Veröffentlicht: 31.07.2018
Estland 2.ter Teil - der Westen - und die Insel Saaremaa
Bevor wir entgültig an die Westküste aufbrechen, machen wir uns noch auf den Weg an Europas fünft-größten See Peipsijärv. Den See teilen sich die Esten mit den Russen. Auf dem Weg dorthin, gibt es viel zu sehen im Hinterland Estlands. Die Menschen leben noch sehr ursprünglich und einfach in den Dörfern. Es gibt tolle bunte skandinavisch-angehauchte Holzhäuschen, dazwischen immer wieder eher russische graue Betonbauweise. In - und zwischen den Dörfern, sieht man immer wieder alte Sowjetbauten, hässliche graue Betonbunker, die sich selbst überlassen worden sind und langsam in sich zusammenfallen. Ausspähtürme die verroten und ganze Wohnblocks die leerstehen. (Ja die Russen hatten gerne alles genau im Blick).
Wir beschließen, unserm Knut mal eine Hand-Autowäsche zu gönnen (er steht vor Dreck und Staub) und fahren in die Waschanlage. Spannend, hier steht alles nur in estnisch und russisch. Auf gut Glück drücken wir mal auf der Anlage rum und schaffen es tatsächlich, ihr Shampoo und Wasser zu entlocken. Das gleiche Problem hatten wir schon in Finnland mit den Waschmaschinen auf dem Campingplatz. Alles nur in Finnisch - keiner spricht ein Wort englisch. Da steht Frau mal blöd vor der Maschine und kuckt etwas dumm aus der Wäsche. Habe dann auf gut Glück gewaschen und gehofft, dass ich nicht grad das Kochprogramm erwische. Hat aber bisher zum Glück immer alles geklappt.
Unser Tachostand zeigt an: wir haben die ersten 10 000 km geschafft!!
In Kauksi am See Peipsijärv finden wir gleich einen sog. Teklimisala - (ja fragt man sich da- was ist denn dass?) - wir haben uns schlau gemacht (vor Estland) und wissen, diese Plätze sind staatliche Grill,- Zelt- und Badeplätze, und immer entweder kostenlos oder sehr sehr billig. Hier ist Estland echt vorne mit dabei. In diesem Teklimisala gibt es in einem riesigen Fichtenwald hunderte Stellplätze (weit verstreut), und an vielen Plätzen überdachte Bänke mit Tischen und sogar Grillstellen mit Holz. (das Paradies) Zudem einen tollen endloslangen Sandstrand. Und das ganze für sage und schreibe 4 Euro Eintritt (jaaa -nicht pro Nacht - nein einmalig 4 Euro - egal wie lange!!). Da lacht das Sparerherz und wir ergattern einen tollen Platz im Fichtenwäldchen - ohne Nachbarn. Schnell die Hängematte aufgebaut und ab gehts über die Düne an den Traumstrand. (Wir haben 33 Grad). Dort angekommen, sehen wir tausende Fische liegen über kilometer am Ufer verstreut (na toll). Ich strecke meinen Zeh ins Wasser... der See hat mindestens 25-27 Grad. Wow. Zu heiß für die Fische!!?? Die Esten störts nicht und mit Kind und Kegel wird geplanscht. MMMhhhh?? wir sind auch total überhitzt und wollen undbedingt ins Nass. Der See hat durch die andauernde Hitzewelle so wenig Wasser, man muss ca. 1 km raus laufen, damit einem das Wasser an die Hüfte geht. Aber echtes Badevergnügen kommt nicht auf wenn man die ganze Zeit Tierleichen vor der Nase hat. Wie gehen zurück ins Fichtenwäldchen, schnell mit der Aussendusche abgeduscht, und stracken uns den Rest vom Tag in die Hängematte. Die Esten um uns herum grillen wie die Weltmeister. Es brennen bestimmt hundert Feuer. Das Wäldchen hier ist knochentrocken und Kilian und ich denken uns schon mal einen Fluchtplan aus, falls irgendwo ein Fünklein aus dem Grill.. in den Wald...springt.... dann machts nämlich fffupppp.... und der Wald steht in Flammen. Aber zum Glück passiert nichts. Abends treffen wir ein junges Paar aus Tirol mit ihrem Bernersennenhund. Barbara und Franz . Wir kommen ins quatschen und die zwei geben uns direkt ihre Adresse von Zuhause und laden uns ein zu ihnen wenn wir in Österreich sind. Das ist doch mal total nett!!
