Veröffentlicht: 09.10.2023
Don Curry bemüht sich bei der Auswahl seiner Unterkünfte stets um Gebäude, die in die bereiste Region passen und im besten Fall sogar historischen Hintergrund haben. Als regional typisch lassen sich sicherlich Jabirs Apartment in einem klassischen Bakuer Wohnhaus oder Rahmans Guesthouse bezeichnen. Auch das EviM-Hotel in Lahıc gehört in diese Kategorie, da es im üblichen Baustil dieser Stadt errichtet wurde. Bei seiner Unterkunft in Şəki wollte Don Curry aber noch einen Schritt weitergehen: sie sollte wirklich historisch sein.
Zunächst aber lockte das Frühstück im EviM-,Hotel. Als erstes berichtete der Manager, dass die Polizei gestetn abend die drei Männer gefunden habe und ihnen helfen konnte. Don Curry zeigte sich froh über diesen einigermaßen guten Ausgang. Die dargebotene Mahlzeit lud dagegen nicht unbedingt zum Jubilieren ein: zwei kalte, hartgekochte Eier, Brot, Butter, Käse, Marmelade und Honig standen in kleinen Schalen und Schüsselchen vor ihm, nichts Frisches dazu. Dafür konnte der Tee überzeugen und half, den Rest gut hinunterspülen.
Nach Verlassen des Hotels schlenderte Don Curry etwas durch das rustikale Lahıc. In Aserbaidschan gilt das Städtchen als eine Art Rothenburg ob der Tauber, eine Art bewohntes Freilichtmuseum aus der guten alten Zeit. Das grobe Kopfsteinpflaster sämtlicher Straßen und Wege verstärkte diesen Eindruck, erschwerte zugleich aber das Vorwärtskommen. Fast alle Gebäude im Stadtkern stammen aus dem 12. - 14. Jhdt. und wurden vom noch heute hier lebenden Volk der Taten in einem ganz eigenen Baustil aus behauenen Flusssteinen errichtet, um sie widerstandsfähig gegen die häufigen Erdbeben zu machen. Berühmt ist Lahıc in ganz Aserbaidschan für das Kupferschmiedehandwerk, das hier seit Jahrhunderten gepflegt wird. Don Curry entdeckte in der pittoresken Altstadt gleich mehrere Geschäfte und Werkstätten, in denen kräftig hörbar mit Hammer und Amboss gearbeitet wurde.
Auf der Weiterfahrt geriet Kia mal wieder in eine große Schafherde und musste sich mühsam den Weg durch die Tiermassen bahnen. Kurz vor dem Wintersportort Qəbələ bog Don Curry in ein Naturschutzgebiet, dessen Highlight der Yeddi Gözəl -Wasserfall darstellt, der "Wasserfall der Sieben Schönheiten". Erschreckend viel touristische Infrastruktur hatte sich am Fuß des Naturwunders gebildet - vom Parkplatzwächter über Souvenirshops, Cafés und Restaurants bis hin zu mehreren Kindern, die auf der Zufahrtsstraße Blumensträuße zum Kauf anbieten. Don Curry widerstand all diesen Verlockungen (bis auf dss Parken) und stieg lieber tapfer die zahlreichen und völlig unregelmäßigen Stufen zu dem mehrstufigen Wasserfall empor. Schweißgebadet erreichte er das Ziel und erfreute sich sehr am kühlenden Sprühnebel des fotogen fallenden Wassers.
Sein nächstes Ziel forderte noch mehr Anstrengung von ihm, wenn auch ganz anderer Art: es musste ziemlich mühsam gefunden werden. Zwar konnte die antike Stadt Gabala problemlos auf GoogleMaps lokalisiert werden, doch gab es zwei Zugangsmöglichkeiten aus unterschiedlichen Richtungen. Don Curry wählte die kürzere. Nach 20 km auf guten Straßen sollte er plötzlich auf eine Schotterpiste abbiegen. Ganz geheuer erschien ihm das nicht, doch die noch verbleibenden 2,2 km konnten selbst auf einer Schotterpiste nicht allzu schlimm werden, dachte er zuversichtlich. Doch die Piste verschlechterte sich zusehends: erst führte sie über grobes Geröll, dann durch mehrere tiefe Pfützen und schließlich über einen morastigen Waldpfad. Als nur noch 400 m zu bewältigen waren, querte ein reissender Wildbach von ca. 5 m Breite die Piste. Hier gab es kein Weiterkommen mehr. Selbst zu Fuß hätte Don Curry den Bach nicht risikolos durchqueren können. Also die ganze furchtbare Strecke zurück, und auf Straßen nochmals 50 km bewältigen bis zur zweiten Zugangsmöglichkeit. Diese war zielführend!
