Veröffentlicht: 23.03.2023
In den nächsten Tagen ging es für uns voll um die Erkundung des Yukon. Oder zumindest unserer näheren Umgebung, da der Yukon flächenmäßig knapp 130.000 km² größer ist als Deutschland, jedoch nur gut 40.000 Einwohner hat. Von diesen 40.000 leben gut 25.000 Menschen in der Hauptstadt Whitehorse, die restlichen 15.000 leben in Dörfern (von denen das Größte ca. 1300 Einwohner hat) oder einfach mitten im nirgendwo. Diese Tatsache macht Stadtbesichtigungen hier schwierig (bei uns in Haines Junction leben etwa 600 Leute, es gibt einen „Tante-Emma-Laden“, eine kleine Kapelle, ein Diner, zwei Tankstellen und sonst nicht viel). Grundsätzlich ist die Region hier im Sommer (Juni/Juli-September) sehr gut zum Wandern und Bergsteigen geeignet. Aufgrund der aktuellen Jahreszeit ist dies jedoch derzeit schwierig. Im Winter kann man hier Langlauf oder Schneemobil fahren. Zumindest, wenn man das nötige Zubehör hat. Bei uns auf dem Grundstück stehen 3 Schneemobile, die wir jedoch nicht fahren dürfen oder sollen. Daher fällt das schon mal flach. Des Weiteren verfügen wir über 2 Paar an Langlaufski, allerdings nur ein Paar an Stöcken der entsprechenden Größe. Wir haben weitere Stöcke, die sind aber allenfalls für Abfahrt geeignet. Daher kann maximal einer Langlauf fahren. Allerdings haben wir noch 2 Paar an Schneeschuhen, also so richtige Schneeschuhe, keine Ski. Daher entscheiden wir uns die nächsten 3 Tage für Schneeschuhwandern.
Am 20.03. fahren wir zum Kathleen Lake, in dessen Nähe es im Sommer einige Trails gibt, die – so hoffen wir – man auch im Winter machen kann. Wir haben uns keinen speziellen Trail rausgesucht und gucken was uns am Besten gefällt. Dort angekommen springt uns der King’s Throne Trail ins Auge, der ggf. auch noch bis auf den Gipfel des King’s Throne erweitert werden kann. Dieser Berg ist knapp 2000 m hoch, der See liegt auf etwa 750 m und so sind von See bis zum Gipfel auf einer Strecke von ca. 8 km 1250 Höhenmeter zu überwinden. Der reine Trail ist gut 5,5 km lang (eine Richtung) und man absolviert knapp 1000 Hm. So weit so gut, wir starten im Wald und laufen an einer Gabelung weiter Richtung King’s Throne (der andere Weg wäre der Cottonwood Trail gewesen, der insgesamt 85 km lang ist und in 4-6 Etappen absolviert wird – im Zelt). Langsam laufen wir durch tieferen Schnee, Zeit also die Schneeschuhe anzuziehen. Das klappt auch und wir kommen gut voran. Langsam aber sicher wird das Gelände merklich steiler und wir finden kaum noch Spuren unserer Vorgänger im Schnee. Der Weg lässt sich jedoch auch so ganz gut ausmachen und langsam kommen wir in den Bereich der Baumgrenze und haben einen fantastischen Ausblick auf den Kathleen Lake zu unseren Füßen. Wir gehen noch etwas weiter und entscheiden uns im Bereich der Baumgrenze für eine kurze Rast und essen unsere mitgebrachten Brote. Anschließend setzen wir unsere Tour fort und haben Probleme bei der Wegfindung. Normalerweise sollte der Weg serpentinenartig den beachtlich steilen Hang nach oben führen, doch wir sinken bis weit übers Knie in den Schnee ein und hören erschreckend oft „Wummgeräusche“, es fühlt sich an als würde die Schneedecke unter uns beginnen abzurutschen. Wir studieren den Hang, uns fallen dabei einige dünne, waagerechte Risse in der Schneedecke auf (sog. Shooting cracks). Wir suchen weiter nach dem Weg, doch die Wummgeräusche nehmen nicht ab. Uns wird allmählich klar, dass die Lawinengefahr hier nicht zu unterschätzen ist. Wir drehen um und treten den Weg ins Tal an. Auf dem Weg nach unten biegen wir noch ein Stück auf den Cottonwood Trail ab, dieser ist jedoch relativ eintönig und wir gehen zurück zum See. Hier heiratet gerade ein Pärchen, weshalb aus unserer geplanten Schneeschuh-Tour über den (etwa) 1,2 m dick gefrorenen See leider nichts wird. Wieder zu Hause beschäftigen wir uns mit der Lawinensituation am Berg. Wirkliche Internetseiten mit Lawinenprognosen existieren hier leider nicht, auch eine Einteilung in Gefahrenstufen erfolgt nicht. Nach unseren Recherchen hatten wir Lawinenwarnstufe 3-4 (von 5), bei einer Hangneigung zwischen 30 und 35°. Im Nachhinein eine ziemlich dumme und leichtsinnige Aktion, die zu unserem Glück aber gut ausgegangen ist.
