen - beim South Crater - hatten wir ein kurzes ganz flaches Stück - es war eine riesige kahle helle Fläche direkt vor Mount Doom und war wie Balsam für unsere Beine und auch für die Augen. Denn in diesem Licht konnte man oben an der Spitze Mount Dooms rotes Gestein erkennen, die rote Farbe entstand bei der Oxidation des Eisens im Gestein aufgrund der hohen Temperaturen und bildete zu den Erdtönen einen wunderschönen Kontrast.
Hier machten wir ein paar Bilder und fragten auch einen vorbeigehenden Wanderer (der mit einem riesigen fetten 50l Rucksack umher ging und mir so im Gedächtnis blieb), ob er ein Foto von uns allen zusammen machen konnte.

Der flache Weg hielt jedoch nur eine Viertelstunde an und ging dann in eine regelrechte Kletterei über - und es gab keine Sicherungen vor dem Absturz in die Tiefe. Es ging über loses Gestein, um enge Spalten und an Felswänden entlang und es tauchte immer wieder ein kleines Büschel weißer Blumen auf, worüber ich mich jedes mal freute, denn das war eine kleine Ablenkung und Leben in all dem Vulkangestein.

Und dann waren wir plötzlich ganz oben. Der Red Crater und Gipfel von Mount Tongariro lag auf 1900m Höhe, bezeichnete ein riesiges rot und schwarz gefärbtes Loch und man hatte traumhafte Ausblicke auf die Rangipo Desert, über die ein Klippenstück hinausging, auf das ich mich wagte und Vera ein paar Fotos von mir machen musste.
Jetzt sollte es fast nur noch runtergehen und wir hatten fast die Hälfte geschafft. Und dann sah ich die Emerald Lakes und dieser Anblick machte alles gut. 2 wunderschön smaragdgrüne Kraterseen mitten in der Steinlandschaft umgeben von grauen Vulkanen und es war einfach magisch.
Der Abstieg war aber in losem Geröll und ich hatte vorher gelesen, dass der einfachste Weg runter im Skifahrstil war - wenn man versucht, normal zu laufen, würde man nur ausrutschen, was ich ein paar mal mit ansehen durfte. Ich vergrub meine Schuhe also in dem Staub und zog 2 lange Spuren hinter mir her, Cicilie nutzte die irgendwann für sich selbst, nachdem sie ein paar mal auf ihren Hintern gefallen war und wir mussten einfach urkomisch ausgesehen haben. Aber es machte uns nichts aus, denn die Emerals Lakes sahen einfach zu wunderschön aus und es war eh verrückt, das gerade alles hier und jetzt zu erleben.
Nach einem Fotostopp und 30 Minuten Downhill trafen wir uns alle wieder, da jeder sein eigenes Tempo runtergerutscht war und machten unsere wohlverdiente Mittagspause um 20 vor 11 Uhr und das allererste, was ich tat, als ich mich auf einem Stein zwischen den Seen niedergelassen hatte, war, meine Schuhe auszuleeren. Ein Stein- und Staubregen kam mir entgegen, aber meine Socken waren noch schlimmer. Der Staub hatte es nämlich bis in meine Socken geschafft und auch nicht gerade wenig davon - es war fast schon lächerlich, wie viel dort rauskam, als ich sie auszog.
Irgendwann ging Thien schon weiter und Natalia und Vera auch bald, aber Cecilie und ich wollten noch kurz bei den heiligen Seen bleiben zwischen denen etwas Rauch aus der Erde drang, bis wir uns dann auch auf den Weg machten - die nächste Etappe war der Blue Lake, ein kalter säurehaltiger See, den wir auch schon vom Red Crater aus gesehen hatten. Hier ging es noch einmal kurz steil hoch, aber insgesamt war es nichts gegen die Devil's Stairs oder die Kletterei danach, vor allem aber, weil ich mich mega gut mit Cecilie verstand.
Der Blie Lake war ebenfalls heilig und es war verboten, ihn zu berühren oder um ihn herum zu essen oder zu trinken.
Vera und Natalia trafen wir hier wieder, Thien war aber schon vorgegangen und wahrscheinlich würden wir den gar nicht mehr einholen - nach dem Blue Lake öffnete sich nach einem kurzen Walk plötzlich eine riesige Wald-, Feld- und Seelandschaft vor uns, Lake Rotoaira und durch den jetzt noch unendlich weit entfernten Wald würde es dann als letztes vor dem Ziel gehen.
Es ging jetzt steil und zickzackartig den Bergrand hinunter durch etwas lebendigere Natur: Blumen, Gräser und Gestrüpp. Irgendwann fingen meine Beine an, noch mehr wehzutun, denn eigentlich war ein steiler Abgang noch fieser, als ein steiler Aufgang - man spürte sein ganzes Körpergewicht tausendmal mehr.
Nach ungefähr einer Stunde kamen wir beim Ketetahi Shelter an, wo es dann wieder ein Klo gab und ich aß ein paar von meinen Karottos. Wir machten hier eine kleine Pause und Cecilie äußerte ihren Neid auf meine kurze Hose, denn die Sonne knallte schon eine Weile brutal auf uns runter und es waren gefühlt 30 Grad warm - Schatten gab es auch keinen und zum Glück schützte mich meine Cap gut vor einem schlimmen Sonnenbrand. Ich war auch sehr froh, dass ich nicht noch meine lange Jeans mitgenommen hatte, wie ich es eigentlich für den Fall der Fälle machen wollte - jetzt brauchten wir noch nicht mal unsere Jacken, die hingen mir beide schwer um die Hüfte.
Als alle auf Klo waren, ging es weiter - nun lag nur noch ein Teil vor uns, der uns ca. 2 einhalb Stunden kosten würde. Es ging steil bergab, ab und zu schlich sich eine Treppe dazwischen, die ich dann schnaufend hinter mich brachte, und ich beobachtete eine kleine Rauchsäule, die oben aus dem Berg drang, bis sie nicht mehr zu sehen war.

