Veröffentlicht: 11.11.2020
Bereits um 9:00 in der Früh erreicht mein Schiff Kirkenes. Rund 2600 Kilometer Luftlinie bin ich von Wien nun entfernt und vier Grad über Null zeigt das Thermometer. Sieben sollten es im Laufe des Tages dann noch werden.
Das Stahlwerk hier am Ende der Welt übt eine gewisse Faszination auf mich aus. Ob es tatsächlich noch in Betrieb ist, hatte ich bis dato leider nicht eruieren können. Bloß ein verhungertes und auch schon ein wenig verwachsenes Eisenbahngleis vom Stahlwerk zu einer nahe gelegenen Erzmine ist mir während der 25-minütigen Busfahrt von Kirkenes zum Flughafen hinaus aufgefallen. Genau wie die cyrillischen Anschriften neben dem ortsüblichen Norwegisch an Supermärkten und Geschäften hier in Kirkenes. Die russische Grenze ist schließlich nur wenige Kilometer von Kirkenes entfernt, und kaufkräftige Kunden von drüben wird man wohl auch hier gerne begrüßen.
Zehn Stunden muss ich auf meinen Flug nach Oslo nun warten, und so beschließe ich um etwa 11:00, eine mehrstündige Wanderung durch die beinahe baumlose und an die Tundra damit heranreichende Landschaft zu machen. Ein Hügel mit einem etwas eigenartig wirkenden Aufsatz erscheint mir ein geeignetes Wanderziel abzugeben, doch sehr bald muss ich, an einem Schranken angelangt, feststellen, dass es sich hierbei um einen Truppenübungsplatz und um militärisches Sperrgebiet handelt. Kein Wunder! - Jahrzehntelang sind sich NATO und das damals sozialistische Sowjetimperium bis an die Zähne bewaffnet im Kalten Krieg hier am Ende der Welt Aug in Aug gegenübergestanden. Weit und breit ist in dieser Einöde zwar kein Mensch zu sehen. Die Courage, den Schranken zu überspringen, habe ich aber dennoch nicht.
Ein Plateau in einiger Entfernung hab ich mir als neues Ziel nun auserkoren. Ein Ziel, dass sich wirklich bezahlt gemacht haben wird, um hier ausnahmsweise einmal die Vorzukunft zu verwenden. Denn völlig unvermutet komme ich während meiner Wanderung an einem von Sami bewohnten Dorf vorbei. Etliche Male bereits hatte ich während meiner 26 Dienstjahre als Lehrer den Kindern in der 1.Klasse von den Sami im Geographieunterricht erzählt. Und jetzt steh ich da und sehe das von mir schon etliche Male Erzählte einmal "ich echt" . . .
Von Fischfang und Rentierzucht leben die Sami, und tatsächlich begegnen mir in einiger Entfernung auch immer wieder kleine Rentierherden, die ich mir mittels Zoom der Kamera dann heranhole. Der Ausblick vom auserkorenen Plateau auf die nunmehr von sanfteren Hügeln umgebene Fjordlandschaft lässt mein Herz noch einmal höher schlagen.
Mit Kaffee trinken, Essen, ein wenig Herumsinnieren und die schöne Reise damit nochmal Revue passieren lassen, vergehen die Stunden am Flughafen wie im Flug. Um 23:30 etwa betrete ich schließlich mein herrlich bequemes Hotelzimmer in Oslo . . . - und genieße nach den Tagen über dem Polarkreis nun wieder eine echte Nacht mit der ohne Zweifel dazugehörigen Dunkelheit.