Auf dem weiteren Weg an die Westküste passiert mir ein Ober-"Vopa". Wir sind im supergläubigen Mustvee angekommen. Ein streng-gläubiges russisch-orthodoxes Dörflein mit einer traumhaften Kirche. Wir wollen dort schnell in den Supermarkt. Schon auf dem Parkplatz sind wir mit unserem Blümchenbus die Oberexoten. Egal.. da müssen wir jetzt durch... rein in Supermarkt und dann beginnt das große Starren auf MICH!! Die Männer glotzen mich unverhohlen an. Ich fühle mich einigermaßen unwohl in meiner Haut und denke erst, das liegt an meinen bunten indischen Hosen. Schnell raus und wieder in Bus - Kilian schaut mich an, fängt an zu lachen und zeigt auf mein T-Shirt. - Ich habe ein schulterfreies!! T-Shirt mit BUDDAH vorne drauf an!!! Und das bei den superstrenggläubigen russisch-orthodoxen. Die dachten bestimmt Satan persönlich hat mich gelenkt. Schnell einpacken und weg hier. Wir halten ein paar Kilometer weiter an einem Badesee. Es ist unvorstellbar heiß und wir würden gerne baden. Schon wieder passierts, wir fahren auf den Parkplatz neben der Badewiese und alle.... wirklich alle Augen sind auf uns gerichtet. Na super!! Was ist denn heute los?? Hier sind nur Einheimische und ich glaube, die haben noch nie einen Blümchenbus gesehen- geschweige den deutsche Touristen an ihrem See. Unauffällig wenden wir den Bus.... nix wie weg hier.... Am Abend finden wir einen tollen Badeplatz (wieder nur Einheimische - klar im Landesinneren gibt es nicht wirklich Tourismus). Wir parken dezent mit etwas Abstand, aber hier beachtet uns keiner. Wir sitzen am Bus und dann kommt plötzlich ein estnisches Ehepaar mit Kind auf uns zu. Gleich fängt der Papa an in (super-schlechtem) Englisch mit uns zu reden. Er ist total begeistert von unserem Bus und ist wohl auch im Bremer Mercerdes-Fanclub (aha!). Freundlich halten wir einen Plausch und er erzählt uns von seinem Hund Oliver und seinem Schwiegervater Hans.- Wir verstehen nur die Hälfte, nicken aber immer ganz freundlich. Wir sind ja froh, dass wir endlich nicht mehr die völligen Exoten sind. Danach fühlen wir uns auch wieder wohl in unserer Haut und in Estland. (das eigentlich echt toll ist)
Unser Weg führt uns weiter durchs Landesinnere. Wir fahren durch die Kornkammer Estlands. Stundenlang fahren wir an Roggen - und Weizenfelder vorbei. Aber es wächst mehr Unkraut als Korn. Auch der See an dem wir letzte Nacht standen, hatte kaum Wasser und überall lagen tote Fische. Estland ächtzt unter der Hitzewelle. Wir hören, dass es inzwischen in Lettland brennt (toll: unser nächstes Ziel). In Griechenland und auch sonst überall in Europa brennt das Land. Der heiße Sommer zeigt seine Auswirkungen. Wir fahren durch viele kleine arme Dörfer. Die Häuser sind alt und baufällig. Die Menschen haben große Gärten, und jeder baut sein Obst und Gemüse selber an. Die Menschen verkaufen Fisch und Gemüse an der Strasse. Nur selten sehen wir ein neues modernes Haus im Nirgendwo stehen. Die Menschen, die Geld haben, wohnen an der Küste oder in der Stadt. Immer wieder fahren wir an leerstehenden ehemals kommunistischen zusammenfallenden Gebäuden und Gehöften vorbei. Wir sehen viele Ausspähtürme in der Landschaft stehen.
Abends finden wir, in einem kleinen Dorf bei Haapsalu (in Rummu: hier sollte das Moonlight-Festival stattfinden - wurde leider kurzfristig wegen Geldmangel abgesagt) einen tollen See im ehemaligen Steinbruch. Das Wasser ist glasklar und erfrischend. Viele Esten baden hier. Der erste See, der nicht gekippt ist. Wir springen erst mal direkt ins kühle Nass (hier kann man toll vom Felsen springen), und beschließen, ein zwei Nächte hier zu bleiben, bevor wir morgen die Westküste erforschen gehen. Abends kommen wir dann das erste mal, seit wir unterwegs sind, in eine für uns unangenehme Situation. Wir liegen schon im Bett und schauen auf den tollen See. Plötzlich fährt ein Auto direkt neben uns. Raus steigen total besoffene junge Russen mit einer mords lauten tragbaren Musikanlage. Es wird voll aufgeschruppt und um die Anlage getanzt. Sie pöbeln und stolpern rum und schauen immer wieder zu unserem Bus rüber. Uns ist unwohl. Wer weiß, was so besoffenen jungen Männern einfällt? Wir sitzen es erst mal aus und warten ab, aber wohl ist uns gar nicht in unserer Haut. Wir sind die einzigen Ausländer hier am See. Und auch die einzigen mit einem Campingbus. Doch dann zahlt sich Freundlichkeit wieder aus. Ich habe mittags einer Gruppe junger Esten mit Hund unsere Hundeleckerli geschenkt. Unsere Fellnase ist zu verwöhnt für estnische billig-Leckerli und hat sie uns vor die Füße gespuckt. Drum dachte ich, ich tu eine gute Tat und verschenke sie weiter. Sie haben sich auch sehr gefreut darüber (vor allem ihr Hund) und wir haben einen kurzen Plausch gehalten, und erzählt dass wir hier im Urlaub sind. Und genau diese jungen Esten sind irgendwann zu den besoffenen Russen rübergelaufen und haben sie dazu gebracht, weg von uns zu gehen und uns in Ruhe zu lassen. Da freut man sich doch gleich wieder und sieht, dass sich gute Taten immer irgendwann auszahlen!!
