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Vertraut aber doch anders + Cabintrip 2.0

Veröffentlicht: 20.03.2021

Während ich so durch einen CoopExtra Supermarkt schlendere, fällt mir auf, dass es sich genauso anfühlt, als würde ich durch meinen heimischen Rewe oder Edeka stromern. Abgesehen von den Preisen und der allgegenwärtigen Frage, wofür als nächstes meine hart ersparten Euros/Kronen ausgegeben werden. Aber abgesehen von den Preisen und natürlich den norwegischen Produktbeschreibungen fühlt es sich an, als hätte ich mein ganzes Leben schon so eingekauft. Die norwegischen Wörter, die man zum Verständnis des Supermarktangebots braucht, sind auch schnell erschlossen. Fast langweilig. Nichts von fremdartigen Produkten, wo man weder an Bild oder Schrift erkennt was man da eigentlich gerade in der Hand hält. Nichts von Kommunikationsproblemen und dem Einsatz von Händisch und Füßisch, um dem Personal ein Quäntchen Information abzuringen (alle sprechen einwandfrei Englisch). Gleiche Kühltheken, gleiche Regalstruktur – selbst das Verhalten der Menschen im Supermarkt ist nur allzu vertraut. Lediglich die Klopapierwut scheint nicht so ausgeprägt zu sein. 

Basilikum für nur 2,80€ der Topf
Lust auf Hafer-Fraß?
Tiefkühlpizza - wahrlich ein Nationalgericht
Mikrowellencalzone mit der "Digg Fyll!" für nur 6 Euro

Erst wenn ich den Laden verlasse und gegen Norden über den Trondheimfjord schaue, in der Ferne die Berge direkt am Wasser sehe, erst dann merk ich wieder, dass ich tatsächlich woanders bin. Auch die Tage werden wieder „normal“. Die Tagundnachtgleiche ist heute und es geht in ebenso schnellen Schritten der Mitternachtssonne entgegen. Der Partyzeit in Norwegen. Sofern es Corona zulässt…

Mittlerweile kenne ich auch meine Mitbewohner recht gut und ohne mir zu sehr auf die Schulter zu klopfen: Seit ich hier bin, hat mir Clas unser „Wohnungsältester“ erzählt, sprechen auch die übrigen Mitbewohner mehr untereinander. Sonst war es wohl nur ein „Nebeneinander herleben“. Clas hat mir auch die Gelegenheit verschafft, an etwas norwegischen selbstgebrannten Schnaps zu kommen. Der Liter nur 22 €, was bei einem Alkoholgehalt von bis zu 95 % ein gutes Preisleistungsverhältnis ergibt.

Es ist mir auch aufgefallen, dass die Norweger überaus spezialisiert auf Serien sind, egal welcher Streamingplattform. Da ich mit meiner Expertise auf diesem Gebiet wohl oder übel nicht mithalten kann, führt das zu den abendlichen Essenszeiten gelegentlich dazu, dass ich gezwungen werde eine der populären Serien mitzuschauen. Interessant ist dabei, dass die Menschen hier in Norwegen dabei generell nur auf Englisch schauen. Als ich erklärte, dass es in Deutschland ganz normal ist, jeglichen Film und jegliche Serie in deutscher Vertonung zu erhalten, waren meine Mitbewohner nicht nur wenig erstaunt. Tatsächlich kommt ihnen der Gedanke Filme und Serien in Landessprache zu schauen ja geradezu absurd vor. Mehr als norwegische Untertitel sind sie nicht gewöhnt und aufgrund des guten Englischverständnisses brauchen sie auch nicht mehr.

