Veröffentlicht: 24.04.2019
Die buddhistische Zeitrechnung ist unserem gregorianischen Kalender 543 Jahre voraus. Im April feiern die Laoten ihr Neujahrsfest – und wir mittendrin. Nicht nur Buddha-Statuen werden mit Wasser begossen, auch die Laoten waschen sich das vergangene Jahr ab, um gereinigt ins Kommende starten zu können – mit einer riesigen dreitägigen Wasserschlacht. Drumherum gibt es viele religiöse und traditionelle Bräuche, wie Paraden oder Tanzvorführungen. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen und verbringen die gesamten Feierlichkeiten in Luang Prabang, dem ehemaligen Königssitz und spirituellen Zentrum des Landes.
Rund 1.500 Mönche und Novizen leben in über 30 Klöstern. Viele der Novizen sind sehr aufgeschlossen und interessiert daran herauszufinden, wer wir sind und wollen mit uns ihr Englisch üben. Der ein oder andere findet es jedoch schade, dass Antonia ein Mädchen ist, denn er darf sie somit nicht berühren. Den ausschließlich männlichen Novizen und Mönchen ist das Berühren von Frauen untersagt. Sie leben besitzlos, ernähren sich von Essensspenden und verbringen den Tag mit Studieren und Meditieren. Auch für die Novizen ist das Neujahrsfest eine besondere Zeit: Sie bekommen Besuch aus den Heimatdörfern, unter den Essensspenden befinden sich ungewöhnlich viele Süßigkeiten und manche machen mit ihren Handys genauso begeistert Fotos von den Feierlichkeiten wie wir – so ganz besitzlos sind sie dann wohl doch nicht alle.
Die prachtvollen Klöster prägen neben den französischen Kolonialbauten und den Wohnhäusern im laotischen Stil die Altstadt. Diese begeistert uns, denn zur Nebensaison gibt es trotz der Feierlaune auch etliche ruhige Ecken. Der zäh dahinfließende Mekong trägt zu dieser entschleunigten Atmosphäre bei. Wenn auf einer der kleinen Mekong-Inseln nicht gerade eine Hochzeit gefeiert wird. Dann finden nämlich Jet-Ski-Rennen statt und die laute Musik beschallt die gesamte Stadt. Dies ist die Bevölkerung Luang Prabangs und auch anderer größerer Siedlungen aber ohnehin gewohnt. Jeden Morgen und Abend beschallen scheppernde urtümliche Lautsprecher die Innenstadt mit den neuesten Nachrichten, kommunistischen Parolen und Folkloremusik. Das wirkt ziemlich skurril, schafft aber auch Atmosphäre.
Nach dem Neujahrsfest führt uns unsere Reiseroute weiter Richtung Norden an den Nam-Ou-Fluss. Per Boot reisen wir diesen in mehreren Etappen hinauf. Neben traditionellen Dörfern begegnen uns hier einige völlig überdimensionierte Staudämme. Von chinesischen Firmen mit chinesischen Arbeitern gebaut, um den entstehenden Strom hauptsächlich nach China zu exportieren. In der Bevölkerung regt sich Unmut über den drohenden Ausverkauf des Landes an China und Vietnam. Doch in einem kommunistischen Ein-Parteien-System wird Kritik nicht akzeptiert und manch Widersacher verschwand schon von heut auf morgen.
Wichtige Anbauflächen an den fruchtbaren Flussufern sind von Staudammprojekten bedroht und die Anwohner werden in höhere Lagen umgesiedelt. Dort verstärken sie den Druck auf die wenigen Ackerflächen und sind oft zur Waldrodung gezwungen. Ironischerweise wurden viele dieser Dörfer in den vergangenen 20 Jahren erst an die Flussufer umgesiedelt, um sie und den Wald besser kontrollieren zu können.
Während der Schulferien zum Neujahrsfest verbringen die Kinder den ganzen Tag am Wasser.
Von dem kleinen Dorf Sapjam aus geht unser Gastgeber Nyng auf die Jagd in die umliegenden Wälder. Er verspricht uns einen Vogel oder ein Eichhörnchen zum morgigen Mittagessen, wenn er Erfolg hat. Kaum aufgebrochen gesellt sich eine Arbeiterkolonne der naheliegenden Staudammbaustelle in das beschauliche Restaurant. Sie haben morgen ihren freien Tag und lassen sich mit Ansage und ohne Zeit zu verlieren volllaufen. Nyngs Frau Ka Mi wird das dann irgendwann zu turbulent und sie ruft ihren Mann an, damit er zurückkommt. Zumindest wir und das ein oder andere Eichhörnchen finden, dass die chinesischen Wanderarbeiter an diesem Abend auch was Gutes haben.
Jetzt, in der trockenen und heißen Jahreszeit, ist der Norden von einem dauerhaften Dunst ummantelt. Staub und der Rauch von Brandrodungen hängen in der Luft. Man riecht es nicht, aber die Sicht reicht nur bis zur nächsten Bergkette und das Tageslicht ist diffus. Schon um die Mittagszeit bekommt die Sonne einen rötlichen Schimmer, wie zum Sonnenuntergang. Wir kommen uns vor wie unter einer Glocke. Fernab der Zivilisation, im Flusstal des Nam Ou, eingeschnitten zwischen hohen Karstbergen.