Wolfgang Zander
Wolfgang Zander
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NORWEGEN 2019 - Teil 7: Die leidige Geschichte mit dem Nordkap

Veröffentlicht: 07.11.2020

Das Nordkap! – Zweifelsohne mag die Vorstellung von einer Traumdestination, einem sagenumwobenen Sehnsuchtsziel, einem Punkt, der unbedingt noch erreicht werden will, um die womöglich nüchtern ausfallende Lebensbilanz vor dem endgültigen Abdanken damit vielleicht doch ein wenig noch aufpeppen zu können, in zahlreichen Köpfen herumgeistern . . .

Bei meiner Ankunft in Honningsvåg am späten Vormittag hatte der Himmel jedenfalls noch ein hoffnungsvolleres Bild abgegeben. Dass das Wetter allerdings umschlagen würde, ist mir in der Früh bereits klar gewesen. Und dass es am Ende der ultimative Reinfaller mit null Sicht und nichts als Nebel geworden ist, zeigt, von meinen Bildern einmal abgesehen, allein das unzweifelhaft eingefärbte Stimmungsbild meines Textes.

Erhebender wär‘s bestimmt gewesen, bei klarem Wetter über das Felsplateau des Nordkaps Richtung offenes Meer hinausblicken zu können. Ein klein wenig erhebender. Denn erbaulich wirkt an diesem vermeintlichen Sehnsuchtsort, der in der ganzen Welt als Topziel gewürdigt und gefeiert wird, nicht wirklich was.

Touristenmassen, die als Pauschalreisende mit Bussen und Kreuzfahrtschiffen oder eben nur mit Reisebussen in rauen Mengen herangekarrt werden, vernebeln die Atmosphäre auch ohne den vorhandenen Nebel. Viele Lückenfüllende dazwischen, die's mit ihren Motorrädern oder oft sehr klapprig wirkenden Campingbussen unverhoffterweise nun doch bis hierher geschafft haben, verdichten den atmosphärischen Nebel dabei zusehends. Sehr abenteuerliche Verrenkungen vollbringen die meisten in zuweilen sehr dümmlichen Posen, um beim Fotografiertwerden oft noch mit aufgesetzter Jubelstimmung sehr lautstark zur Geltung zu gelangen. Ein Trubel herrscht hier am Nordkap und im angrenzenden Nordkapcenter, der mich an den Wiener Wurschtlprater während der Firmung oder ans Bierzelt in der Provinz erinnert. Das mit Zeige- und Mittelfinger geschnittene Victory-Zeichen darf bei vielen dieser Fotos natürlich nicht fehlen,  während ein weiterer Zeitgenosse sich ununterbrochen mit seinem Motorradhelm vor der allseits bekannten Stahlskulptur zu inszenieren versucht. Auf Facebook kriegt er dafür womöglich 47 Likes mit 22 ganz sicher nicht sehr geistreichen Kommentaren . . .

Cool aber ist es dennoch, denke ich mir dann wieder, rund 2500 Kilometer Luftlinie von Wien entfernt an diesem Punkt hier zu stehen. An diesem Punkt - und das ist der eigentliche Witz an der Sache -, der gar nicht wirklich den nördlichsten Punkt Europas abgibt. Ragt doch eine Landzunge hier ganz in der Nähe um einige Meter weiter nach Norden ins Meer hinein. Und überhaupt liegt das Nordkap auf der Insel Magerøya und gehört damit gar nicht zu Festlandeuropa.

Stunden später, nach einem ausgiebigen Nachmittagsschläfchen in meiner gemütlichen Kabine, umfährt mein Schiff der Hurtigruten um etwa 18:45 den Felsvorsprung Kinnarodden. Kinnarodden oder auch Nordkinn genannt . . . - Kaum jemand an Board schenkt diesem Felsvorsprung, der den wirklich nördlichsten Punkt des zusammenhängen Festlandes von Europa bedeutet, Beachtung. Für mich allerdings sind genau das die großartigen und wirklich erhebenden Momente dieser Reise: Bei mittlerweile wieder richtig saumäßigem Wetter mit Wind und entsprechenden Wellen sehr ausgiebig Kinnarodden oder das Nordkinn zu betrachten.
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