Vera hatte irgendwann so doll Knieschmerzen, dass sie etwas zurück fiel, sie sagte uns aber, dass wir nicht warten sollten. Dann fingen die Treppen runter an und ich wusste nicht, dass die auch so fies sein konnten - die letzten 5 Kilometer hasste ich jede Stufe und meine Zehen taten weh, weil sie immer an meine Schuhspitze stießen. Der Weg schien endlos zu sein und Natalia, Cecilie und ich führten beinahe einen Freudentanz auf, als wir plötzlich die letzten 45 Minuten im Wald waren, von dem wir schon vorher gewusst hatten, dass er das Ende bedeutete.
Wir kamen an einem großen Bach vorbei, der bei anderem Wetter anscheinend ziemlich gefährlich sein konnte, und dann war es auf einmal um fast genau 14:20 Uhr zu Ende, nach etwas über 7 Stunden.

Ich konnte es fast nicht fassen, als wir beim Carpark ankamen und wir schauten uns eine ganze Weile nur erleichtert lächelnd an. Es fühlte sich irgendwie gerade wie ein Traum an, denn alles was ich in den letzten Stunden auf dieser Wanderung gesehen hatte, war einfach unglaubliche Natur gewesen und dass sowas existiert ist nur unglaublich und die Erde ist einfach ein unglaublich schöner Ort, wenn man an den richtigen Plätzen nachschaut und es war einfach alles unwirklich und verrückt. Und deshalb war das hier eins der besten Dinge, die ich in Neuseeland erlebt habe, wenn nicht das beste.

Der Shuttletransport brachte uns nach einer Weile des Wartens zurück zum Hostel und ich legte mich erstmal in mein Bett und lag einfach nur da.

Am Abend gingen wir in eine Bar gegenüber und steißen mit einem durchsichtigen Cider auf uns an, bis wir irgendwann in die Element Bar neben dem Base gingen, denn da gab es 50ct Chickenwings und wir hatten Hunger.
Hier trafen wir ein paar Engländer, die hier in Taupo arbeiteten und uns zu einem Spiel Bierpong herausforderten und ich muss sagen, ich war gar nicht so schlecht in dem Spiel. Wir gewannen natürlich, auch wenn wir zwischendurch eine kleine Tiefphase hatten und deshalb einer von denen mit in unser Team gekommen ist - das war aber nur, weil Natalia einfach immer um Längen daneben warf.

Und als ich dann irgendwann danach und nachdem ich meine Sachen für morgen gepackt hatte, in mein Bett fiel, schlief ich ein Baby. Was ein Tag.


Song of the day: Walk Alone von Rudimental und Tom walker, weil wir uns gemeinsam durch diese krasse Wanderung geschlagen haben und ich nie allein war.

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