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Ausflug nach Taagaabu und Anbruch des Frühlings

Veröffentlicht: 28.02.2021

Es trägt sich so einiges zu hier. Die neue physische und soziale Umgebung begünstigt die Fähigkeit sich offen auf neue Menschen einzulassen. Und was diese zu erzählen haben! Gemäß der angepriesenen Vorteile einer Auslandserfahrung kann ich in jedem Fall dem Recht geben, dass man zunehmend mit seinen eigenen negativen Vorurteilen konfrontiert wird und erst so merkt, dass man Menschen in den meisten Fällen vollkommen falsch einschätzt. Auch wenn ich mich als jemanden einschätze, der in Anderen das Positive sieht, so schleichen sich doch noch manchmal Urteile darunter. Es ist eine wahre Freude zu sehen, dass solcherlei Urteile von mal zu mal entkräftet werden, beschäftigt man sich einst mit den Personen, denen sie gelten. Die eigenen vorschnellen Urteile werden in die Schranken verwiesen und Demut gelehrt. Es lohnt sich von daher doppelt an Ausflügen teilzunehmen.

Durch die verschiedenen Kommunikationsnetzwerke kommt man an genug Gelegenheiten diese zu unternehmen. Ebenso kann man selbst Anfragen in die Gruppen stellen, ob sich Leute finden, die Lust für die ein oder andere Aktivität haben. Für nahezu alles findet sich somit relativ schnell eine Gruppe zusammen. Unter anderem sind die Ausflüge in Hütten beliebt. Der universitätsinterne Sportklub „NTNUI Koiene“ ist dafür der perfekte Anlaufpunkt. Die Koienegruppe besitzt mehrere Blockhütten innerhalb eines Radius` von etwa 180km rund um Trondheim. Diese können von Studenten zu Minimalpreisen gemietet werden.

Hüttenkarte der Koienegruppe

Da die meisten Hütten mitten in der Wildnis stehen, gehört meist eine Wanderung von der/dem Bushaltestelle/Parkplatz dazu. Diese Wanderungen variieren von gerade einmal 10 Minuten bis zu 7 Stunden. Im Falle der 7-Stunden-Hütte ist allerdings auch zu sagen, dass dies in der Winterzeit ist und man ohne Schneeschuhe oder Skier diese Hütte nicht erreichen könnte. Es sei denn man steht darauf die doppelte Zeit in Hüfthohem Schnee zu waten und gelegentlich Frostbiss zu riskieren. Auch erwähnt sei, dass besagte Hütte die Hälfte der Zeit im Winter durch Lawinengefahr gesperrt ist. Also durchaus ein etwas härteres Abenteuer. Trotz dessen sind die meisten der 22 Hütten auch für durchschnittlich fitte Menschen gut zu erreichen.

Da die Hüttentouren definitiv auch für mich seit jeher als Highlight zählten, wurde sehr bald ein Trip geplant. Unglücklicherweise waren alle Mitreisenden deutsch, so dass wir aus Bequemlichkeit nur deutsch währenddessen sprachen. Es fällt teilweise nicht leicht eine gute internationale Mischung zu erreichen. Auch wenn die meisten Austauschstudenten aus Italien, Frankreich und Spanien kommen, so ist Spitzenreiter doch Deutschland, weswegen es nur allzu einfach ist, sich in einer deutschen „Blase“ wiederzufinden. In diesem Falle ging es jedoch nicht anders und das Hüttenwochenende war trotzdem ein wahrhaftiges Erlebnis.

Nach ca. 80 Minuten Fahrt durch eine wieder einmal tolle Winterlandschaft überließ ich mein treues Gefährt einem lokalen Bauern, auf dessen Grundstück wir parken durften (offizielle Parkplätze mitten im Nirgendwo lassen sich dort schwer finden). 

Schneeschuh-Anprobe

Nach dem Ausrüsten der Schneeschuhe konnten wir unseren 2-stündigen Aufstieg zu der Hütte „Taagaabu“ beginnen. Der durch Schneemobile geglättete Forstweg endetet in der letzten Phase und die Schneeschuhe konnten ihren Dienst antreten. Da wir nur eine ungefähre Richtungsangabe wussten und die Spuren der Gruppe des vorherigen Wochenendes verweht waren, gestaltete sich das Finden als Herausforderung. Selbst mit Schneeschuhen sank man teilweise 20cm ein, was eine grobe Ahnung ließ wie tief der Schnee dort mitten in der unberührten Wildnis zu sein scheint. Die Elche, deren Spuren wir entdeckten, scheint das jedoch nicht zu stören, haben sie ja keine Probleme mit Schnee in Wanderstiefeln… Letztendlich erreichten wir jedoch die rettende Hütte mit ihren wohligen -15°C Innentemperatur. 

Es gilt hinzuzufügen, dass diese Hütten, ganz nach norwegischer Tradition, weder über fließend Wasser und Strom verfügen bund jegliches Grad Innentemperatur hart erkämpft werden muss. Der kleine Ofen, in dem das bereitliegende Holz verfeuert wird, braucht etwas Zeit, um richtig in Fahrt zu kommen aber nach etwa 2 Stunden hatten wir eine gemütliche Atmosphäre. Im Schein der lichtspendenden Kerzen Tee zu trinken und mit geschmolzenem Schnee Nudelwasser (was sonst😉) aufzusetzen schafft eine Atmosphäre, die man sonst nur selten erlebt. 

Den darauffolgenden Tag nutzten wir für eine Wanderung auf die naheliegenden verschneiten Gipfel. Der blanke Fels, der eisige Wind und der Schnee hätten vermuten lassen können man befindet sich in der Antarktis. Wäre nicht der Ausblick in die Ferne auf die aufragenden Massive der Skanden. 