Die Sprachähnlichkeiten mit anderen skandinavischen Ländern wie Dänemark und Schweden sind insgesamt auch immer sehr interessant zu verfolgen. Die Menschen dieser drei Länder können sich größtenteils ohne Probleme verständigen, wobei sich die Unterschiede zwischen ihnen wohl am ehesten mit den Unterschieden zweier ausgeprägter deutscher Dialekte vergleichen lassen. Jedoch haben Isländer Probleme die Norweger zu verstehen und umgekehrt funktioniert es wohl überhaupt nicht. Da Island vor sehr langer Zeit besiedelt wurde und sich an der Sprache aufgrund der Abgeschiedenheit nicht viel verändert hat, findet man am ehesten in der Welt dort eine authentische altnordische Wikingersprache. Die Sprache des Festlandskandinaviens unterlag im Laufe der Geschichte mehr Einflüssen. Insbesondere durch die historische Zugehörigkeit zu Dänemark. Das spürte auch die Isländerin, die Teil eines kleinen norwegischen Partyabends in unserer Wohnung war. Ich und sie waren die einzigen internationalen Studenten in der Runde und im Laufe des Abends und mit zunehmenden Alkoholkonsum begannen die Norweger von Englisch zunehmend auf betrunkenes Norwegisch zu wechseln, was uns beide überforderte. Lediglich das Erstaunen und die Bewunderung, als ich beim Bierpong meine norwegischen Kontrahenten abgezogen habe, konnte ich trotz Sprachbarriere eindeutig spüren.🤷‍♂️

Laptop-Trocknungsaktion dank verschütteten Wassers (Hinweis: Es war kein Alkohol im Spiel!)

Anfang März stand ein weiterer Hüttentrip (=Cabintrip) in Aussicht. Trotz dessen, dass die abgebrannte Sauna noch nicht vollständig wieder aufgebaut war (Saunen auf Studentencabins brennen wohl alle paar Jahre mal nieder, mitunter weil versucht wird, ganze Truthähne am Saunaofen zu rösten…), wirkte die Cabin doch wie ein sehr gemütlicher Wochenendsurlaub. Als der Mensch mit einem Auto nahm ich einen Großteil der logistischen Planung auf mich. Das bedeutete 10 Leute zur Hütte hin und wieder von der Hütte nach Trondheim zu bekommen. Verpflegung und diverse Utensilien zum Schlafen und Wandern eingeschlossen. Auf dem Weg zur Cabin kam ich auf die großartige Idee doch die Parkempfehlung des Cabinteams in den Wind zu schlagen und zu probieren, wie weit ich auf einem matschigen Forstweg mit vollbepacktem Auto in Richtung Hütte komme. War keine gute Idee. Steil bergauf, steil bergab und mit Kurven. Nachdem ich das dritte Mal stecken geblieben bin, übergab ich das Steuer zögernd einem Norweger der somit vom Passagier zum temporären Fahrer befördert wurde. Und ich habe einiges gelernt. Zum Ersten: Nicht mehr auf unpräparierte Waldwege mit matschigem Schnee fahren und zum Zweiten: sollte Ersteres doch einmal passieren ist Geschwindigkeit der Schlüssel! Mit magenverkrampfender Geschwindigkeit (30 km/h!!!) bretterte Louis über den verschneiten sich hebenden und senkenden Forstpfad. Als wir endlich eine weniger enge Stelle erreichten wo das Wenden in 9 Zügen geradeso möglich war, viel es mir sichtlich schwer mich vom Beifahrersitz zu entkrampfen. So setze ich meine Passagiere ab, dass sie schonmal die Cabin anwärmen konnten und machte mich nunmehr allein auf die Rückfahrt über den Forstweg. Dank meines neu erworbenen Wissens, ohne besondere Ereignisse, jedoch mit ordentlich Geschwindigkeit und einem himmelhohen Adrenalinspiegel.

