Veröffentlicht: 05.07.2024
Im Juli wollte ich endlich die Wanderung machen, die ich mir schon so lange vorgenommen hatte: Eine leicht abgeänderte Variante des GRR2. Dieser Wanderweg führt einmal quer über die Insel, vom Norden bis in den Süden, umfasst 135km und wird normalerweise in 7-10 Tagen gelaufen.
Meine abgeänderte Variante umfasste 109km, denn einige Etappen des Originalwegs war ich schon einzeln abgelaufen und wollte diese somit überspringen.
Ich fuhr also am Mittwoch mit dem Bus gen Westen nach Dos d'ane und fing von hier meine Wanderung an. Mit im Gepäck waren Wasser, sehr sehr viele Pullis, meine Hängematte, mein Schlafsack und ein paar Nüsschen. Mein Vorhaben war es nämlich, das Ganze nur mit meiner Hängematte zu bestreiten und nicht in den vorgesehenen Hütten zu übernachten. Dort wollte ich nur essen.
Bereits nach wenigen Metern merkte ich, dass die Wanderung super hart werden würde - ich war zwar inzwischen echt gut trainiert, doch mein Rucksack war unfassbar schwer und mit der Zusatzbelastung kam ich gar nicht klar. Ich zwang mich also mehr oder weniger immer weiter und kam echt an meine psychischen und physischen Grenzen. Eigentlich wollte ich unten im Tal bei Rivière des Galets übernachten, doch musste feststellen, dass ich dort erstens viel zu früh (13 Uhr) angekommen war und es zweitens keine Bäume für meine Hängematte gab. Ich ging also weiter und hoffte, einfach direkt bei meinem zweiten Etappenziel anzukommen, Aurère in Mafate.
Nach sehr viel Quälerei, aber glücklicherweise sehr guter Aussicht, schaffte ich es auch tatsächlich, noch vor Dämmerung dort anzukommen. Total erschöpft bestellte ich bei der ersten Hütte, die ich fand, etwas zu trinken und fragte, ob ich auch etwas zu essen bekommen könnte. Das verneinte der liebe Mann leider, denn da hier alles per Helikopter eingeflogen wird, müsse man vorher reservieren. Daraufhin schaute ich ihn anscheinend so verzweifelt an, dass er versprach, mir die Reste der eingeplanten Übernachtungsgäste um 19h30 rauszugeben. Danke!!
Während ich auf die Essenszeit wartete, baute ich meine Hängematte auf und las ein wenig in meinem Buch. Ich setzte mich auf die Terrasse der Hütte, wo ich dann tatsächlich eine réunionesische Familie traf, die mit einer Deutschen unterwegs waren - was ein Zufall! Wir unterhielten uns nett, doch dann gingen sie wieder zurück in ihre Unterkunft.
Zu meinem zusammengewürfelten Essen aus Rougail Saucisse und Pouelt à la Vanille bekam ich sogar noch eine Linsen-Kokossuppe. Das hat mich echt wiederhergestellt, so lecker!
Recht früh, so gegen 20h30, legte ich mich dann auch schon in mein "Bett", denn viel zu tun hatte ich sonst nicht :D Bis dahin war der Tag zwar echt anstrengend gewesen, aber auch total schön. Das sollte sich in der Nacht dann ändern.
Gegen 02 Uhr nachts fing es an zu regnen. Und es regnete und regnete, immer weiter. Ich legte meine große Plastikplane über meine Hängematte, doch nach zwei Stunden fing mein Schlafsack trotzdem langsam an, durchzunässen. Ich wusste echt nicht, was ich tun sollte, die Hängematte war klitschnass, mein Schlafsack war dabei, es auch zu werden und wenn meine Klamotten nass werden würden, wäre ich am Ars**. So verließ ich also meine Hängematte und legte mich in eine Art verlassenen Pavillon, einfach auf den Boden, Hauptsache, ich hatte ein Dach über dem Kopf. Diese Nacht schlief ich also höchstens drei Stunden und verbrachte den Rest der Zeit damit, zu hoffen, dass es bald aufhören würde zu regnen und dass ich morgen weiterlaufen könnte.
Meine Bitten wurden nicht erhört, am nächsten Morgen regnete es immer noch. Ich packte also meine klitschnasse Hängematte zusammen mit meinen nassen Klamotten und meinem nassen Schlafsack in eine Plastiktüte und verstaute alles in meinem mehr oder weniger nassen Rucksack.
Jetzt gab es wohl oder übel nur noch eine Option: Direkt am zweiten Tag abbrechen und umdrehen. Weiterlaufen war leider keine Option, denn die nächste zwei Etappen waren ohne Hütten, das heißt, selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich nicht in einem überdachten Bett schlafen können. Und eine Nacht bei einstelligen Temperaturen in einer komplett nassen Hängematte war schlicht und ergreifend nicht machbar. Ich buchte ganz spontan ein AirBnB in La Pichette, einem Ort, den ich bis zum Tagesende erreicht haben sollten. Etwas schweren Herzens drehte ich also um und lief den Weg wieder zurück, diesmal leider ohne Aussicht, denn überall war Nebel und Regen.
Wieder bei Deux Bras angelangt entschied ich mich dann für einen anderen Weg, denn ich wusste, dass meine Beine den steilen Anstieg nicht gut verkraften würden. Ich entschied mich daher für den deutlich längeren, aber dafür flachen Weg durch ein Flussbett, bei dem ich circa alle 20 Minuten durch Wasser laufen musste. Da ja inzwischen aber eh alles nass war, war es mir fast egal, dass es meine Wanderschuhe nun auch waren. Nach ungefähr 6 Stunden Wanderung (fast komplett ohne Pausen, denn Pausen im Regen sind doof und außerdem hatte ich keine Kraft mehr, um meinen Rucksack auf und abzuziehen :D) kam ich dann auch endlich an.
Priscilla, meine AirBnB-Gastgeberin, empfing mich total herzlich, nahm mich sogar die letzten Meter bis zu ihrer Wohnung mit dem Auto mit. Wir quatschten ein wenig, dann ging ich duschen und schlief direkt ein. Nach meinem dreistündigen Nickerchen wachte ich auf, da sie an meine Tür klopfte und fragte, ob alles okay sei - ich hätte gar nichts gegessen. Daraufhin begab ich mich ins Wohnzimmer und sie zeigte mir, dass sie Carry Poisson und Salat für mich vorbereitet hatte. Total lieb! Ich fühlte mich schlecht, dass ich nicht vorher mit ihr zusammen gegessen hatte, doch ich war einfach so K.O.! Sie setzte mich zu mir beim Essen und wir redeten noch ein wenig. Zum Nachtisch gab es sogar noch Gateau Patat von ihrer Mama. Lecker!!
Nach dem Essen machte ich den Abwasch, um mich zu bedanken und ging dann auch relativ direkt wieder schlafen :D Ich war echt fix und foxy.
Am nächsten Morgen wachte ich gegen 8h30 auf, packte meinen Rucksack zusammen und verabschiedete mich von meiner herzensguten Gastgeberin. Nach einer ziemlich langen Reise mit dem Bus kam ich dann wieder in der WG an, fünf Tage früher als geplant. Aber so ist das eben manchmal, was nicht soll, das soll eben nicht. Der erste Tag war trotzdem schön :D