Und dennoch sträubte sich das Ziel noch etwas. Als Don Curry das Gelände der antiken Stadt erreicht hatte, forderte ein Sicherheitsmann von Don Curry das Ticket. Woher sollte Don Curry ein Ticket haben? "Museum" erklärte der Mann und wies die Straße zurück. Also kehrte Don Curry abermals um, musste jedoch diesmal nur rund 700 m zurücklegen. Das augenscheinlich erst kürzlich errichtete Museum beherbergte auch den Ticket-Schalter. Hier zahlte Don Curry 1 Manat für die Besichtigung des Museums, 1 Manat für die Besichtigung der antiken Stadt und 1 Manat für das Auto. Don Curry hielt das für die Parkgebühr, sollte sich aber täuschen. Denn nach gebührender Begutachtung der musealen Schätze fuhr er wieder zum Gelände zurück, konnte nun das Ticket vorweisen und erlebte, wie der Sicherheitsmann ein großes Tor öffnete, durch das Kia nun auf das Stadtgelände fahren durfte. Don Curry hat auf seinen Reisen schon viel Kurioses erlebt, aber noch nie ein Drive-In-Ausgrabungsgelände. Besonders die imposanten Reste der Stadtmauer und das rekonstruierte mittelalterliche Stadttor machten diesen Abstecher in die Vergangenheit Aserbaidschans recht lohnenswert.
Noch scheuer als das alte Gabala gebärdete sich die alte Albanische Kirche von Nic. Denn trotz intensiver Suche konnte Don Curry sie nicht finden. Er weiß nur, dass sie sicht nicht an der Stelle befinden kann, an der sie bei GoogleMaps eingetragen ist. Stattdessen entdeckte Don Curry eine lebendige albanische Kirche, zwar deutlich neueren Datums, aber offensichtlich noch im liturgischen Gebrauch. Don Curry hatte gelesen, dass in Nic sehr viele Mitglieder vom überwiegend christlichen Volk der Uden leben. Sie feiern hier sicherlich ihre Gottesdienste. Ein großes Gemälde vom Letzten Abendmahl und eine Taufstelle im Teich vor der Kirche kündeten von spürbaren christlichen Aktivitäten mitten in diesem fast vollständig muslimischen Land.
Mehr Glück mit alten Albanischen Kirchen sollte Don Curry schließlich im Dorf Kiş haben. Dort hatte man die ziemlich versteckt im Ortskern liegende und nur durch enge Gassen erreichbare Kirche exzellent ausgeschildert. Don Curry musste die üblichen 9 Manat Eintrittsgeld für Ausländer zahlen, denn diese mittelalterliche Kirche dient nur noch als Museum. Das Königreich Albanien hat nichts mit dem heutigen Balkanstaat zu tun. Es lag als christlicher Staat östlich der georgischen Königreiche, verlor jedoch nach dem Arabersturm soviel an Bedeutung, dass es im späten Mittelalter gänzlich erlosch. Nur einige wenige Kirchen blieben bis heute erhalten. Don Curry freute sich, zumindest eine gefunden und besucht zu haben.
