ausderfernebetrachtet
ausderfernebetrachtet
vakantio.de/geschichtenvonunterwegs

Rio de Janeiro

Veröffentlicht: 13.03.2024

Streik des Bodenpersonals an Flughäfen in Deutschland ab Donnerstag, Flug mit Zwischenstopps Lissabon und Sao Paulo am Mittwoch. Gutes Timing ist eben alles. ;)

So, da sind wir wieder - Rio (mit spontaner Reisebegleitung aus Chemnitz, somit sollten sich die ersten Wochen recht kurzweilig gestalten). 

Gar nicht so einfach, etwas kurz und bündig über diese verrückte Stadt zu schreiben. Wo fängt man an, wo hört man auf? Metropole der Gegensätze: Leblon, Copacabana, Ipanema, die edlen Viertel an den Stränden der Stadt. Direkt dahinter schmiegen sich Favelas in die Hänge der Granithügel, ehemals Ansiedlungen der Bediensteten, mittlerweile dicht bebaut, ein Zuhause für all diejenigen, die sich das Wohnen in all den teuren Ecken der Großstadt nicht mehr leisten können.

Malerisch gelegen am Eingang der Guanabara-Bucht übt die Stadt trotz aller Probleme, hoher Kriminalität und Umweltverschmutzung eine unfassbare Faszination (ja, auch auf mich) aus und lockt während der Karnevalswoche fast 5 Millionen Touristen an.

Karneval in Rio, das zumindest ist neu für mich und nachdem ich beim letzten Mal schon all den Tourikrams abgehakt hatte, konnte man sich dieses Mal vollumfänglich und in aller Ruhe den vielen Umzügen (Blocos genannt) und Veranstaltungen während des Karnevals widmen.

Vorab wurde bereits unser Schweizer Freund Oli kontaktiert und ein Zimmer im Mambembe-Hostel bezogen. Oli ist der Besitzer des Hostels und mittlerweile seit 12 Jahren hier wohnhaft.

Die ersten Tage ließen wir es recht ruhig angehen. Im Hostel abhängen, neue Leute kennenlernen, Stadtspaziergänge und hin und wieder ein Stadionbesuch.

Weniger ruhig dann die Tage danach. Im Hostel kurz die Empfehlungen des Tages gecheckt und ab auf einen der zahlreichen Blocos und mit teils tausenden Gleichgesinnten, wild kostümiert und voller Glitzer bei über 30° den Klängen der Musik lauschen, tanzen, feiern und sich vom unfassbar lebendigen Spirit der Stadt treiben lassen.

Die Blocos starten recht früh und gefeiert wird in der Regel tagsüber, was den Vorteil hat, dass man sich nicht die ganze Nacht um die Ohren schlägt und ausreichend Zeit zum regenerieren hat. Das ist auch ganz klar die Empfehlung der Locals: früh ins Bett und früh aufstehen, um die einzigartige Stimmung der doch so unterschiedlichen Blocos vollumfänglich aufzuschnappen.

Bloco Céu na Terra (Himmel auf Erden) - Start um 7 Uhr morgens auf den Hügeln Santa Teresas, ganz in der Nähe des Hostels. Zu Trommeln und Trompeten durch die engen Straßen des Viertels tanzen. Eine unfassbar entspannte und friedliche Stimmung in der Luft. Nette Menschen, positive Energie, einfach eine wundervolle und nicht ganz so überfüllte Veranstaltung gleich zu Beginn des Karnevals. Gegen Mittag und nachdem sich der Bloco langsam aufgelöst hatte, ging es mit ein paar Leuten vom Hostel zu Olis Haus gleich ums Eck und der Tag wurde bei selbstgebrautem Bier und Pizza in bestem Müßiggang am und im Pool vertrödelt. Besser gehts nicht.

Bloco Céu na Terra

Bloco Boi Tolo - einer der größten und bekanntesten Blocos der Stadt, mit der Besonderheit, dass dieser (wieder recht früh) an 3 unterschiedlichen Orten der Stadt beginnt, sich dann im Laufe des Tages zu einem riesigen, tanzenden Haufen zusammenschließt und abschließend durch den Straßentunnel führt, welcher Copacabana und Ipanema verbindet.