Am 21.03. entschieden wir uns daher für einen Trail, der eher im Tal verläuft und nur gut 200 Hm überwindet – der Williscroft Creek Trail. Zumindest war das geplant. Wir fuhren zum Kluane Lake, der mit seinen 405 km² der größte See des Yukon ist und starten auf dem hier liegenden Trail. Hier gibt es gar keine Spuren und wir müssen uns mit unseren Schneeschuhen durch mindestens knietiefen, meist jedoch tieferen Schnee quälen. Ziemlich anstrengende Angelegenheit. Da bergauf laufen jedoch mehr Spaß macht als schnödes geradeaus laufen und die Lawinensituation in diesem Gebiet aufgrund Schneequalität und Hangbeschaffenheit anders zu beurteilen ist als am Vortag, weichen wir vom Trail ab und laufen einige beachtlich Steile Hänge hoch. In Serpentinen, da es direkt viel zu steil wäre. Zwischendurch ist auch ein kleiner Felsteil zu überwinden, für den wir die Schneeschuhe ausziehen und die Felsen erklettern. Wir werden mit einem beachtlichen Blick auf den Kluane Lake und die umliegenden Berge belohnt. Irgendwann geht es leider nur noch in undurchdringbaren Wald und wir kommen nicht weiter. Also Abstieg. Anschließend besichtigen wir noch die nächstgelegene "Stadt" (Destruction Bay, 55 Einwohner, Tankstelle mit Restaurant, einige Hütten, fertig) und nehmen auf dem Heimweg noch den Soldier Summit Trail mit, welcher gerade einmal 90 Hm überwindet und mit einigen Hinweistafeln an den Bau des Alaska Highway erinnert.
Am 22.03. haben wir uns für den Thunderegg Trail entschieden, der auf einer Strecke von 14 km wohl 200 Hm überwindet. Die Wanderung bekam ihren Namen von den sog. "Donnereiern", die man wohl am Ziel finden kann. Der Startpunkt liegt in unmittelbarer Umgebung von Haines Junction, etwa 15 km entfernt. Am Anfang gibt es noch viele Schneemobil-Spuren und wir brauchen keine Schneeschuhe. Beim späteren Blick auf die Karte stellten wir fest, dass dauerhaft auf den Schneemobil-Spuren zu laufen nicht die beste Idee war und wir ziemlich weit ab vom richtigen Weg sind. Wir entschließen uns querfeldein zu unserem Weg zu laufen - unter Zuhilfenahme der Schneeschuhe. Auch hier müssen wir uns einen Großteil des Weges durch tiefen Schnee kämpfen, was trotz der Schneeschuhe extrem anstrengend ist. Der Querfeldein-Marsch war nicht unsere beste Idee, da wir uns durch dichten kanadischen Buschwald quälen müssen. Es ist alles mit Büschen, kleinen Bäumen und größeren Nadelbäumen bewachsen, was das Durchkommen ziemlich schwierig macht. Irgendwann erreichen wir jedoch wieder unseren Weg, der jedoch aufgrund des vielen Schnees und der fehlenden Beschilderung nur sehr schwer auszumachen ist. Nach gut 2,5 h Wanderung (und aufgrund der Umwege wohl mehr als 7 km) erreichen wir den Thunderegg Creek und finden tatsächlich auch einige Thundereggs! Wir machen eine kurze Rast, essen und trinken was und treten den Heimweg an - für den wir allerdings auch wieder 2,5 h benötigen. Alles in allem der anstrengendste der letzten drei Tage, aber bzgl. Natur und Umgebung durchaus lohnend. Den Abend verbringen wir mit kochen und Blog schreiben. Und Bilder sortieren...