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Favela Santa Marta

Veröffentlicht: 13.03.2024

Strahlender Sonnenschein, 32° und nur ein paar vereinzelte Wölkchen am Himmel.

Perfektes Wetter um sich an den Stränden von Rio mit abertausenden Gleichgesinnten die Sonne auf den noch viel zu weißen mitteleuropäischen Leib brennen zu lassen. Diese Art von Zeitvertreib sollte es allerdings heute nicht sein, denn wir entschieden uns für einen Besuch in Santa Marta, die mit Steigungen von fast 40 Grad als die Steilste der geschätzten 700 Favelas der Stadt gilt. Um den Bewohnern den Transport von Waren und den Aufstieg in die oberen Teile der Ansiedlung zu erleichtern, wurde vor ein paar Jahren ein Cable Car gebaut, welches den Fuß des Morro Donna Marta über insgesamt 5 Haltestellen mit den Häusern im ganz oberen Bereich des Hügels verbindet.

Cable-Car

In mäßigem Tempo bewegt sich die Bahn nach oben und offenbart einen atemberaubenden Blick über den Süden der Millionenmetropole, allzeit überwacht vom Cristo Redentor, dem weltbekannten Wahrzeichen von Rio de Janeiro, welcher majestätisch auf dem 710 m hohen Corcovada über der Stadt thront.

Blick zum Corcovado

An der Mittelstation angekommen trafen wir auf mehrere Typen, die mit Schnellfeuergewehren zwischen den Backsteinhäusern saßen und sich allerlei Aktivitäten widmeten: Gras rauchen, Domino spielen und unfassbar viel Geld zählen. Einer der Gestalten hätte mit seiner makellosen und unfassbar muskulösen Gestalt wohl in jedem Hollywood-Blockbuster mitspielen können, zog anscheinend aber das beschauliche Leben in der Favela dem Jetset in LA vor und entzückte durch mehrfaches geübtes Wenden der automatischen Waffe die Augen der erstaunten Zuseher. Die Absurdität der Szenerie gestaltete sich allerdings sehr einseitig, denn die selbsternannten Beschützer der Favela würdigten uns keines Blickes. Eine kleine Gruppe Touristen kreuzte unseren Weg und meine Fragen an den Guide, ob es sich bei den Herrschaften tatsächlich um die Schutzbeauftragten der Favela handelten, oder ob das Kriminelle seien, wurden beide mit „Ja“ beantwortet.

Wir entschieden und zum weiteren Aufstieg mittels Cable Car um uns von ganz oben den Weg zurück durch die engen Gassen zum Fuß der Siedlung zu bahnen. Hilfreich ist hierbei vor allem das starke Gefälle, welches als grobe Orientierung nach unten dient und ohne das man sich wohl hoffnungslos im Gewirr der Pfade und Wege verirren würde. Auf ungefähr der Hälfte des Weges befindet sich der Espaco Michael Jackson, welcher mit einer Statue an den King of Pop und sein hier in der Favela aufgenommenes Video zu „They don´t care about us“erinnert. Auch wenn man wohl nicht mit den Bewohner der Favela tauschen möchte, so ist zumindest der Blick auf Ipanema, Copacapada und den Zuckerhut beneidenswert.

Der Weg ins Tal

Vorbei an teils ineinander verschlungenen Backstein- und Holzbauten, wild zusammengeschusterten Konstruktionen, Sturzbächen voll Fäkalien und Abwasser und Shops des täglichen Bedarfs staunte man über die Kreativität der Bewohner und auch über die Kunst, jeden Quadratmeter des Quartiers möglich optimal auszunutzen, auch wenn uns hier mitteleuropäische Maßstäbe zur Bewertung des Chaos wohl eher unangebracht scheinen. Vorbei an weiteren schwerbewaffneten Gestalten und endlich wieder unten angekommen schweift der Blick zurück von der Sohle der Siedlung hinauf auf die Hänge und ein erneutes Staunen, wie dieses Konstrukt in Eigenverwaltung wohl trotz aller widrigen Umstände doch recht gut funktioniert. Nur auf der „falschen“ Seite des Gesetztes sollte man hier nicht stehen, denn jegliche Kontrollfunktion der Staatsorgane, Polizei, etc. wird nicht geduldet, was ein weiterer Grund für die schwere Bewaffnung in der Favela darstellt, wie ich mir im Nachgang der Tour erklären lies.

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