Das Cabinwochenende verlief danach weitestgehend entspannt. Highlight war die Wanderung am nächsten Tag zu einem nahegelegenen Bergkamm. Im Winter einfach durch einen verschneiten Wald quer feldein zu laufen ist eine besondere Art des Wanderns. Hügelauf- hügelab durch immer tiefer werdenden Schnee, mit gelegentlichen Rutschpartien abwärts. In ebenerem Gelände ist das stetige hintereinander hergehen durch den Schnee, während man kraftsparenderweise in den Trittspuren des Vordermanns geht, mit zunehmender Zeit hypnotisierend, fast meditativ. Es bringt eine einzigartige Ruhe mit sich. Um so näher wir dem Kamm kamen, umso tiefer erwartete uns der Schnee und wir steckten oft überrascht bis zur Hüfte im Schnee. Da für diesen Tag ein moderater Blizzard vorausgesagt war und wir immer langsamer vorankamen, mussten wir jedoch vorzeitig abbrechen. Auf dem Abstieg kam stetig steiferer Wind auf und Schneewehen rasten vor uns über die Lichtungen und den Welt. Ein atemberaubendes surreales Schauspiel, wie aus einem Film. Gelegentlich riss die Wolkendecke auf, entblöste den blauesten Streifen Himmel und die Nachmittagssonne tauchte den verschneiten Wald für eine Minute in goldenes Licht, bevor die vom Sturm getriebenen Wolken die Lücke erneut schlossen. Mit zunehmender Dämmerung stand noch eine Aufgabe an. Das Beschaffen von Gewürzen, die wir vergessen hatten mitzunehmen. Während die restliche Mannschaft zurück zur Cabin marschierten, fuhr ich demnach zum nahegelegensten Markt. Der Schneesturm wurde auf dem Hin- und Rückweg zunehmend heftiger und brachte in der einsetzenden Dunkelheit eine gespenstische Atmosphäre auf die leeren Straßen. Nur noch die 45 Minuten des Rückwegs zu Fuß zur Cabin konnten dies toppen. Mit einer starken Kopflampe ausgestattet, ist die Wegfindung auf dem Forstpfad anfangs kein großes Problem gewesen. Lediglich die Stille und vom Wind bewegte Äste am Rand des beleuchteten Sichtfelds sorgten hier und da für Schauer auf dem Rücken. Die letzte Hälfte des Weges setzte jedoch der Schneesturm erneut ein und dicke, vom Lichtstrahl belichtete, weiß strahlende Flocken sorgten durch die Blendwirkung fast für einen vollständigen Sichtverlust in der Dunkelheit. Widerstrebend musste ich auf mein letztes Rettungsmittel zurückgreifen… Google Maps. Dank exzellenter Verbindung kein Problem. Kurz darauf in der Hütte angekommen erwartete mich ein wohlig warmer Ofen und kurz darauf ein perfekt gewürztes indisches Reiscurry.

Cabin "Heinfordstua"
Gemütlicher Dachstuhl mit Cabinschlafplätzen

Aufgrund fehlender Busverbindung für die Rückfahrt, war es logistisch angebracht, für eine gewisse Strecke 6 Leute in meinem Auto zu haben. Wenn sich diverse Freunde von mir in Deutschland darüber empört haben, wie eng mein Seat doch wohl mit 4 Personen sei, so ist es doch erstaunlich, wie sehr sich der menschliche Körper in Extremsituationen komprimieren lässt.

Unter der Woche spielt sich natürlicherweise weniger ab. Die Online-Vorlesungen werden auch hier noch das restliche Semester so bleiben. Somit wird fast ausschließlich von zuhause aus gearbeitet, was wie alles Vor- und Nachteile hat. Die Fitnessstudios haben geöffnet und bringen etwas Abwechslung unter die Woche. Das wenige freizeitliche Aktivitäten eingeschränkt sind, ist ohne Zweifel einer der Vorteile, die man für das Risiko bekommt, während einer Pandemie ein Auslandssemester in Norwegen zu planen. Zu den Wochenenden gibt es Wanderungen oder Abende mit dem ein oder anderen Brettspiel. 

Noch etwas Wertschätzung der zurückgekehrten Winterlandschaft
Blick auf Trondheim vom Geitfjellet

Sehr bald stehen die Osterferien an und ein weiterer „Ausflug“ wird geplant. Dieses mal jedoch von ganz anderen Ausmaßen.

Bis zum nächsten Mal.

Antworten (2)

Thomas
Aaalter... was hast du an „sei vorsichtig“ nicht verstanden? Episode 7 liest sich wie der Prolog zu einem Horrorfilm! Nachts bei Schneesturm durch n Wald - beim nächsten Mal delegier das bitte an einen der Wikinger, die machen so was ständig! Mann, Mann, Mann... komm Du mir nach Hause...

Gunnar
Cool! 😀 ich bin begeistert von Deinen Abenteuern. Das liest sich sehr unterhaltsam. TaxiTom auf Abwegen jetzt hast du gelernt wie man in Skandinavien Ralley fährt, bloß gut dass kein Elch den Weg gekreuzt hat. Das Wandern im Schnee, im Gänsemarsch stelle ich mir spannend vor. Ruhe und weiße Landschaft I like Snow🌨❄️. Spannend... genieß die Zeit!!!

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