Am nächsten Tag gehts weiter. Unser Ziel: Die größte Insel Estlands Saamrenaa. Die Fähre dorthin spuckt uns nach 40min. Fahrzeit in Muhu, einer kleinen Vorinsel aus. Die durchquert, noch schnell über einen Damm gefahren, sind wir auf der tollen Insel Saaremaa. Während der Sowjetzeit, war die Insel Sperrgebiet, und man durfte sie nur mit Sondergenehmigung betreten. Ausserdem war sie in allen Kriegen der letzen Jahre ein heiß-umkämpftes Ziel. In Oriasaaer Sadam bleiben wir für die erste Nacht und parken toll an einem Cafe am Meer. Hier ist sowas wie ein Dorffest und irgenwelche Künstler haben sich hier mal richtig ausgetobt. Überall entdeckt man tolle künsterlischen Objekte. Wir gehen baden im Meer. Es ist lauwarm und nach dem heißen Tag eine Wohltat. Am nächsten Tag ist es bewölkt (juhu) und wir haben "nur" 27 Grad. Perfekt um die Insel zu erkunden. Wir besichtigen die Festung Maasi. Man steigt einen kleinen Hügel hoch der überdacht ist. Ziemlich unspektakulär denken wir uns. Aber als wir dann in den Keller runter steigen, staunen wir nicht schlecht. Der untere Stock ist komplett erhalten. Tolle Steingemäuer mit schönen Rundbögen. Verschiedene Zimmer kann man betreten. Es ist angenehm kühl hier unten und viele Schwalben niesten. Man kann ein wenig den Geist von früher erahnen. Wir fahren weiter nach Kuresaare. Der einzigen Stadt auf der Insel. Dazu müssen wir einmal quer durchs Landesinnere. Unser Knut macht komische Geräusche. Es knackst sehr laut in den Kurven im vorderen unteren Wagenbereich. Wir sind die letzten Monate unzählige Schotterpisten gefahren. Hoffentlich hat er keinen Schaden abgekriegt. Wir werden das beobachten. Auch die Bremsen mucken auf (die haben wir vor der Reise neu gemacht)!! Das ABS löst im Schritttempo beim bremsen aus. Vielleicht ist zuviel Staub reingekommen? Wir wissen es nicht, und werden auch das beobachten. (schluck!) Wir fahren quer durchs Landesinnere. Inselfeeling macht sich breit. Wir kommen vorbei an bewirtschafteten Äcker, Schafen, Kühen und dazwischen sehen wir immer wieder nette kleine Häuschen mit beneidenswert großen Gärten. Es regnet leicht (das erste mal seit Wochen - danke Wettergott!!). Unzählige braune Sight-Seeingschilder säumen den Weg. Es gibt viel anzuschauen hier auf der Insel. In Kuresaare wird leider der Stadtkern am Rathausplatz saniert. Überall sind Absperrungen. Schade. Hier gibt es tolle alte Gebäude zu sehen. Wir laufen einmal quer durch in Richtung Bischofs-Burg. Hier hat die letzten Wochen ein Riesenspektaktel mit Opern und Konzerten direkt an der Burg stattgefunden. Die halbe Burg ist eingebaut mit Bühne, Catering-Zelten usw. Wir ziehen trotzdem eine Runde auf der Burgmauer und schauen uns die tolle Burg von oben an. Die Bischöfe haben nicht schlecht gelebt. Weiter gehts Richtung Süden der Insel. In Ohesaare halten wir am Steinstrand. Hier haben die Menschen in den letzten Jahren Steinmänchen gebaut. Es sind weit über tausend inzwischen. Auch wir lassen uns dass nicht zweimal sagen und bauen uns zwei Steinmännchen. Ein großes und darauf noch ein kleines. Auf unsere Ehe!! Wir feiern heute unseren 7. Hochzeitstag. Leider stürzt das Steinmänchen, kurz nach dem ich es fotografiert habe, ein (das wir doch wohl kein schlechtes Omen für unsere weitere Ehe sein?!) - Wir lachen drüber und fahren weiter. Wir suchen einen Platz für die Nacht, und an einem süssen Cafe an einer Windmühle, die gleichzeitig auch Hostel ist, werden wir fündig und fragen die Besitzerin um Erlaubnis. Das alles hier ist ihr Land, und wir wollen uns nicht einfach unverschämt irgendwo hinstellen. Doch die Besitzerin ist sehr