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Der "junge Berg" ruft! - auf über 6000m

Veröffentlicht: 07.12.2018

03.12.2018

Wie schon erwähnt, hat Carsten vollste Überzeugungsarbeit geleistet und damit unseren Aufstiegsversuch zum Huayna Potosi ("junger Berg") besiegelt. 

Am Morgen treffen wir Owen und unsere vierte Mitstreiterin Jennifer in der Reiseagentur. Zuallererst steht das Einkleiden auf dem Programm. Plastikschneeschuhe mit Steigeisen, dicke Bergsteigerjacke und -hose, Handschuhe, Eispickel, Helm und Klettergurt. Damit sollten wir für alle Eventualitäten ausgerüstet sein. Unser Guide Ronaldo holt uns ab, um mit uns den zweistündigen Holperweg zum Basiscamp anzutreten. Wegen der fehlenden Sitzmöglichkeiten in unserem Combi muss er es sich leider im Kofferraum gemütlich machen.

Wir huckeln vorbei an bunten Seen, die durch die ausgewaschenen Mineralien der Mienenarbeit vor Ort in unzähligen Farben funkeln. Im Hintergrund ist die Cordillera Real stets präsent und erinnert uns an unser irgendwie utopisch erscheinendes Vorhaben. 

Das Basislager befindet sich auf 4750m. also "nur" noch knapp 1330m zu überwinden, und das in 3 Tagen - ein Klacks! Denkste. Auch wenn es sich um einen de einfachsten 6000er handelt,  schaffen viele unerfahrene Alpinisten den Weg bis zum Gipfel nicht. Die Höhenkrankheit, unzureichende Kondition oder auch einfach schlechte Wetterbedingungen zollen bei knapp der Hälfte der Besteigungen ihren Tribut. Beim Mittagessen gibt uns Ronaldo schon einmal ein paar Tipps, wie wir den Berg bezwingen können und erzählt uns, dass er selbst den Weg ab hier zum Gipfel in ungefähr 2,5 Stunden durchzieht. Für uns Touris veranschlagt man insgesamt 7-9 Stunden auf zwei Tage verteilt. 


An diesem Tag werden wir jedoch noch keine Höhenmeter schrubben, sondern den Umgang mit unserer Ausrüstung üben. Keiner von uns vieren hat bis dato mit Steigeisen oder einem Eispickel gearbeitet. Am 30 Minuten entfernten Gletscher machen wir erste Sicherungsübungen, laufen wie Pinguine die Eisflächen auf und ab, klettern senkrechte Eiswände hinauf und seilen uns wieder von ihnen hinunter. Allein für diesen Spaß war es das Geld wert!







Mit einer gemeinschaftlichen Yogarunde lassen wir den Tag entspannt und glücklich ausklingen.


04.12.2018

Das Wetter ist perfekt. Sonnenschein und nur leichte Böen. Aus diesem Grund  treten wir direkt nach dem Frühstück unseren Weg zum Hochlager auf 5270m an. 

Wir schrauben uns circa 3 Stunden immer höher. Die Aussichten sind unglaublich schön. Jedoch muss man oft den Blick auf den Boden gerichtet lassen, um nicht gerade über einen Stein zu stolpern oder wegzurutschen.  Zudem lässt der Weg einen seichten Vorgeschmack auf die morgige Tortur blicken. Gerade der letzte Anstieg an Seilen, im rutschigen Schnee und über loses Geröll fordert noch einmal Durchhaltevermögen.




Am Hochlager angekommen sind jedoch alle Mühen vergessen. Die Aussicht belohnt uns doppelt und dreifach. Wir genießen den Blick auf die schneebedeckten Berge und suhlen uns im Sonnenschein. 



Nach knapp einer Stunde kommt allerdings für Annika der Mann mit dem Hammer. Dröhnender Kopfschmerz setzt ein. Ob es die Höhe oder die 3 Stunden in der prallen Sonne waren, wissen wir nicht. Erst nach Stunden wird es wieder besser. Als wir um 7 Uhr ins Bettchen müssen, um in der Nacht um kurz nach 12 rechtzeitig aufzustehen,  scheint sich der Spuk gelegt zu haben. 

An Schlaf ist allerdings nicht wirklich zu denken. Die Kälte zieht durch alle Ritzen, die Windböen decken fast das Plastikdach ab und die Aufregung steigt.


05.12.2018

Heute wird es ernst! Um Mitternacht stehen wir auf, essen eine Kleinigkeit und werfen unsere Bergsteigeruniform über. Vier Schichten am Oberkörper (Thermounterwäsche, Shirt, Trainingsjacke und Schneejacke) und drei an den Beinen, dazu mindestens 2 Paar dicke Socken und Mützenpflicht. Wir sind zumindest scheinbar für die bevorstehenden -20 °C gewappnet.