In eine etwas spätere Zeit versetzte ihn schließlich sein letztes Ziel: die historische Stadt Şəki, einst wichtige Station auf der Seidenstraße und Hauptstadt eines eigenen Khanats. Aus dem 18. Jhdt. stammen die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt, z.B. zwei Karawansereien. Eine davon dient heute als Hotel und Restaurant. Da dieses Hotel bisher nicht über Internet reservierbar ist, ging Don Curry das Risiko ein, erst bei seiner Ankunft nach einem freien Zimmer zu fragen. Er hatte Erfolg und konnte nun wirklich in äußerst historischem Ambiente nächtigen. Bei der Wahl zwischen einfachem Zimmer und Luxuszimmer wählte Don Curry die zweite Variante, die ihn 50 Manat (= 28 €) kostete. Zu dem Preis konnte allerdings kein echter Luxus erwartet werden; hier zählte einzig das orientalische Ambiente. Vom Manager erfuhr Don Curry, dass das Hauptziel aller Touristen in Şəki, der Sommerpalalst der Khane nur noch 50 Minuten geöffnet habe. Schnell machte er sich auf den Weg, zahlte die üblichen 9 Manat und hatte inzwischen soviel Erfahrung mit dem Ticket-Laserscanner, dass er sich selbst Einlass verschaffte, und die Ticketkontrolleurin ihm in den Palast nachlaufen musste, um sein Ticket noch analog zu kontrollieren.
Der Sommerpalast wirkt innen wie ein orientalisches Schatzkädtchen. Jeder einzelne Raum verfügt über filigrane Fresken voller Blüten- und Tiermotive, aber auch - gänzlich unislamische - Menschendarstellungen finden sich zuhauf in geschichtlichen und mythologischen Szenen. Daneben beeindruckt die einzigartige Shebeke-Technik, die aus Şəki stammt und großformatige Buntglasfenster ermöglicht. Leider darf diese überwältigende Pracht nicht fotografiert werden; mehrere Kameras pro Raum und zusätzliches Wachpersonal hinderten selbst Don Curry an einem Regelverstoß. Später fand er draußen zwei große Plakate mit Ausschnitten der Innenräume und fotografierte einfach die. Überrascht machte Don Curry eine Vielzahl asiatischer Reisegruppen aus, die nacheinander durch den Palast geschleust wurden. Soviel Touristen waren ihm nicht einmal in Baku begegnet.
Auch in die Karawanserei drangen die Reisegruppen vor, aber nur bis 19:00 Uhr. Dann blieb diese alte Unterkunft mit ihrem dezent ausgeleuchtetem Innenhof den Hotelgästen überlassen. Don Curry ließ sich zunächst fotografisch inspirieren und anschließend im Hotelrestaurant nieder, dessen einziger Gast er derzeit war. Daher konnte er sich einen wunderbaren Tisch mit Blick auf den Innenhof wählen und bei 20° C draußen noch gut sitzen. Er bestellte sich die typische Spezialität Şəkis, ein Piti, und dazu suf Anraten des Kellners eine Mischung eingelegten Gemüses. Da es in diesem Restaurant kein Bier gab, wählte er Kompot und Sprudelwasser, was gemischt ein erfrischend-fruchtiges, nicht zu süßes Getränk ergab.
Piti ist eine Art Eintopf aus Kirchererbsen, Kartoffeln, Zwiebeln und möglichst fettem Lammfleisch in einer ktäftigen Brühe, der in einem hohen Tongefäß zubereitet und serviert wird. Der Kellner zeigte Don Curry die klassische Art, Piti zu genießen: Zuerst wird die Flüssigkeit aus dem Tontopf auf einen Teller gegossen und quasi als sehr würzige Vorsuppe genutzt, dann zerkleinert man mit dem Suppenlöffel die festen Bestandteile im Tongefäß zu einer Art Brei, den man mit Brot und dem sauer eingelegtem Gemüse als Hauptgang verzehrt. Das Piti selbst mundete Don Curry ob seiner exquisiten Würzigkeit richtig gut, das saure Gemüse erschien ihm meist als allzu sauer. Insgesamt kostete das sättigende Mahl mit Getränken rund 7,50 €. Echter Genuss kann manchmal sehr günstig sein.
Anschließend streifte Don Curry noch etwas durch das nächtliche Şəki, bis er sich in sein Karawanserei-Luxuszimmer zurückzog und möglicherweise von historischen Zeiten träumte...