Veröffentlicht: 03.10.2018
Either you love Delhi or you hate it – das habe ich vor meiner Reise immer wieder über die 25-Millionen-Megacity gelesen und auch vor Ort immer wieder gehört. Und ich wollte eigentlich nicht herkommen, für eine Anfängerin in Sachen Fernreisen und als Einstieg nach Indien schien mir Delhi doch zu heftig. Aber dann ging unser Flug genau hierher, und wir hätten ohnehin eine Nacht hier verbringen müssen. Und Indienkenner unter unseren Freunden leisteten zusätzlich Überzeugungsarbeit. Also beschlossen wir, ins kalte Wasser zu springen - ins lauwarme, um ehrlich zu sein. Denn mit Unterstützung eines lieben Freundes engagierten wir einen Fahrer, der uns zwei Tage lang durch die fremde Welt tragen sollte. Und der warnte uns gleich nach der Ankunft: Delhi City, that’s too much of everything.
Und so ist es auch: Die Stadt ist überwältigend und überschwemmt einen geradezu mit Eindrücken: Es ist unfassbar voll: Autos und Menschen überall. An jeder Ecke riecht es anders und keineswegs immer gut. Müll und Dreck liegen einfach überall herum, das Bobo-Ausgehviertel Hauz Khas wäre bei uns ein Slum (wenn auch mit Boutiquen und Lokalen). Die Touristen und -innen finden das dann pittoresk und machen begeistert Fotos von windschiefen, bunten Häusern, von denen man lieber nicht wissen möchte, wie die Menschen drinnen wohnen.
Aber immerhin wohnen sie drinnen – und nicht auf der Straße. Vor ein paar Jahren haben wir drei Monate in Paris verbracht, in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem der illegalen Flüchtlingslager, die dort mitten auf Verkehrsinseln und entlang von großen Hauptstraßen immer wieder neu entstehen, nachdem sie von der Polizei regelmäßig geräumt werden. Für uns waren das unfassbare Zustände, sind wir doch jeden Tag, wenn wir zur Métro gegangen sind, an den Flüchtlingen vorbeigestapft. Aber man muss sagen, die Flüchtlinge dort haben im Vergleich zu den hiesigen Straßenbewohnern und -innen wie Götter in Frankreich gelebt: in Zelten oder zumindest auf Matratzen. Jeden Tag kam in der Früh die Straßenreinigung, das ganze Camp wurde für kurze Zeit aufgehoben, der Mist zusammengekehrt und alles mit Schläuchen saubergespritzt. Die gutgestellten Menschen aus unserer Mittelklasse-Wohnumgebung (auch aus unserem Wohnhaus) brachten jeden Tag Essen zu den Flüchtlingen. Hier in Delhi hingegen… Auch hier haben wir in einem guten Mittelklasseviertel logiert. Auch hier gingen wir auf dem Weg zum Abendessen an Menschen vorbei, die unter der vorspringenden Ecke eines Hauses an einem vielbefahrenen Kreisverkehr leben – wirklich leben: In der Früh sahen wir sie bei der Morgentoilette, am Abend vor dem Essen bei den Vorbereitungen zum Schlafengehen, und bei der Rückkehr ins Hotel schliefen sie schon. Von Straßenreinigung oder Nachbarschaftshilfe war nichts zu sehen. Wie auch, da müsste man ganz Delhi versorgen, weil tatsächlich überall Menschen auf der Straße zwischen den Müllbergen hausen.
Für uns war die Variante mit dem Fahrer gut. Wir haben uns die Verhandlungen mit Taxis und Tuktuks erspart, die andernfalls nötig gewesen wären, denn mit Öffis zu fahren, wäre für uns zu abenteuerlich gewesen. In Tiflis und in Usbekistan haben wir das sehr wohl gemacht und damit die Einheimischen ziemlich erstaunt. Wir waren immer die einzigen Fremden: In Tiflis sind die Fahrgäste in der U-Bahn zB sofort aufgesprungen und haben uns ihre Sitzplätze überlassen, und auch in Buchara und Samarkand haben wir einiges Aufsehen ausgelöst. Wir haben Delhi zu einem beträchtlichen Teil durch das Fenster eines klimatisierten Autos gesehen, waren aber doch auch viel zu Fuß unterwegs. Wir haben uns niemals gefürchtet oder unwohl gefühlt – anders als wir uns das in Wien so vorgestellt hatten. Wie man eine Stadt wie Delhi freilich lieben kann, kann ich nicht nachvollziehen – bei all dem Müll, der sie geradezu überschwemmt, und der Armut, die überall präsent ist. Aber Grund zum Hassen gibt es auch nicht. Und ja, wir würden wiederkommen. Vielleicht liegt das am wirklich tollen Essen, das man hier kriegt (mein Bauch findet es ein bisschen zu spicey😉)?
Und weil Shafi - der Agenturchef, über den wir unser Delhi-Babysitting gebucht haben - uns nicht nur durch seinen Fahrer den Aufenthalt angenehm gemacht hat, sondern gerade eben dafür gesorgt hat, dass meine widerspenstige Vodaphone-Karte doch funktioniert, was sicher nicht seine Aufgabe ist, und er außerdem ein wahnsinniger netter Kerl ist, mache ich Werbung für seine Reise-Agentur. Wenn Ihr einmal nach Delhi, zum Taj Mahal, nach Rajasthan, also in den Norden dieses riesigen Landes kommen wollt, fragt ihn: www.invictatour.com (Visitenkarte ist bei den Fotos zu finden).