Da unser Hochlager direkt an der Eiswand liegt, müssen wir nur einen kurzen Weg mit unseren Plastikschuhen über die schroffen Felsen überwinden. Die Gruppen, deren Lager sich niedriger befinden, dürfen den Spaß an den Seilen jetzt im Dunkeln noch zusätzlich absolvieren. Unsere Schadenfreude hält jedoch nicht lange an. Im dunklen Nachthimmel zeichnen sich die Stirnlampen der ersten Gruppen schon mehrere hundert Meter über uns am steilen Eishang ab. All das steht uns noch bevor. Im Gänsemarsch, immer zwei Personen an einem Guide gesichert, treten wir den Weg an. Obwohl es Annika am Startpunkt noch gut ging, bahnt sich für sie langsam die Ernüchterung an. Ihr Herz hat schwer zu kämpfen. Diverse Atemtechniken fruchten nicht und nach knapp 1,5 h und 300 Höhenmetern entscheidet sie sich für den Rückzug. 


Carsten wird in der zweiten Gruppe aufgenommen. Gemeinsam mit Jenny, Owen und dem Guide José geht es weiter. Mehrere Stunden funktionieren wir alle nur im Autopilot. Nur das Geräusch von schwer atmenden Menschen und dem Knirschen der Steigeisen auf dem gefrorenem Schnee. Den Anstieg kann man aufgrund der Dunkelheit nur durch die vor uns liegenden Lichter und die Neigung unserer Füße erahnen. Alle 40 Minuten machen wir, vollkommen außer Atem, eine Pause, trinken Coca-Tee und essen Schokolade. Nach meist 3-5 Minuten geht es weiter. Die Kälte kriecht zu schnell durch Mark und Bein.

Vorbei an düsteren Gletscherspalten und sogar über eine Eisbrücke hinweg, geht es nach dem mittleren Anstieg steiler aufwärts. Es ist 3.00 Uhr morgens. Wir laufen auf Pfaden, die nicht breiter als beide nebeneinander stehende Schuhe und so steil sind, dass der Eispickel in den Hang geschlagen werden muss, um sich hoch zu ziehen. Zum Glück sehen wir in der Dunkelheit den Abgrund nicht.

Auf dem letzten Drittel holt uns Ronaldo wieder ein. Dieser hat Annika zurück begleitet und nimmt Carsten nun wieder in seine Gruppe auf. Ab hier geht es im Zickzack fast senkrecht. Knapp 100m über uns thront er. Wir sind auf 6000m Höhe. "Mucho motivación! El cumbre es cerca" sagt er. Der Gipfel ist nah.

Ronaldo legt ein tolles Tempo vor. Immer wieder fragt er, ob alles ok ist oder eine Pause eingelegt werden soll. Wir ziehen den letzten Akt nur mit einer kurzen Pause durch. Sein warmer Tee und seine aufmunternden Worte helfen.

Der beginnende Sonnenaufgang lässt nun die Höhe erahnen. Der Pfad zeichnet sich immer mehr ab und lässt ein Schaudern durch den Körper ziehen.

ENDLICH! Oben angekommen! Nach einem gratulierenden Handschlag übernimmt Ronaldo die Kamera. Tolle Bilder mit einem orange-roten Sonnenaufgang und einem noch im Schlaf liegenden La Paz entstehen. Es ist 6.00 Uhr morgens.




Anschließend warten wir kurz auf unsere Gruppe 2, die sich etwas mehr Zeit gelassen hat. Gemeinsam genießen wir den Moment auf 6088 m Höhe. Unfassbar. Nach 10 Minuten treiben uns unsere Guides jedoch schon wieder zum Abstieg an. Schließlich müssen wir heute noch den gesamten Weg bis zum 1. Basislager zurücklegen.


Der Abstieg ist beschwerlich und geht in die Knie. Bei jeder Kurve denkt man sich, wie man das nur hier hinauf geschafft hat. Im Hellen sehen die Wege steil und teilweise nicht ungefährlich aus. Über eine Gletscherbrücke, die wir noch zuvor mit dem anderen José genommen haben, will Ronaldo nicht gehen. "Zu gefährlich" meint er. Die Aussichten über dem, wie mit Puderzucker bedeckten Eisberg sind unglaublich.


Nach 90 Minuten Abstieg sind wir am Hochlager angekommen. Raus aus den Klamotten. Mittlerweile sind es hier fast 10 Grad und die Klamotten ertränken einem im Schweiß. Es ist jetzt kurz vor 8.00 Uhr morgens.

Sachen umpacken, eine Suppe essen und dann auf zum Abstieg. Geredet wird nicht viel. Alle sind total im Eimer. So richtig realisiert wir das Ganze erst später beim gemeinsamen Essen mit Owen und Eilish, mit denen wir den Abend gemeinsam beim Pizzamann und dem hektischen Lauf zum Busbahnhof verbringen (der Bus ging früher als erwartet). Die Reise nach Potosi geht um 21.00 Uhr bis zum nächsten morgen. Davon bekommen wir wenig mit.


06. und 07.12.2018

Eigentlich wollten wir uns ja mal Potosi ansehen, bevor wir in die Salzwüste nach Uyuni fahren. Die Erschöpfung der letzten Tage macht sich jedoch bemerkbar. Wir genießen mal zwei Tage Nichtstun.

Verrückt, dass es bei Owen gleich Schlag auf Schlag weiter ging. 


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