Die meist gestellte Frage an diesem Tag ist “Cadê o Boi Tolo?” (Wo ist der Boi Tolo?), gestellt von all den Leuten, die während des Vormittags auf der Suche nach dem Bloco sind, um sich noch vor dem Tanz durch den Tunnel der Veranstaltung anzuschließen. Mit 2 weiteren Almans im Gepäck ging es nicht ganz so früh ebenso auf die Suche nach dem Boi Tolo. Vorbei an den Stränden von Flamengo und Botafogo wurden die Menschenmassen immer dichter und die Stimmung immer ausgelassener. Allzeit den Zuckerhut im Blick (eine unglaubliche Kulisse) überholten wir den bereits zusammengeschlossenen Bloco und warteten im vorderen Bereich des Tunnels auf die sich immer näher an uns heran bewegenden Menschenmassen. Tausende Menschen tanzten kurze Zeit später dicht aneinander gedrängt an uns vorbei in den Tunnel hinein und wir hatten gar keine andere Wahl als uns einfach treiben zu lassen. Eine unglaubliche Energie, welche hier die Massen durch den völlig überfüllten Tunnel schob, immerzu angetrieben vom Klang der Trommeln und dem Gesang der Künstler, die die Sperrspitze des Blocos bildeten. Wahnsinn, sowas muss man einfach mal erlebt haben auch wenn man hier keine mitteleuropäischen Maßstäbe zur Bewertung der Sicherheit während der engen Passage ansetzen sollte.

Am Tunnelausgang fühlte man sich beim Übergang in die 35° warme Außenluft kurz, wie von einem kalten Herbstwind angeblasen und man kann nur erahnen welchen Temperaturen man im Tunnel ausgesetzt war. Ein Dank geht hierbei an die zahllosen Straßenhändler, welche die ganze Zeit für einen absolut fairen Preis mit Wasser (und Bier) dafür sorgten, dass wir (und auch alle anderen Feierwütigen) jederzeit gut hydriert durch den Tag kamen. :)

Bloco Boi Tolo

Der Rest der Zeit in Rio gestaltete sich recht abwechslungsreich: Blocos, ausgiebige Entdeckungstouren durch die Stadt, Strand und ein paar Ausflüge in die Favelas der Stadt.

Leider mussten auch ein paar Off-Tage im Hostel eingelegt werden, denn der Endgegner hieß wieder einmal Klimaanlage, welche bei 32° Außentemperatur und in den Zügen teilweise auf 17° herunter temperiert, erbarmungslos zuschlägt. Angeschwitzt im Zug stehend hat man leider keine Chance, dem in alle Richtung blasenden (und eiskalten) Luftstrom auszuweichen und holt sich den Rest.

Glücklicherweise war das Schlimmste nach ein paar Tagen überstanden und für die weiteren Zugfahrten bewaffnete ich mich mit einer Fleecejacke. Sehr zum Erstaunen der Brasilianer, welche mich mehrfach verwundert anstarrten, weshalb ich denn bei hochsommerlichen Temperaturen eine warme Jacke unter dem Arm durch die Stadt trug.


Eine Anekdote noch zum Zugfahren in Rio:

Auf dem Weg in die Vororte (ein paar Fußballspiele wurden dort besucht) schiebt sich eine schier endlose Scharr an Händlern durch den Zug. Verkauft werden hier, lautstark angekündigt, vor allem Getränke, Snacks, Süßigkeiten und andere Dinge des alltäglichen Bedarfs. Allerdings kommen dazu noch Sachen, die man so überhaupt nicht in einem öffentlichen Verkehrsmittel als Handelsware erwartet: Luftpumpen, Gurkenschäler, Schirme, Leim, Topflappen, Lautsprecher und Kopfhörer. Kurz verwundert über das doch recht außergewöhnliche Angebot klärte mich Oli später auf: Die Straßenhändler kommen wohl überwiegend aus den umliegenden Favelas und gehören größtenteils zusammen. Ab und an wird ein Transporter oder LKW überfallen und das Diebesgut untereinander und in der Favela verteilt. Die Dinge, die nicht benötigt werden, verkauft man dann neben Speis und Trank im Zug. Somit wird die komplette Beute verwertet und an den Mann bzw. die Frau gebracht.


Antworten

Brasilien
Reiseberichte Brasilien