Der perfekte Kletterbaum

Lediglich die Tierwelt machte, Spuren ausgenommen, keine Kenntnis von sich. Da war es doch eine positive Überraschung, als mich auf dem Rückweg zum Auto ein aufflatternder Fasan nahe zum Herztod brachte.

Die schneereichen Tage näherten sich dem Ende, was dem Skigebrauch keinen Abbruch tat. Dass Norwegen das Land der Skiläufer ist, kann man insbesondere daran erkennen, dass gefühlt jeder Norweger zum Feierabend und ganz besonders am Wochenende seine Skier schnappt und durch die Stadt und in Richtung Wald fährt. Und er fährt natürlich nicht mit dem Bus durch die Stadt, sondern mit den Skiern selbst. So teilen sich die Fußgänger die Wege teilweise mit vorbeischießenden Skiläufern. Meine Erwiderung, dass ich bis jetzt noch nicht die „Gelegenheit“ hatte das Cross-Country-Skiing zu probieren, entsetzte meinen norwegischen Mitbewohner Jørgen so sehr, dass er sich genötigt sah mich zu einem Sonntagslauf zu zwingen. Und tatsächlich – nach einer Stunde bezifferte der Sturzzähler gerade einmal 6, was jegliche meiner optimistischsten Erwartungen schlug. Auch Jørgen schien mit schlimmerem gerechnet zu haben, nichtsdestotrotz machten wir uns nach der Stunde wieder auf dem Heimweg. Anscheinend bin ich doch ein zu anstrengender Schüler… Oder er hat Angst, dass ich ihn aufgrund meines atemberaubenden Naturtalentes innerhalb kürzester Zeit überflügeln würde. Ich bin natürlich geneigt Zweiteres anzunehmen.🤷‍♂️


Kurz darauf ist hier auch der Frühling eingezogen. Jedoch nicht in einer sanften Welle, sondern er ist einer Hitzewelle gleich über das Land eingebrochen. Es ist durchaus sonderbar jetzt vor die Tür zu treten, hatte man sich ja mittlerweile an die behaglichen -15°C gewöhnt. Schlagartig sieht man sich mit bis zu +10°C konfrontiert, was selbst ja nicht das Problem ist – man lässt einfach 3 Lagen des sonst 5 lagigen Zwiebellooks weg. Durch das wochenlange harte Aushalten der frostigen Temperaturen hat sich der Körper so sehr akklimatisiert, dass sich selbst 5°C wie T-Shirt-Wetter anfühlt. Ein weiterer interessanter Effekt der gestiegenen Temperaturen - das Eis der über mehrere frostige Wochen vergletscherten Gehwege gedenkt den Aggregatszustand zu wechseln. Der feine Wasserfilm auf dem Eis der Gehwege führt zu Dancefloor-reifen Bewegungen der Gleichgewichtsbewahrung, die unter normalen Umständen in der Disco alle alt aussehen lassen würden. Ein Trost ist, dass die Norweger/innen anscheinend das selbe Problem haben. Und so schlittern die Tage alle fröhlich vor sich hin im Örtchen Trondheim.

Möge der Kampf um das Gleichgewicht beginnen

Um auch unibezogen etwas zu erwähnen – ja mittlerweile habe ich alle Kurse, die ich gewählt habe. Der Lehr- und Lernstil ist jedoch gegenüber dem, was ich aus meiner Heimatuni kenne, etwas anders. Es wird eine höhere Relevanz auf verschiedene kleinere Arbeiten während des Semesters gelegt, anstatt den Hauptteil der Note lediglich auf einer Klausur zu basieren. Es wird eine etwas höhere Eigenständigkeit vorausgesetzt, was ich auf meiner Seite nur begrüßen kann.

Die kommenden Wochen werden neben Uni noch mindestens einen weiteren Hüttentrip (mit Sauna!) bringen und auch die Osterferien rücken näher. Die ideale Gelegenheit, um aufzusatteln und einen Roadtrip zu unternehmen.

Haltet die Ohren steif. Es werden auch in Deutschland wieder bessere Zeiten anbrechen. Bis dahin bin ich in Gedanken bei Euch. Liebe Grüße.

Antworten (3)

Thomas
Es gab ja Zeiten, in denen wir Dir von der Schönheit der Norwegischen Natur und das Leben dort oben vorschwärmten. Jetzt hat sich das gedreht, Du schaffst es mit jedem deiner Berichte, Fernweh zu verursachen - ich muss jedesmal kämpfen, nicht zum Auto zu rennen und zu Dir zu fahren, mich auf deine Spuren zu begeben, die Hütten zu suchen, von denen Du so schwärmst. Meeehr davon!!! Sei gedrückt!

Werner
Hallo Tom, mit viel Begeisterung habe ich deinen Bericht gelesen. Ich bin begeistert. Leider wird es mit der Einreise für Susanne noch etwas dauern, da zurzeit, dank Corona, nur gebürtige Norweger einreisen dürfen. Sobald Corona es zulässt, kommt sie aber sofort nach Norwegen. Dir wünschen wir weiter tolle Erlebnisse.

Klaus-Peter
Hallo Tom, ich bin begeistert von der Art wie du schreibst. Es ist sehr unterhaltsam, deine Berichte zu lesen und ich habe auch, hier und da, sehr lachen müssen. Aber vor allem freue ich mich, dass du in Norwegen gut zurecht kommst und es dir gefällt. Ich freue mich schon auf die nächsten Berichte. Liebe Grüße, auch von Klaus

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