nett und wünscht uns viel Spaß. Wir stehen toll an der Steilküste mit Blick aufs Meér. Abends kommen düstere Wolken. Ein Gewitter zieht auf. Es sieht extrem bedrohlich aus, als die ganzen Wolkentürme auf uns zu steuern. Doch ganz so schlimm wirds dann nicht, und eine Stunde später, haben wir dann doch noch einen spektakulären Sonnenuntergang vom Bett aus. Am nächsten Morgen, besuchen wir die Besitzerin im Cafe, bedanken uns nochmal und trinken noch einen leckeren Cafe latte bei ihr. Dann zieht es uns weiter. Das Thermometer zeigt 35 Grad!! Wir wollen eigentlich nur ein Plätzchen im Schatten mit Meerzugang finden. Das kann doch nicht so schwer sein denkt man sich- schließlich sind wir auf einer Insel. Doch das ganze entpuppt sich als echt anstrengenden Höllen-Tag im Bus. Über unzählige Schotterpisten (ja hier gibts noch nicht überall geteerte Strassen) rumpelt unser Knut. Es staubt unglaublich und ist sauheiß. Aber den richtigen Platz finden wir nicht. Entweder gibts keinen Schatten (geht gar nicht bei 35 Grad), oder das Meer ist von Algen übersäht (auch im Meer merkt man, dass es schon viel zu lange viel zu heiß und trocken ist), oder beides zusammen. Gut zugängliche Badeplätze sind rar auf dieser eher wilden Insel. Nachmittags um fünf finden wir einen tollen Platz mit Grillstelle (eine Teklimisala) - inzwischen herrscht aber auf der ganzen Insel Grillverbot wegen Waldbrandgefahr - (ist vielleicht besser so). Wir stehen im kühlen Fichtenwäldchen direkt am Meer und denken uns Toll!! Aber auch hier: ein Algendesaster. Man müsste durch einen ca 100m breiten Algenteppich waten, und dann bestimmt noch mal einen Kilometer rauslaufen, um baden zu können. Und zudem gibt es hier ein Wespen- und Fliegenproblem. Nach zwei Stunden Wespengetier um unsern Kopf herum, haben wir genug. Wir steuern den 20km entfernten Platz an, den wir schon vom ersten Tag auf der Insel kennen. Hier steht man toll am Meer. Das Meer ist hier komischerweise super-sauber und gefühlt 25 Grad warm. Letzte Woche hat hier ein Music-Festival stattgefunden, dass wir leider verpasst haben (Mist, Mist, Mist). Ein tolles rundes riesiges Zelt steht auf dem Platz. Darin: ein Raumklangwunder. Es hallt unglaublich wenn man redet. Hier war die Tanzfläche. Ich kann nur erahnen, was für ein Klangerlebniss das war. Überall stehen Kunstobjekte rum. Wir gehen ins Cafe des Chefs vom Platz und essen leckeren Fisch für 9 Euro. Ja wir haben wohl was verpasst. Hier war ganz schön was los letztes Wochenende. Schade... da waren wir wohl ein wenig zu spät. Trotzdem haben wir die Insel Saaremmaa sehr genossen. Fazit: Saaremaa: Tolles Inselfeeling, wahnsinnig tolle Natur, leider wenig sehr gute Badeplätze, Entschleunigung pur (wir waren auch vorher schon nicht mehr die Schleunigsten :)), super-nette Insulaner, - eine Insel zum runterkommen und geniessen, wenig Menschen, fast keine Touristen. - So lieben wir das!!!
Morgen werden wir das letzte Stück estnische Küste runterfahren, und dann spätestens übermorgen in Lettland aufschlagen. Estland: Es war uns ein Fest. Ein tolles (inzwischen) modernes Land (an den Küsten und auf der Insel). Im Landesinneren, kann man noch ein wenig bei den älteren Menschen die Erinnerung des Kommunismus spüren. Sie sind vorsichtig und zurückhalten- aber halt auch keine Touristen gewöhnt. Auch alte Gebäude die langsam verfallen, sind noch einige zu sehen im Land. Die Hauptstadt Tallinn ist der Oberknaller. Ein tolles mittelalterliches Städtchen mit einem unglaublichen Flair. Estland ist auf jedenfall eine Reise wert. Wir haben es sehr genossen hier zu sein. Danke Estland - Hello Lettland